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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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Kelten und Kaukasiern, mit Paphlagoniern und Persern gesprochen habe und dir nun unter sehr bedrängten Verhältnissen aus Meroë schreibe!15 Während du prächtig in manche Stadt einmarschiert bist, mit Herrschern Umgang hattest und an feinen Tafeln saßest, bin ich oft als Fremder eingetreten, als Bettler, der die Freundlichkeit der Stadt nahm, und glaube mir, ich kann von meinen Reisen eine ebenso wahre Geschichte schreiben.
     
    11.
    Ich ermahne dich,16 m ein Bruder, lies weiter und ler ne!
    Du wirst die Bosheit der Feinde der Nazaräer nicht für möglich halten: Es wimmelt von falschen Messiassen! Ein Leben zu nehmen bedeutet dieser Tage gar nichts; keine Gotteslästerung ist zu scheußlich, keine Lüge zu absurd, als daß sich nicht gleich jemand fände, der sie glaubt und verteidigt, keine Selbstverstümmelung ist zu grauenhaft, als daß sie nicht begeistert praktiziert würde. Obgleich du im Felde viel gesehen haben wirst, wird es dir den Schlaf rauben, wenn ich dir erzähle, daß ich selbst, dein eigener Bruder, an den Fleischtöpfen unserer Feinde mit Unkeuschheit und Sodomie17 bedroht wurde! Die Hure Helena, deren schlechter Ruf wohlverdient ist! (Du weißt, daß ich von jeher der Überzeugung war, daß Verfeinerung der Seele allein durch jungfräuliche Keuschheit und Freiheit von der Unterwerfung unter die Sünde18 zu erzielen ist.) Noch jetzt befällt mich ein Grauen, wenn ich an sie denke und an ihre höllischen Lenden.
     
    12.
    Ach, aber der junge Tesmegan wird müde, und ich werde mit der Erzählung meiner Reisen erst morgen beginnen. Wie ich mit manchen Ablenkungen und Unterbrechungen im Laufe der letztvergangenen zehn Jahre zu meiner Wanderschaft kam auf der Suche nach einem wahrhaftigen Bericht über den Ursprung unserer Kirche nach dem Zeugnis der ersten Jünger, Nachfolger und Bekannten des Herrn.
     
    13.
    Mein lieber Bruder Josephus, während meines Aufenthalts in Alexandrien, dieser zivilisiertesten aller Städte, habe ich im vergangenen Jahr [75 n. Chr.] gelesen, was ich von deiner Geschichte über die endlosen Streitigkeiten unseres Volkes auftreiben konnte. Ich halte dieses Jugendwerk wirklich für sehr vielversprechend und versichere dir, daß du eines Tages imstande sein wirst, eine wirklich erstklassige historische Darstellung zu komponieren! Wie zu erwarten, hast du alles ausgelassen, was du über den Meister hättest schreiben können und über die Kirche, die jahrzehntelang die Heimat deines Bruders war. Welch kindischer Trotz hat dich da bewogen, gegen die Pflichten des Historikers zu verstoßen!19
     
    14.
    Und bitte, gestatte mir eine weitere kritische Anmerkung: Dein ständiges Buhlen um die Gunst des Titus macht die Lektüre deines Werkes über weite Strecken äußerst peinlich. Titus widmet e sich der Vernichtung des jü dischen Geschlechts und gestattete sich zu diesem Zweck jede menschenmögliche Grausamkeit, Ausschweifung und Sodomie. Weil er glaubte, die Juden hätten angesichts des sicheren Falls von Jerusalem ihre Schätze verschluckt, sah Titus dabei zu, wie den Bürgern bei lebendigem Leib die Bäuche aufgeschnitten und ihre Eingeweide nach Goldstücken durchsucht wurden etc.20 Und solch einem Mann zu schmeicheln schämst du dich nicht? Aber ich will nicht schon wieder Streit anfangen.
     
    15.
    Kehren wir statt dessen an den Anfang meiner Kümmernisse zurück, der war in jenem zwölften Jahr von Nero Caesars gräulichem Regiment [66 n. Chr.], als es keines inspirierten Daniels bedurfte für die Prophezeiung, daß dem Lande Judäa in allernächster Zukunft Krieg und gänzliche Vernichtung drohten, da das jeder Blinde mit Krückstock sah. Vier Jahre zuvor war Jakobus, der Führer der nazaräischen Gemeinde in Jerusalem, der Blutsbruder des Meisters, auf Betreiben der Sadduzäer hingerichtet worden.21 Die Nazaräer haben sich von diesem Verlust nie erholt. Nun habe ich, dein Bruder, ein Gelehrter und Historiker, mich selbst zwar den verwaisten Stuhl des Patriarchen einzunehmen wiederholt bereit erklärt, jedoch hat der Pöbel von Jerusalem statt meiner einen ungebildeten jungen Mann namens Simon erhöht.22 Dieser Knabe konnte sich nicht einmal von einem Besuch zum nächsten meinen Namen merken. Simon leitete gedankenlos die Nazaräer zum Gebet und zum abendlichen Liebesmahl am Freitag und dann am Sabbat z um Opfer im Tempel.23 Darauf hi ngewiesen, daß ich allerdings einer der originalen zwölf Jünger des Meisters sei, hieß mich Simon mit Küssen willkommen, berührte

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