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Der dritte Berg

Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.F. Dam
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verbissen. Hat kaum noch Zeit für seine Freunde, ein delikates Projekt jagt das andere.«
    »Da wissen Sie mehr als ich.«
    »Was zu bezweifeln ist. Aber haben Sie ein Auge auf ihn, Bernard, er braucht jemanden, der ihm von Zeit zu Zeit eine Predigt hält, und ich werde das nicht sein.«

    Erst jetzt bemerke ich, dass neben Marthas Fotografie ein Buch des Rigveda liegt. Ein in rotes Leder gebundener und mit goldenen Lettern geprägter Oktavband, herausgegeben von einem gewissen Swami Satyaprakash Saraswati. Am Rücken steht golden und fett:

RIGVEDA
    Book IX

    Wahllos blättere ich. Der Rigveda ist der älteste aller indischen Texte, eine Sammlung in zehn Büchern von schwer verständlichen Hymnen aus einer unbekannten Zeit. Vielleicht aus dem dritten Jahrtausend vor Christi Geburt.
    Das Buch riecht nach moderndem Sandelholz. Fähnchen hängen über die Seiten hinaus. Es gibt kleine Einlegenotizen und vorsichtig in Bleistift geschriebene Randglossen. Zwischen Hymne 89 und Hymne 90 ist ein sorgfältig mit der Hand geschriebener, mehrseitiger Sanskrit-Text eingeschoben. Ich könnte den Text entziffern, aber verstehen werde ich ihn nicht. Ich habe ein bisschen Hindi gelernt, und zur Not spreche ich bruchstückhaft Bengali, die Sprache meines Großvaters. Bei diesem alten Sanskrit aber passe ich bei den ersten beiden Wörtern, die ich lese, und die sukāle sutam lauten.
    Der Sanskrit-Text ist überschrieben mit

    Handschrift auf Palmblatt,
    Rigveda, Buch 9,
    mit Kommentar von Virachara Bhatta
    (Kommentar aus Mitte d. 19. Jhdts.)

    Bibliothek von Pandit Himprasad Geomli, Kathmandu,
    Katalog No. 217

    Der Veda ist gewöhnlich nicht Christians Forschungsbereich. Ich habe ihn öfter schon über das uralte vedische Sanskrit jammern hören. »Die wahnsinnigste Grammatik, die es auf Erden gibt«, sagt er dann, »eine unverständliche Weise zu denken, kryptische Ausdrücke. Da bist du bis ans Ende deines Lebens dran, Bernard. Jeder vernünftige Indologe lässt die Finger davon.« Ich lege die Blätter wieder zurück, hinein zwischen Hymnen 89 und 90, klappe das Buch zu und wende mich von Christians Schreibtisch ab. Die Regale und Schränke warten auf mich. Ich hege die Hoffnung, Christian archiviere irgendwo Printversionen von noch nicht abgeschlossenen Projekten; er misstraut magnetischen Datenspeichern. Ich muss systematisch vorgehen und darf nichts übersehen. Ich habe nur eine Chance.

    Mit Karen Priser am Arm kommt Christian zurück. Sofort reicht er sie an mich weiter. Karen Priser ist Südasien-Historikerin aus Chicago, Christians härteste wissenschaftliche Konkurrenz in Person, und ich weiß, dass Christian diese strebsame Frau (in der, so Christian, ein frivoler Kern schlummert) hasst, oder mindestens verabscheut. Sie scheint schon etwas betrunken zu sein, und aus der Nähe besehen macht sie schon etwas her. Langes brünettes Haar, ein wenig mollig zwar, doch eine von den Frauen, die als Studentinnen hässlich sind, mit Ende vierzig aber Charisma haben und jeden Mann kriegen.
    »Ihr Freund ist eine Wucht«, sagt Karen zu mir. »Erst stiehlt er mir das Herz, dann die Forschungsergebnisse, und am Ende, was wird es da wohl sein?«
    »Karen, du bist betrunken«, sagt Christian. »Und dann bist du noch unmöglicher. Es war bloß eine Datierung, und ich habe zwei dicke, fette Fußnoten hingeknallt. Fuß-no-ten . Wie oft soll ich das noch sagen?«
    Karen Priser trinkt ihr Glas aus.
    »Ihr Christian macht Mätzchen«, sagt sie, »ich werde nie Chancen bei ihm haben. Selbst die Schuldmasche verfängt nicht, liebe Martha. Und jetzt auf in die Stadt. Ich kenne da ein absolut teuflisches Etablissement, hat immer offen. Der Tag ist so verdammt lang .«
    Weshalb wir an diesem Abend, nach allerhand Umwegen, bei denen wir auch Anil und einer Horde Post-graduate-Studenten in die Arme laufen, mit den beiden Damen zum Abendessen in Anils Haus draußen in diesem indischen Viertel von Queens landen, zusammen mit Anils Frau Kalyani und Sunita. Sunita.

    Mit dem Papierkorb schließe ich meine Suche ab. Ich denke daran, dass vielleicht Fiala mit seinen Leuten einmal hier in Christians Haus gewesen sein könnte. Seine Polizisten könnten dieselben Schränke durchsucht haben wie ich, wenn auch aus anderen Gründen. Und haben so wenig gefunden wie ich. Alles Neue ist wahrscheinlich doch bloß auf Christians Notebook abgelegt. Ich leere den Papierkorb und sichte den Inhalt. Plastikfolien, Zahnstocher, leere Druckerpatronen und weggeworfenes

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