Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dritte Berg

Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.F. Dam
Vom Netzwerk:
fühlen. Die Atmosphäre spinnt uns langsam in einen Kokon aus Eiswolken ein, der bald dichter wird und sich in einer regnerischen Warmfront auf den Boden herabsenkt.
    In der Pacassistraßenvilla antwortet niemand auf mein Klingeln. Nach kurzem Warten (falls es oben männlichen Besuch geben sollte) schließe ich daher die Haustür mit meinem Schlüssel auf, laufe die Treppe hoch und stehe Augenblicke später in Gabrielas Vorzimmer. Dort höre ich aus dem Wohnraum ein erbärmliches Wimmern. Ich sprinte hinein.
    Inmitten des Raums, umgeben von zwei orangefarbenen Sofas und eine leuchtende Glasfront im Rücken, thront eine Schmerzensjungfrau auf einem Stuhl.

EINE LACHE URIN breitet sich aus und steht unter dem weißen Teppich. Gabriela ist mit einem Strick gefesselt. Ihr Mund ist mit silberfarbenem Klebeband zugeklebt, in welches man ein mandelförmiges Atemloch geschnitten hat. Sie reißt die Augen auf und will mir ein Zeichen geben. Ich blicke rasch um mich. Niemand ist da. Ich laufe hinaus auf den Balkon. Ich nehme den Schürhaken vom Kamin in die Hand und renne schnell durch alle anderen Zimmer. Gabriela winselt immer noch, als ich zurückkomme. Ich reiße ihr das Klebeband ab und binde sie los. Worauf sie mich bei der Hand ergreift und schreiend aus dem Zimmer zerrt. Die Tür schlägt sie zu, läuft ins Bad, kommt mit zwei Handtüchern zurück und stopft diese in den Spalt unter der Wohnzimmertür.
    » Mierda! Una culebra! Yo la vi «, schreit sie. »Eine Schlange an meinem Fuß! Diese dämlichen Wichser!« Gabrielas Haare kleben in ihrem Gesicht. Wir sitzen auf dem alten Vorzimmersofa. Mit den Fäusten drischt Gabriela auf ihre Oberschenkel.
    »Ich durfte mit dem Stuhl nicht klopfen. Konnte die Schlange nervös machen. Haben die gesagt. Ich konnte auch umkippen. Ni pensar! Und das Telefon. Ich hatte solche Angst, das würde der Schlange gar nicht gefallen!«
    An dieser Stelle greife ich ellentief in die Kiste der Dummheit. Und mit einem wahren Schatz tauche ich hervor. Ich entschuldige mich, Gabrielas Anruf nicht entgegengenommen zu haben. Sei in einer wichtigen Besprechung mit Kommissar Fiala gewesen.
    Die Bombe tickt drei oder vier Sekunden lang.
    Als zwei bedrohlich aussehende Typen anrückten, hat Gabriela mich angerufen. Nach ihrer Beschreibung konnten es die beiden Bayern vom Schluchsee gewesen sein, denn einer hatte eine auffallend kleine Nase. Sie habe sie an der Gartentür gesehen und gleich gedacht, das müsse mit meinen Abenteuern zusammenhängen. Nun kommt ein schrilles Krächzen aus Gabrielas Mund. Auf Spanisch. Unglücklicherweise verstehe ich das. Dazu trommelt sie mit den Fäusten nicht mehr auf ihre Oberschenkel ein, sondern auf meine Brust. Erst als Gabriela ermattet auf dem Sofa liegt, wage ich es, nach der Schlange zu fragen. Hatte Gabriela Albträume? Ich solle doch die Tierfänger rufen, schluchzt Gabriela, da sei eine muy venenosa Schlange in ihrer Wohnung, klein, geringelt. Ich versuche es bei der Feuerwehr. Das klappt. Sie wollen einen Spezialisten aus dem nahe gelegenen Tiergarten Schönbrunn organisieren und in spätestens einer Stunde da sein. Als ein Feuerwehrmann mit dem Schönbrunner Spezialisten die Wohnung betritt, liegt Gabriela bereits blass in ihrem Schlafzimmer. In der Wartezeit bin ich in den Schlangenraum eingedrungen. Ich habe Urin, Stuhl und Stricke beseitigt. Ich glaube Gabriela die Schlangengeschichte, und ich habe mich nicht wohlgefühlt bei diesem Vorstoß.
    Dem Mann von der Feuerwehr und dem Spezialisten aus dem Tiergarten binde ich eine wirre Geschichte von versehentlich tagelang offener Balkontür auf die Nase, während wir verreist waren. Und beim Anblick der Schlange habe unser Fünfjähriger seine Hosen vollgepinkelt. Jetzt weint er und sei bei Großmama. Der Spezialist fängt tatsächlich eine Schlange, einen Meter lang, braun, mit weißen Ringen. Er hält sie lachend vor uns hin.
    »Hochgiftig«, sagt er, »ein indischer Krait, Bungarus caeruleus . Da sind Sie mausetot in Minuten, hehe. Aber der hier, sehen Sie, der hat man die Giftzähne gezogen.«
    Zu dritt starren wir der Schlange ins Maul.
    »Die besitzt hier jemand illegal. Ich sollte davon wissen. Tu ich aber nicht, he.«
    Trotz allem bin ich erleichtert. Maettgens Schläger haben immerhin Wert darauf gelegt, dass es zu keinem Unfall kommen konnte. Die wissen aber nicht nur um mich; auch um Gabriela. Bis ins Hemd werde ich ausspioniert. Nachdem der Tierfänger verschwunden ist, lege ich mich schweigend

Weitere Kostenlose Bücher