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Der dritte Berg

Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.F. Dam
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aufzukreuzen.
    In meiner Wohnung ist alles in Ordnung. Es gibt keine Veränderung, kein Gefühl von Gefahr, es hat wohl kein weiterer Einbruch stattgefunden.
    Das einzige ganz andere, das bin ich, und dies aus einer Vielzahl von Gründen. Mein Leben hat auch an innerer Geschwindigkeit ziemlich zugelegt. Und einer dieser Gründe – das ist an diesem Abend ein einundzwanzig mal elf Zentimeter großer, sehr flacher, weißer Gegenstand. Ein überkommenes Kommunikationsmittel, ein Brief.
    Er liegt in meinem Postfach und ist auf einer Schreibmaschine getippt. Auf einem Gerät, wie es heute nur noch Schreiber auf indischen Straßen und in den Bazaren verwenden. Das benutzte Papier ist an der Seite leicht angegilbt und schwer. Dinge aus der Vergangenheit stürmen auf mich ein, als ich den Brief lese und dabei die Treppe in die Wohnung hinaufsteige. Abfolgen von Bildern ziehen heran – vielleicht aus meiner Kindheit, vielleicht Geschichten, die mein Vater erzählt hat, vielleicht auch einfach nur Erinnerungen an Bücher, die ich gelesen habe, und die Bilder, die sie in mir erzeugt haben.
    Diesmal hat Iskander mich voll erwischt.

    Iskander Mahan
    Akkad Lane 323
    Chandranagar

    An
    Dr. Bernard Rai
    Veitlissengasse 7d
    A-1130 Wien

    Ich weiß, Dr. Rai, Sie sind meiner Briefe müde. Ich kann Sie nur um Geduld bitten und wähle die alte Briefform. Mit den Fährnissen des Großen Netzozeans und seiner Nachrichtensysteme nimmt es dieser alte Odysseus hier nicht mehr auf. (Weshalb meine erste Nachricht an Sie, wie ich feststellen musste, auch unvollständig war.)
    Doch gibt es ein fast vergessenes historisches Gebiet, auf das ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte: den Christusorden – und seine Mitglieder.
    Der Ordem de Cavalaria de Nosso Senhor Jesu Cristo war, wie sein Name sagt, ein Ritterorden, der im Jahre 1319 von König Dionysius von Portugal und dem Tempelritter João Lourenço gegründet wurde. Sein Besitz ist der Besitz der in Portugal offiziell bloß aufgelösten Templer (während man sie im übrigen Europa tötete und verbot), die Ordensritter sind identisch mit den Tempelrittern. Der Christusorden ist die einzig existierende Fortsetzung des Templerordens, bestätigt von Papst Johannes XXII. und mit großzügigen päpstlichen Privilegien ausgestattet!
    Und jetzt raten Sie, wer einer der wichtigsten Großmeister des Christusordens war: Heinrich der Seefahrer! Sie wissen bestimmt, von wem ich spreche. Er, der Ahnherr des europäischen Aufbruchs, die Quelle unserer Vorherrschaft!
    Und, ja, Sie liegen richtig, auch Bartolomeu Dias, der erste Umfahrer des afrikanischen Kaps, Vasco da Gama, der den Seeweg nach Indien entdeckt, Pedro Cabral, der Entdecker Brasiliens, und sogar der geheimnisvolle Nürnberger Martin Behaim, der Erbauer des ersten Globus, sie alle waren Teil dieser illustren Gesellschaft. Sie alle waren Templer und Christusritter. Sämtliche Entdecker! Es war nichts weniger als eine Loge, die das Unmögliche plante und vollbrachte! Man könnte, würde man es nicht gutheißen, würde man nicht frohlocken, wahnsinnig werden!
    Heinrichs Name lautete eigentlich Dom Henrique de Avis . Dom Henrique allein ist die Quelle (hatte ich das schon gesagt?), die Linse, von der Europa in die Welt hinausstrahlt, er, der Großmeister des Christusordens. Ohne ihn ist die heutige Weltordnung undenkbar.
    Heinrich war dabei, als Portugal im Jahre 1415 mit zweihundert Schiffen die Stadt Ceuta in Marokko erobert. Er fasst dort den Plan, die westafrikanischen Küstengegenden zu erkunden. Nach dem ersten Ziel, das Heinrich erreicht, dem Cabo da Não, wird das Cap Bojador umschifft, und schließlich erreicht man den Rio de Oro, kommt sogar in den Senegal, wo man endlich »mit dem Land der Neger« in Berührung kommt. Doch will Henrique viel weiter, er will nichts weniger als nach Indien! Er will die jahrhundertealte, so gut wie lückenlose muslimische Blockade des Weges nach Indien umgehen. Es war ein strategisches Unternehmen. Das größte seit Alexander!

    Doch worum ging es Heinrich und den Templern in Wahrheit? Wohl nicht um ein paar Morgen Land oder um Säcke voll Pfeffer.
    So viel nur sei an dieser Stelle gesagt: Der Grund war das alchemistische GROSSE WERK. Es wird auch das mysterium coniunctionis genannt, die Vereinigung von Sonne und Mond – von West und Ost! Und die Früchte dieser Vereinigung.
    Denn die alten Eingeweihten, sie irrten sich. Man muss die Dinge etwas bodenständiger sehen. Das WERK ist eine geschichtliche

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