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Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. F. Dam
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abschließende Warnung zu verpassen. Und dann frage ich mich, woher Christian um meinen Aufenthalt hier weiß. Rehauge oder Sophia. Ich hasse sie beide. Ich hasse diese Stadt. Sollen Ratten, Gavials, Feuer und Monsun die vier Säulen ihres allerletzten Verderbens sein.

III
    IM ALLGEMEINEN BIN ICH ja nicht der Meinung, die Welt solle in Sack und Asche gehen. Ich denke nicht, alle Häuser sollten grau sein und die Autos aus Bakelitpappe bestehen. Ich glaube an das kommunistische ästhetische Komplott. Es muss da irgendwo, in Moskau, oder in Ostberlin, eine tausendköpfige Kommission gegeben haben, mit der Leibniz’schen Aufgabe, die hässlichste aller Welten zu entwickeln.
    Doch glaube ich selbst an einem stinkenden Tag wie diesem nicht, eine Milliarde von uns soll hungern, eine weitere an Durchfall leiden, eine dritte und vierte in tristen Kleinstwohnungen und Lehmhütten darben, und eine einzige Million müsse von diesen allen eine Menge Geld abziehen und unbedingt in Palästen wie diesen leben.
    Der Reichtum, durch den mein Taxi mich seit Minuten karrt, erscheint umso beeindruckender, als er sich hinter hohen Mauern, undurchdringlichen Zäunen, Palmenhainen und künstlichen Hügeln verschanzt. Mein Fahrer, jetzt fröhlich auf seinem Sitz hüpfend wie der Bauer Dikaiopolis aus der Komödie von Aristophanes, bremst vor Dr. G.C . Mukherjees – Haus .
    Um Mukherjees Grundstück zieht sich eine mehr als drei Meter hohe, weißgekalkte Mauer. Sie verläuft jedoch nicht gerade, sondern ist konvex geschwungen. Ich steige aus dem Wagen und bitte den Taxifahrer, ein Stück weit die Straße hinaufzufahren und dort auf mich zu warten. Für die mutmaßlich vorhandenen Kameras posierend, schlendere ich entspannt Mukherjees Mauer entlang. Geräusche von schallgedämmten Rasenmähern und einer elektrischen Gartenschere fliegen in meine Ohren. Die Mauerkrone ist bloß mit Tonziegeln abgedeckt, es gibt keinen Stacheldraht. Ich befeuchte meine Finger, greife in den rauhen, mediterranen Putz, hake einen Finger im Nichts ein, mache einen schnellen Schritt in die Wand, zuerst nach links, dann einen Schritt nach rechts, und bekomme so die obere Ziegelabdeckung zu fassen. Zwischen die Ziegel hat man kleine Glasscherben gesteckt. Ich ziehe mich dennoch hoch, hieve mein linkes Knie auf die Mauerkrone und stemme den Rest meines malträtierten Körpers nach oben. Meine Hose erleidet Schaden an den Scherben. Auf der anderen Seite muss ich nur noch auf den weichen Rasen hinunterspringen.
    Hohe Palmyrapalmen formen in diesem Teil des Gartens Schattenkreise. Ich drücke mich hinter einen Palmstamm. Das Haus liegt fünfzig Meter entfernt. Ich löse mich von meinem rauhen Palmyrastamm, renne und drehe dann eine halbe Runde um das Haus. Nicht einmal dem Gärtner oder einem Diener laufe ich über den Weg. Auf der anderen Hausseite trete ich auf Mukherjees mit hellblauem Naturstein gepflasterte Terrasse. Im Gartengelände vor der Terrasse stehen mehrere Bananenbäume, dazu riesige Rhododendren und dahinter wieder eine große Gruppe Palmyrapalmen, die sich gegen die Rauchschichten, die über Kalonagar liegen, abheben. Sprinkler tauchen den Rasen neben einem nierenförmigen, langgezogenen Pool in einen kühlenden Nebel. Mir fällt auf, dass der Brandgeruch es nicht bis in dieses Villenviertel schafft. Als hätte selbst die Luft begriffen .
    Zwei der hohen, gläsernen Terrassentüren stehen offen. In dem dunklen, getäfelten Raum dahinter kann ich Bücherwände, einen großen Empire-Schreibtisch aus Teakholz und einen Kaschmirseidenteppich ausmachen.
    Â»Guten Tag, Dr. Rai«, sagt eine tiefe Stimme mit indischem Akzent. Sie kommt aus diesem dunklen Raum.
    Augenblicke später steht G.C . Mukherjee vor mir. Er ist Ende fünfzig und sieht nicht nur aus wie der Mann auf dem Bild vom Kongressabend, sondern ist auch so, wie man sich G.C . Mukherjee vorstellt. Sein schwarzes Haar bloß angegraut, die Gestalt schlank, die Wangenknochen akzentuiert. Und die Nase ein Messer mit knochigem Rücken. Für bengalische Verhältnisse ist sie auch schnurgerade. Mukherjee lächelt mit kostspieligen Zahnveneers, ein Lächeln, dem sich seine Augen, finstere Röhren, die seltsam durchsichtig wirken und mit seinem dunkelgrauen Seidenanzug in Einklang stehen, nur widerwillig anschließen.
    Â»Es freut mich, Sie endlich kennenzulernen«, sagt er.

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