Der dritte Berg
endlich das Misslingen meiner Mission.
Zeit daher, eiserne Reserven zu mobilisieren.
»Sie produzieren dann also Soma«, stelle ich so trocken fest, dass ich dabei den Sand auf der Zunge schmecken kann.
Worauf Mukherjee, der nun ebenfalls sein Glas zum Mund geführt hat, es nur unter Aufbietung seiner lange geübten Selbstbeherrschung fertigbringt, sich nicht zu verschlucken. Unmerklich zitternd stellt er sein Tonic ab, wirft einen Blick in seinen Garten und sagt fast beiläufig: »Soma? Ich bin überrascht. Ich kann Ihnen aber, ich glaube, das verstehen Sie doch, Dr. Rai, nicht alle Ergebnisse der Zusammenarbeit zwischen Professor Fust und Aroga mitteilen. Doch seien Sie versichert, bei Soma handelt es sich bloà um ein weiteres Medikament, das wir zu erzeugen gedenken. Von dem traditionellen Namen versprechen wir uns erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit. Und ich bitte Sie, woher immer Sie diese Information haben mögen, um absolute Verschwiegenheit.«
Schon zum zweiten Mal bittet er mich um Verschwiegenheit. Es ist gewöhnlich nicht gut, wenn Leute das tun.
»Ich wette, Soma ist nicht bloà irgendein bescheuerter Name«, sage ich. »Ich will die Wahrheit, Mukherjee.«
Das war ein Fehler. Denn jetzt habe ich mich nicht nur im Ton vergriffen. Ich habe Mukherjee verärgert.
Und ja, G.C . Mukherjee wird es eindeutig zu bunt. Er beschlieÃt, das Gespräch zu beenden. Erst zögert er ein paar Sekunden, dann erhebt er sich. Inmitten dieser Bewegung lässt er sich aber noch zu einer finalen Bemerkung hinreiÃen. »Die Natur, Mr. Rai, ist das gewaltigste Labor. Und noch vor kurzer Zeit hätte ich über einen solchen Satz wohl gelächelt.«
Ein Mann wie Mukherjee lacht nicht, er lächelt über Sätze. Den Doktortitel hat man mir aberkannt. Mukherjee steht jetzt und erwartet von mir, es ihm gleichzutun.
»Ich bedaure, Mr. Rai«, sagt Mukherjee, »dass wir diese Unterhaltung nicht fortführen können, ich habe Termine wahrzunehmen. Professor Fust werde ich in Ihrem Namen GrüÃe bestellen.«
Mukherjee macht Anstalten, wieder hinein in sein Arbeitszimmer zu gehen und mich hier sitzenzulassen. Meine Halsschlagadern schwellen an und jede Menge Blut rauscht hinauf in mein Gehirn. Mukherjee muss den Höllenlärm in meinen Adern hören.
»Meinen Sie, Mukherjee«, presse ich hervor und stehe dabei auf, »Sie können mich einfach so wegschieben? Ich bin kein verdammter Blumentopf.« Ich folge ihm ein paar Schritte in Richtung Glastür.
Mukherjee aber, eingehüllt in den Panzer seiner Würde, ignoriert mich und dreht sich nicht einmal mehr um. Er verschwindet in seinem Arbeitszimmer, ohne die Terrassentür zu schlieÃen. Aus dem angrenzenden Salon kommend erscheint nun rasch sein Hausdiener. Er ist in eine graue Uniform gekleidet, die ihn so unsichtbar wie möglich machen soll. Mit Nachdruck besteht er darauf, mich zum Tor zu begleiten. Ich platze vor Wut. Und am meisten erzürnt mich der irreführende Eindruck der Rechtschaffenheit, dem ich hier beinahe erlegen wäre.
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Im Allgemeinen vermeide ich es, mehr als einmal am Tag in Häuser einzudringen. Als ich drauÃen anlange und mich nach rechts in Richtung meines wartenden Taxis wende, bemerke ich jedoch, wie der Diener am offenen Eingangstor stehen bleibt und mit einem Jungen spricht.
»Diese Babus«, sagt der Diener zu dem Jungen, und es macht ihm nichts aus, dass ihn jeder auf der StraÃe hören kann, »töten mir noch den letzten Nerv. Verfrachtet sie alle nach Hause in ihr Drecksloch von Kalkutta. Schon wieder will er weg, schon wieder Tor auf und Tor zu. Nimmt kein Ende.« Er meint Mukherjee, der aus Kalkutta stammt.
»Ja«, sagt der Junge, »nach Kalkutta, dem stinkigen.«
»Und jetzt ab zum Mittagessen«, sagt der Diener. »MÄ wartet schon.«
Bevor mir noch irgendein Zweifel den ungenauen Plan zersetzen kann, klettere ich, nachdem ich der Rundung der Mauer ein Stück gefolgt und dem Blick des Dieners und des Jungen entschwunden bin, erneut auf die Mauerkrone und lande sogleich wieder auf dem Rasen Mukherjees. Ich presse mich gegen einen Palmstamm. Eine Schwierigkeit stellen die Kameras dar, die sich an allen Ecken des Hauses befinden mögen. Eine davon habe ich zuvor bemerkt. In etwa zwanzig Metern Entfernung entdecke ich eine Hütte für Gartengeräte, versteckt hinter Büschen, als eine
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