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Der dritte Mond

Der dritte Mond

Titel: Der dritte Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich zu dem jungen Burschen herumzudrehen, winkte sie Gurk heran. Sie konnte hören, wie der Zwerg einen Moment lang zögerte, dann aber mit schnellen Schritten herankam und an ihr vorüberging. Und dann tat er natürlich genau das, was Charity befürchtet hatte: Sie hatte gehofft, daß es nicht passieren würde, doch Gurk war eben Gurk: Stolz erhobenen Hauptes ging er an dem jungen Soldaten vorbei. Aber dann blieb er plötzlich stehen, drehte sich noch einmal zu ihm herum, streckte dem vollkommen fassungslosen Mann die Zunge heraus und drehte ihm eine lange Nase. Er hat sich wirklich nicht verändert, dachte Charity resignierend. Nicht im geringsten. Der Tumult, der durch Gurks plötzliches Auftauchen in der Ratsversammlung ausgelöst wurde, war nicht so schlimm, wie Charity erwartet hatte. Im Grunde blieb er sogar beinahe aus. Die Versammlung – die sich im Laufe der nächsten anderthalb Stunden mehr und mehr als eine Krisensitzung entpuppte – war bereits im vollen Gange, als Charity den Konferenzraum betrat. Sie kam trotz allem fast eine halbe Stunde zu spät, was ihr persönlich vollkommen egal war, Skudder aber zu einer Kombination aus einem Kopfschütteln und einem mißbilligenden Stirnrunzeln veranlaßte. Gurks Erscheinen beendete die hitzige Diskussion, die bei Charitys Eintreten im Gange war, von einem Moment auf den anderen. Für zwei oder drei Sekunden breitete sich ein fast lähmendes Schweigen in dem halb abgedunkelten Raum aus, dann sprang eines der Ratsmitglieder mit einer so heftigen Bewegung auf, daß sein Stuhl umfiel. Charity stellte ohne sonderlich große Überraschung fest, daß es sich um Gouverneur Drasko handelte. »Was… was soll das?« keuchte er. Seine Hand wies anklagend auf Gurk. »Was tut dieses… Alien hier?« Charity seufzte. »Man sollte Fremdworte nie benutzen, wenn man ihre genaue Bedeutung nicht kennt«, murmelte sie, wohlweislich aber so leise, daß außer Gurk vermutlich niemand die Worte verstand. Lauter, und mit einer entsprechenden Geste auf den Außerirdischen, fuhr sie fort: »Gouverneur Drasko, das ist Haraach Ibn Al Gurk Ben Amar Ibn Lot Fuddel der Vierte. Ein guter alter Freund.« »Der Fünfte«, korrigierte sie Gurk. »Der Fünfte?« »Der Fünfte.« Drasko ächzte. »Das… das ist ein Scherz.« »Das vermute ich auch, seit ich ihn kenne«, bestätigte Charity, »aber er hat sich diesen Namen nun einmal zugelegt, und –« »Ich meine nicht den Namen, Captain Laird«, unterbrach Drasko sie betont. »Ich meine Ihre Behauptung, daß dieser… diese Kreatur Ihr Freund ist.« Charity zählte in Gedanken langsam bis drei, ehe sie antwortete. Sie hatte nicht erwartet, mit offenen Armen aufgenommen zu werden, wenn sie zusammen mit Gurk hier auftauchte, aber diese Reaktion überraschte sie nun doch. »Gouverneur, Gurk ist ein alter Freund«, sagte sie. »Er hat mir mehr als einmal das Leben gerettet, und dasselbe gilt für Skudder, General Hartmann und noch ein paar andere in diesem Raum. Ohne Gurk hätten wir den Kampf gegen die Moroni vielleicht nicht gewonnen. Ich verbürge mich für ihn!« »Und was tut er hier?« fragte Drasko. »Warum fragen Sie ihn nicht selbst?« antwortete Charity ärgerlich, hob aber gleichzeitig die Hand und schnitt Drasko das Wort ab, als dieser etwas erwidern wollte. »Dürfte ich vorher fragen, welchen Zweck diese… Zusammenkunft hat?« »Nennen wir es eine Bestandsaufnahme«, sagte Hartmann rasch. Er bedachte Drasko mit einem raschen, eindeutig ermahnenden Blick, dann deutete er einladend auf zwei leere Stühle zu seiner Linken. Während Charity und Gurk sich in Bewegung setzten, registrierte sie zum erstenmal, daß der Rat nicht vollzählig war. Außer Seybald, der bei dem Angriff auf Skytown ums Leben gekommen war, fehlten noch mindestens vier oder fünf weitere Mitglieder der Ratsversammlung. Charity sagte nichts dazu, hoffte aber inständig, daß die übrigen Ratsmitglieder nur aus irgendwelchen Gründen verhindert und nicht bei dem Angriff auf die Basis ums Leben gekommen waren. Drasko richtete mit wütenden Bewegungen seinen Stuhl wieder auf und ließ sich darauffallen. Er bemühte sich, Charity und vor allem Gurk mit Blicken zu durchbohren, sagte aber zu ihrer Erleichterung nichts mehr. »Also«, begann Charity. »Leider fehlen mir ein paar Stunden. Wie ist die Lage?« »Sie haben nicht noch einmal angegriffen, falls du das meinst«, antwortete Hartmann. »Aber das ist auch schon alles, wenn du nach

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