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Der dritte Mond

Der dritte Mond

Titel: Der dritte Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den Zwerg hatte sperren lassen, war in Wirklichkeit ein Apartment, das um einiges größer und luxuriöser ausgestattet war als das, das Charity selbst und Skudder bewohnten. »Natürlich haben sie mich nicht gut behandelt!« giftete Gurk. »Aber was beschwere ich mich überhaupt? Ich bin ja selbst daran schuld! Schließlich habe ich gewußt, was für ein undankbares Pack ihr seid! Niemand hat mich gezwungen, zurück zu kommen!« »Aber du hast es getan«, erwiderte Charity. Sie schaute auf die Uhr. Die Versammlung, von der Skudder gesprochen hatte, begann in zehn Minuten. Sie würde ohnehin zu spät kommen, doch irgend etwas sagte ihr, daß es besser war, den Bogen nicht zu überspannen. »Ich habe nicht viel Zeit, Gurk«, sagte sie. »Aber wahrscheinlich eine Million Fragen«, vermutete der Zwerg. »Zwei«, verbesserte ihn Charity. »Wenn nicht mehr. Aber die müssen warten. Im Moment interessiert mich nur eins: Hast du sie hierher gebracht?« Gurk blinzelte. Seine Verblüffung war echt. »Wie?« krächzte er. »Ich meine es ernst, Gurk«, sagte Charity. »Diese Fremden, wer immer sie auch sind – hast du sie hierher gebracht?« »Bist du verrückt?« fragte Gurk. »Keineswegs«, antwortete Charity. »Aber ich habe Augen im Kopf. Und ich kann zwei und zwei zusammenzählen, weißt du. Dieser zweite Überfall galt dir. Einzig und allein.« Gurk lachte. Es wirkte nicht echt. »Du schmeichelst mir, Cherryschätzchen«, sagte er. »Sie haben mindestens zwanzig Schiffe verloren… ich bin vielleicht wichtig, aber so wichtig nun auch wieder nicht.«  »Sie hatten es auf dich abgesehen«, beharrte Charity.  »Auch auf mich, das stimmt«, sagte Gurk. »Ich sagte dir doch, sie sind ein ziemlich nachtragender Haufen. Hätte ich gewußt, daß sie so kleinlich sind, hätte ich ihr Schiff wahrscheinlich nicht geklaut. Mein Fehler – tut mir aufrichtig leid.« »Glaubst du, das wäre jetzt der richtige Moment für dumme Witze?«  fragte Charity mit aufkeimendem Unmut. »Ich mache keine Scherze.« Gurk wurde plötzlich sehr ernst. »Ja, du hast recht. Dieser zweite Angriff galt mir. Sie wollten wohl verhindern, daß ich euch in die Hände falle. Ich nehme an, sie hatten Angst, daß ich euch zu viel erzähle. Dabei weiß ich gar nicht soviel. Aber ich schätze, sie glauben, daß ich eine Menge weiß.« »Auf jeden Fall weißt du eine Menge mehr als wir«, sagte Charity. »Wer sind sie?« »Ich dachte, du hättest keine Zeit«, sagte Gurk. »Es ist eine ziemlich lange Geschichte.« »Das dachte ich mir schon«, erwiderte Charity. »Deshalb wirst du sie auch nicht hier erzählen. Komm mit.« Sie stand auf, ging zur Tür und klopfte mit den Fingerknöcheln dagegen. Genau einmal, dann wurde die Tür regelrecht aufgerissen, noch bevor Charity die Hand vollends zurückgezogen hatte. »Alles in Ordnung?« fragte der junge Soldat, während er versuchte, an Charity vorbei einen Blick auf Gurk zu werfen. Charity lächelte fast gegen ihren Willen. Der Bursche war kaum mehr als ein Kind, der eigentlich nicht in eine Uniform gehörte, geschweige denn in den Besitz einer Waffe. Aber er nahm seine Aufgabe offensichtlich sehr ernst. »Alles in Ordnung?« fragte er noch einmal. »Ja«, antwortete Charity. »Vielen Dank. Sie haben gute Arbeit geleistet. Ab jetzt übernehme ich den Gefangenen.« Der Soldat blinzelte. »Wie bitte?« »Ich nehme ihn mit«, sagte Charity. »Seine Anwesenheit ist bei der Ratsversammlung erforderlich.« »Ich glaube nicht, daß das… geht«, antwortete der Posten zögernd. »Mister Hartmann –«  »General Hartmann«, unterbrach ihn Charity betont und eine Spur schärfer, allerdings immer noch freundlich, »ist für den Gefangenen ab sofort nicht mehr zuständig. Ich übernehme die volle Verantwortung. Sie können den General gerne anrufen, wenn Sie es wünschen.« Ihr Gegenüber wurde mit jeder Sekunde nervöser. Charity spielte ein gefährliches Spiel. Strenggenommen war Hartmann ihr militärischer Vorgesetzter, ebenso wie Drasko, Harris und andere… so ziemlich jedes Mitglied des Rates. Sie konnte hier niemandem etwas befehlen. Aber sie war immer noch Charity Laird, und allein das Gewicht ihres Rufes, der ihr vorauseilte, brachte auch in diesem Fall wieder die Entscheidung. Manchmal, dachte sie mit leiser Ironie, hat es eben seine Vorteile, eine lebende Legende zu sein. »Ich muß… das melden«, sagte der Soldat zögernd, und Charity wußte, daß sie gewonnen hatte. Ohne

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