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Der dritte Mond

Der dritte Mond

Titel: Der dritte Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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würden. Und sie wußten immer noch nicht, mit wem sie es eigentlich zu tun hatten. Das Bild auf dem Wandschirm flackerte. »Es funktioniert!« rief einer der Techniker. »Wir haben Verbindung! Hubble reagiert!« »Beeindruckend«, sagte Skudder spöttisch. »Was ist das? Der Mittelpunkt des Universums?« Der Techniker bedachte ihn mit einem bösen Blick, doch Charity konnte nur noch mit Mühe ein Grinsen unterdrücken. Sie verstand Skudders Spott. Das Schneegestöber auf dem Bildschirm hatte sich nicht sichtbar verändert. »Das Teleskop reagiert«, beharrte der Techniker. Seine Stimme klang ein bißchen beleidigt. »Die Bildübertragung steht noch nicht, aber das ist im Moment auch nicht so wichtig. Es wird eine Zeitlang dauern, bis wir Hubble auf den Mars ausgerichtet haben.« »Was genau heißt eine Zeitlang?« erkundigte sich Skudder. »Ein paar Stunden«, antwortete der Techniker. »Fünf, 80 vielleicht sechs.« Skudder seufzte, und Charity fragte rasch: »Und die Bildübertragung?« »Kriegen wir bis dann hin«, versicherte der Techniker. »Kein Problem.« Charity hätte sich gewünscht, auch nur einen Bruchteil des Optimismus zu haben, den sie in der Stimme des jungen Mannes hörte. Gleichzeitig fragte sie sich, warum, zum Teufel, sie eigentlich hier war. Hartmann hatte sie hierher bestellt, um ihr etwas Wichtiges mitzuteilen – irgend etwas, das er nicht über Intercom besprechen wollte. Doch wohl hoffentlich nicht, daß sie in fünf oder sechs Stunden eine wunderschöne Panoramaaufnahme des Mars betrachten konnten? »Dann kommen wir in vier Stunden wieder«, sagte Hartmann. »Charity?« Sie verabschiedete sich mit einem Kopfnicken von dem Techniker und drehte sich ganz zu Hartmann und Skudder um. Sie hatte damit gerechnet, daß Hartmann zurück zum Aufzug gehen würde, doch statt dessen durchquerte er mit schnellen Schritten den Raum und öffnete eine schmale Tür in einer der Seitenwände. Charity hatte sie bisher nicht einmal bemerkt. Dem Geräusch nach zu schließen, das die Angeln verursachten, hatte in den letzten zehn Jahren niemand diese Tür bemerkt. Neugierig und ein wenig verwirrt folgte sie Hartmann durch einen kurzen, unbeleuchteten Gang, in dem die Luft so trocken war, daß sie zum Husten reizte, bis zu einer weiteren Tür. Hartmann kramte umständlich einen weiteren Schlüssel aus der Tasche und mühte sich fast eine Minute mit dem Schloß ab, ehe es ihm endlich gelang, die Tür zu öffnen. Das Licht in dem darunterliegenden Raum ging nicht automatisch an, als er hindurchtrat, so daß er einige Sekunden blind im Dunkeln an der Wand herumtastete, ehe er den Schalter fand. Was Charity im Licht der altmodischen Glühbirne sah, erstaunte sie nun wirklich. Vor ihnen lag etwas, das augenscheinlich einmal eine Art Büro hatte werden sollen, aber niemals fertiggestellt worden war. Zwei der vier Wände waren fertig verputzt und bereits gestrichen, die beiden anderen aber bestanden aus nacktem Beton. Überall lagen Werkzeuge und Baumaterialien herum, standen Eimer mit Farbe, die vor zehn Jahren eingetrocknet war, lagen Rollen mit Kunststoffolien, und der Schreibtisch und die Stühle waren von einer zentimeterdicken Staubschicht bedeckt. »Was ist das?« fragte Charity. »Ein konspirativer Treffpunkt?« Hartmann blieb ernst. »Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Das hier sollte einmal mein Büro werden – als ich noch ein kleiner General war und mich nicht mit den versammelten Idioten eines ganzen Kontinents herumschlagen mußte. Das Projekt wurde aufgegeben. Kaum jemand weiß, daß es diesen Raum überhaupt gibt. Aus diesem Grund bin ich auch ziemlich sicher, daß wir hier nicht abgehört werden.« Charity schaute Hartmann aufmerksam an. War die Schärfe seiner Worte schon ungewöhnlich genug, so alarmierte sie noch sehr viel mehr das, was er gesagt hatte. »Abgehört?« »Ich kann es nicht beweisen, aber ich vermute es«, erwiderte Hartmann. »Eigentlich bin ich sogar sicher.« »Wieso?« fragte Skudder. »Weil ich das hier in meiner Stereoanlage gefunden habe.« Hartmann griff in die Hosentasche und zog etwas hervor, das Charity im ersten Moment für eine Münze oder eine antiquierte Knopfzelle gehalten hätte. Doch der Gegenstand besaß eine winzige Antenne, die wie ein Stachel aus seiner Mitte ragte. »Eine… Wanze?« murmelte sie. »Ja«, bestätigte Hartmann. »Und sie wurde eindeutig nicht auf der Erde hergestellt.« Sekundenlang sagte keiner von ihnen

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