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Der dritte Mond

Der dritte Mond

Titel: Der dritte Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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es dir viel ausmachen, einem schon leicht senilen alten Mann zu erklären, wovon du überhaupt sprichst?« Charity ließ den roten Sand aus der linken Hand in die geöffnete rechte rieseln. »Vom Mars, Hartmann, vom Mars«, sagte sie. Die Gefechtszentrale der Basis lag neun Stockwerke unter der Erde und gehörte zu den wenigen Einrichtungen, die den Angriff der Fremden vollkommen unbeschadet überstanden hatten. Wenigstens auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick sah die Sache leider etwas anders aus. Charity beobachtete mit wachsender Ungeduld die beiden Techniker, die sich an dem halb auseinandergebauten Schaltpult vor ihr zu schaffen machten, seit mittlerweile einer guten halben Stunde, und das Ergebnis ihrer Bemühungen ließ sich sehen. Auf dem riesigen Monitor an der gegenüberliegenden Wand war zu Anfang nichts als Schneegestöber und weißes Rauschen zu sehen gewesen; mittlerweile irrlichterten diagonale und vertikale Streifen darüber, und manchmal pulsierte das ganze Bild in einer Frequenz, die einem Kopfschmerzen bereitete, wenn man länger als einige Sekunden hinschaute. Ein-, zweimal hatte Charity auch so etwas wie ein Bild gesehen, das in dem weißen Durcheinander Gestalt hatte annehmen wollen. Aber nur beinahe. Als hätte er Charitys Gedanken gelesen (wahrscheinlich war es nicht sehr schwer, sie zu erraten) hob einer der Techniker den Kopf, zuckte mit den Schultern und blickte sie schuldbewußt an. Charity antwortete mit einem flüchtigen Lächeln. Der Mann konnte nichts dafür. Der Fehler lag nicht an den Geräten hier. Nach der Zerstörung Skytowns war praktisch ihr gesamtes außerterrestrisches Kommunikationsnetz zusammengebrochen. Die Orbitalstadt war viel mehr gewesen als nur eine fliegende Aussichtsplattform. Unendlich viel mehr. Charity hörte das Geräusch der Tür und erkannte am Rhythmus der Schritte, daß es Skudder und eine zweite Person waren; wahrscheinlich Hartmann. Sie drehte sich nicht um. »Wie sieht es aus?« Es war Hartmanns Stimme. Charity zuckte mit den Schultern. Bevor sie antworten konnte, sagte einer der Techniker: »Wir kriegen es hin. Wir brauchen nur noch etwas Zeit.« »Haben Sie das nicht vor einer Stunde schon einmal gesagt?« knurrte Hartmann. Der Mann hielt für einen Moment in seinem Tun inne, drehte sich ganz herum und schaute Hartmann mit einer Mischung aus Trotz und schlechtem Gewissen an.»Es ist nicht so einfach«, antwortete er. »Die meisten Antennen und Sendeanlagen sind zerstört. Wir versuchen eine Art elektronischen Bypaß zu schalten. Möglicherweise gelingt es uns, das Teleskop über eine der Sendeanlagen in Asien zu erreichen.« »Möglicherweise?« »Möglicherweise.« Charity warf Hartmann einen warnenden Blick zu, und obwohl er nicht einmal in ihre Richtung schaute, schien er diesen Blick zu spüren, denn sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich zwar noch weiter, aber er sagte nichts mehr, sondern beließ es bei einem Achselzucken. »Falls es überhaupt noch funktioniert«, sagte Skudder. »Das Ding ist seit neunzig Jahren nicht mehr bewegt worden.« »Es funktioniert«, behauptete Charity. »Das muß es, weil deine Leute es gebaut haben, wie?« Skudder grinste breit, machte aber im gleichen Moment auch eine besänftigende Geste. Charity fragte sich, ob Skudder sie so gut kannte wie sonst niemand. Andererseits waren sie alle mit ihrer Geduld am Ende. Seit dem Angriff der Stingrays waren annähernd zwei Wochen vergangen, und nichts, aber auch gar nichts hatte in diesen beiden Wochen auch nur annähernd so funktioniert, wie sie es sich vorgestellt hatten. Die Reparaturarbeiten an der Basis gingen weit weniger zügig vonstatten, als geplant gewesen war – was einerseits daran lag, daß sich die Schäden als weit schwerwiegender erwiesen hatten, als es im ersten Moment den Anschein gehabt hatte, zum anderen, daß einfach nicht genug Ersatzteile zur Verfügung standen. Sie hatten erst nach ein paar Tagen wirklich begriffen, wie verheerend der Überfall gewesen war. Im Chaos der Angriffs selbst war es nicht zu bemerken gewesen, aber mittlerweile wußten sie, daß die Fremden mit unglaublicher Präzision angegriffen hatten. Sie hatten nicht nur schreckliche Prügel bezogen, sondern waren praktisch taub und blind. Und das würden sie noch für lange, lange Zeit bleiben. Niemand hatte es bisher laut ausgesprochen, aber nicht nur Charity war klar, daß sie einen weiteren Angriff wie den letzten wahrscheinlich nicht mehr durchstehen

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