Der dritte Schimpanse
lernen können.
Die Lebensweise der Jäger und Sammler war die erfolgreichste und dauerhafteste in der Geschichte unserer Spezies. Seit wir sie aufgaben, ringen wir mit den Problemen, die wir uns mit der Landwirtschaft einbrockten und deren Lösung noch in den Sternen steht. Nehmen wir einmal an, ein archäologischer Besucher aus dem All wollte seinen Kollegen daheim einen Vortrag über die Geschichte der Menschheit halten. Vielleicht würde er zur Illustration eine 24-Stunden-Uhr nehmen, auf der jede Stunde 100 000 Jahre Vergangenheit darstellt. Hätte die Geschichte der menschlichen Rasse um Mitternacht begonnen, stünden wir jetzt fast am Ende des ersten Tages, von dem wir die meiste Zeit als Jäger und Sammler verbrachten – von frühmorgens bis spät in die Nacht. Erst um 23.54 Uhr begannen wir mit der Landwirtschaft . Rückblickend war die Entscheidung unvermeidlich, die Frage einer Umkehr stellt sich nicht. Aber wird jetzt, wo der Zeiger zum zweiten Mal auf Mitternacht geht, das Elend der verarmten Bauernmassen Afrikas bald unser aller Schicksal sein? Oder wird es uns gelingen, den verführerischen Segen, den wir hinter der glitzernden Fassade der Landwirtschaft erahnen und der uns bisher mehr oder weniger versagt blieb, endlich zu genießen?
Kapitel 11
Warum wir rauchen, trinken und giftige Substanzen einnehmen
Tschernobyl, Formaldehyd, Asbest, Bleivergiftung, Smog, Exxon Valdez, Olkatastrophen, Agent Orange … Kaum ein Monat vergeht, in dem wir nicht von einer neuen giftigen Gefahr für uns und unsere Kinder erfahren. Die Empörung der Öffentlichkeit, das Gefühl der Hilflosigkeit und die Forderung nach Abhilfe schaffen sich zunehmend Gehör. Warum tun wir uns aber selbst genau das an, was wir anderen heftig verwehren ? Wie ist das Paradoxon zu erklären, daß viele Menschen willentlich giftige Substanzen wie Alkohol, Kokain und Tabakrauch konsumieren, injizieren oder inhalieren ? Warum gehört die bewußte Selbstzerstörung in ihren verschiedenen Formen in vielen Kulturen der Gegenwart, von primitiven Stämmen bis zu urbanen High-Tech-Gesellschaften, zum Alltag ? Die Wurzeln solchen Verhaltens reichen jedenfalls so weit in die Vergangenheit zurück, wie wir schriftliche Aufzeichnungen besitzen. Der Mißbrauch giftiger Substanzen ist ebenso wie das, was in den drei letzten Kapiteln behandelt wurde, eine praktisch einzigartige Besonderheit unserer Spezies. Das Problem liegt nicht so sehr darin zu verstehen, warum wir weiter giftige Substanzen einnehmen, nachdem wir einmal damit begonnen haben. Denn zum Teil handelt es sich ja um Suchtdrogen. Das größere Rätsel ist vielmehr, was uns eigentlich dazu treibt, damit anzufangen. Die gesundheitsschädigenden oder sogar tödlichen Folgen des Alkohol-, Kokain- und Tabakgenusses sind ja inzwischen hinlänglich bekannt. Nur ein starkes Gegenmotiv könnte erklären, warum diese Gifte freiwillig und eifrig konsumiert werden. Es ist, als veranlaßten uns unbewußt abgespulte Programme zu Handlungen, deren Gefährlichkeit uns wohlbewußt ist. Was für Programme könnten das sein?
Natürlich gibt es nicht nur eine Erklärung : Die Motive sind je nach Individuum und Gesellschaft unterschiedlich gewichtet.
Manche trinken, um Hemmungen zu überwinden, andere, um Gefühle zu unterdrücken oder Sorgen zu ertränken, wieder andere, weil sie alkoholische Getränke einfach mögen. Natürlich liefern auch die Unterschiede in den Möglichkeiten, die einzelne Populationen und soziale Schichten bei der Verwirklichung von Lebenszielen haben, einen großen Teil der Erklärung für die beobachteten geographischen und sozioökonomischen Unterschiede. Es wundert niemanden, daß Alkoholismus in Irland dort, wo die Arbeitslosigkeit am schlimmsten ist, ein größeres Problem darstellt als im dynamischen Südosten von England und daß es im heruntergekommenen New Yorker Stadtteil Harlem mehr Kokain- und Heroinabhängige gibt als in den wohlhabenden Vororten. Man ist deshalb versucht, Drogenmißbrauch als menschliche Besonderheit mit offensichtlichen sozialen und kulturellen Ursachen abzutun, für die sich die Suche nach Parallelen im Tierreich erübrigt.
Keines der aufgeführten Motive geht jedoch dem Paradoxon, daß wir Substanzen einnehmen, um deren Gefährlichkeit wir wissen, auf den Grund. In diesem Kapitel werde ich daher ein weiteres Motiv vorschlagen, das einen Beitrag zu seiner Erklärung leisten kann. Es stellt
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