Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
Vom Netzwerk:
unsere Giftanschläge auf uns selbst in den umfassende­ren Kontext scheinbar selbstzerstörerischer Verhaltens­weisen von Tieren und einer allgemeinen Theorie des tierischen Signalverhaltens. Es bezieht sich auf ein brei­tes Spektrum von Phänomenen unserer Kultur, von Rau­chen und Alkoholmißbrauch bis hin zur Drogensucht, und besitzt potentiell kulturübergreifende Gültigkeit, da es nicht nur Phänomene der westlichen Welt zu er­klären vermag, sondern auch manch rätselhafte Sitte in ganz anderen Kulturkreisen, zum Beispiel die des Kero­sintrinkens indonesischer Kung-Fu-Kämpfer. Ich werde auch in die Vergangenheit zurückgehen und die Theorie auf die scheinbar bizarre Praxis des zeremoniellen Ein­laufs bei den alten Mayas anwenden.
    Lassen Sie mich zuerst erläutern, wie ich auf diese Idee kam. Eines Tages verblüffte mich ganz plötzlich, daß Hersteller giftiger, für den menschlichen Konsum be­stimmter Substanzen für ihre Produkte auch noch aus­drücklich werben. Man könnte meinen, das sei der si­chere Weg in den Bankrott. Doch während Reklame für Kokain verboten ist, sind Anzeigen für Tabak und Al­kohol so weit verbreitet, daß wir uns über sie nicht mehr wundern. Erst nachdem ich etliche Monate mit neu­guineischen Jägern im Dschungel verbracht hatte, weit weg von jeder Werbung, kam mir das merkwürdig vor.
    Meine neuguineischen Freunde hatten mich jeden Tag mit Fragen nach westlichen Sitten gelöchert, und durch ihre erstaunten Reaktionen hatte ich erkannt, wie unsinnig viele sind. Dann endete die monatelange Feld­forschung mit einem jener abrupten Übergänge, wie sie moderne Verkehrsmittel ermöglichen. Am 25. Juni hat­te ich noch im Dschungel einen bunten Paradiesvogel beobachtet, wie er mit seinem Schwanz von fast einem Meter Länge im Schlepp über eine Lichtung flatterte, und am 26. Juni saß ich bereits in einer Boeing 747 und erfuhr aus Zeitschriften die neuesten Wunder der west­lichen Zivilisation.
    Beim Blättern im ersten Heft fiel mein Blick auf das Photo eines zäh aussehenden Mannes auf einem Pferd, der offenbar damit beschäftigt war, Rinder zu treiben, und auf den Namen der Zigarettenmarke, der in großen Lettern darunter prangte. Der Amerikaner in mir ver­stand, worum es auf dem Photo ging, aber ein Teil von mir war noch im Dschungel und betrachtete das Photo mit naiven Augen. Vielleicht können Sie meine Reakti­on besser verstehen, wenn Sie sich einmal vorstellen, die westliche Zivilisation wäre Ihnen völlig fremd und Sie sähen die Reklame zum erstenmal. Versuchen Sie dann zu ergründen, welcher Zusammenhang wohl zwischen dem Rindertreiben und dem Zigarettenrauchen (oder Nichtrauchen) besteht.
    Der naive Teil von mir, dem Dschungel frisch entstiegen, dachte : Welch famose Anzeige gegen das Rau­chen ! Jeder weiß, daß Rauchen die sportliche Leistung mindert und zu Krebs und vorzeitigem Tod führt. Cow­boys haben ein sportliches Image und werden bewun­dert. Diese Reklame mußte also ein zugkräftiger neu­er Appell der Anti-Raucher-Bewegung sein, in etwa mit der Aussage, daß nicht Cowboy sein kann, wer Zigaret­ten dieser Marke raucht. Welch eine starke Botschaft an die Adresse der Jugend !
    Doch dann wurde mir klar, daß die Anzeige von der Zigarettenfirma selbst in Auftrag gegeben war, offenbar in der Hoffnung, die Leser würden ihr genau die umge­kehrte Botschaft entnehmen. Warum in aller Welt hat­te sich die Firma von ihrer PR-Abteilung so katastrophal in die Irre leiten lassen ? Sicher würde diese Anzeige je­den, der sich um seinen Körper und sein Selbstbild sorgt, davon abhalten, Raucher zu werden.
    In Gedanken noch immer halb im Dschungel, blätter­te ich weiter. Mein Blick fiel nun auf ein Bild mit einer Whiskyflasche, einem Mann, der an einem Glas mit ver­mutlich dem gleichen Inhalt wie dem der Flasche nipp­te, und einer offenkundig gebärfähigen jungen Dame, die den Mann bewundernd anhimmelte, als ob sie kurz vor der sexuellen Kapitulation stünde. »Wie kann das angehen ?« fragte ich mich. Jeder weiß doch, daß Al­kohol die Geschlechtsfunktion beeinträchtigt, Män­ner nicht selten impotent macht, Betrunkene taumeln läßt, die Urteilsfähigkeit vermindert und der Leberzir­rhose und anderen schweren Krankheiten Vorschub lei­stet. Der Pförtner in Shakespeares Macbeth beschrieb es mit unsterblichen Worten so: »Es [das Trinken] beför­dert das Verlangen und dämpft das Tun.« Ein Mann mit solchen Handikaps sollte alles daransetzen,

Weitere Kostenlose Bücher