Der dritte Schimpanse
unsere Giftanschläge auf uns selbst in den umfassenderen Kontext scheinbar selbstzerstörerischer Verhaltensweisen von Tieren und einer allgemeinen Theorie des tierischen Signalverhaltens. Es bezieht sich auf ein breites Spektrum von Phänomenen unserer Kultur, von Rauchen und Alkoholmißbrauch bis hin zur Drogensucht, und besitzt potentiell kulturübergreifende Gültigkeit, da es nicht nur Phänomene der westlichen Welt zu erklären vermag, sondern auch manch rätselhafte Sitte in ganz anderen Kulturkreisen, zum Beispiel die des Kerosintrinkens indonesischer Kung-Fu-Kämpfer. Ich werde auch in die Vergangenheit zurückgehen und die Theorie auf die scheinbar bizarre Praxis des zeremoniellen Einlaufs bei den alten Mayas anwenden.
Lassen Sie mich zuerst erläutern, wie ich auf diese Idee kam. Eines Tages verblüffte mich ganz plötzlich, daß Hersteller giftiger, für den menschlichen Konsum bestimmter Substanzen für ihre Produkte auch noch ausdrücklich werben. Man könnte meinen, das sei der sichere Weg in den Bankrott. Doch während Reklame für Kokain verboten ist, sind Anzeigen für Tabak und Alkohol so weit verbreitet, daß wir uns über sie nicht mehr wundern. Erst nachdem ich etliche Monate mit neuguineischen Jägern im Dschungel verbracht hatte, weit weg von jeder Werbung, kam mir das merkwürdig vor.
Meine neuguineischen Freunde hatten mich jeden Tag mit Fragen nach westlichen Sitten gelöchert, und durch ihre erstaunten Reaktionen hatte ich erkannt, wie unsinnig viele sind. Dann endete die monatelange Feldforschung mit einem jener abrupten Übergänge, wie sie moderne Verkehrsmittel ermöglichen. Am 25. Juni hatte ich noch im Dschungel einen bunten Paradiesvogel beobachtet, wie er mit seinem Schwanz von fast einem Meter Länge im Schlepp über eine Lichtung flatterte, und am 26. Juni saß ich bereits in einer Boeing 747 und erfuhr aus Zeitschriften die neuesten Wunder der westlichen Zivilisation.
Beim Blättern im ersten Heft fiel mein Blick auf das Photo eines zäh aussehenden Mannes auf einem Pferd, der offenbar damit beschäftigt war, Rinder zu treiben, und auf den Namen der Zigarettenmarke, der in großen Lettern darunter prangte. Der Amerikaner in mir verstand, worum es auf dem Photo ging, aber ein Teil von mir war noch im Dschungel und betrachtete das Photo mit naiven Augen. Vielleicht können Sie meine Reaktion besser verstehen, wenn Sie sich einmal vorstellen, die westliche Zivilisation wäre Ihnen völlig fremd und Sie sähen die Reklame zum erstenmal. Versuchen Sie dann zu ergründen, welcher Zusammenhang wohl zwischen dem Rindertreiben und dem Zigarettenrauchen (oder Nichtrauchen) besteht.
Der naive Teil von mir, dem Dschungel frisch entstiegen, dachte : Welch famose Anzeige gegen das Rauchen ! Jeder weiß, daß Rauchen die sportliche Leistung mindert und zu Krebs und vorzeitigem Tod führt. Cowboys haben ein sportliches Image und werden bewundert. Diese Reklame mußte also ein zugkräftiger neuer Appell der Anti-Raucher-Bewegung sein, in etwa mit der Aussage, daß nicht Cowboy sein kann, wer Zigaretten dieser Marke raucht. Welch eine starke Botschaft an die Adresse der Jugend !
Doch dann wurde mir klar, daß die Anzeige von der Zigarettenfirma selbst in Auftrag gegeben war, offenbar in der Hoffnung, die Leser würden ihr genau die umgekehrte Botschaft entnehmen. Warum in aller Welt hatte sich die Firma von ihrer PR-Abteilung so katastrophal in die Irre leiten lassen ? Sicher würde diese Anzeige jeden, der sich um seinen Körper und sein Selbstbild sorgt, davon abhalten, Raucher zu werden.
In Gedanken noch immer halb im Dschungel, blätterte ich weiter. Mein Blick fiel nun auf ein Bild mit einer Whiskyflasche, einem Mann, der an einem Glas mit vermutlich dem gleichen Inhalt wie dem der Flasche nippte, und einer offenkundig gebärfähigen jungen Dame, die den Mann bewundernd anhimmelte, als ob sie kurz vor der sexuellen Kapitulation stünde. »Wie kann das angehen ?« fragte ich mich. Jeder weiß doch, daß Alkohol die Geschlechtsfunktion beeinträchtigt, Männer nicht selten impotent macht, Betrunkene taumeln läßt, die Urteilsfähigkeit vermindert und der Leberzirrhose und anderen schweren Krankheiten Vorschub leistet. Der Pförtner in Shakespeares Macbeth beschrieb es mit unsterblichen Worten so: »Es [das Trinken] befördert das Verlangen und dämpft das Tun.« Ein Mann mit solchen Handikaps sollte alles daransetzen,
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