Der dritte Schimpanse
davon abhält, heute schönere Bauwerke als den Parthenon-Tempel zu errichten. Während der technische Fortschritt seit der landwirtschaftlichen Revolution zwar neue Kunstformen ermöglichte und die Erhaltung von Kunstwerken erleichterte, wurden groß-artige Gemälde und Skulpturen in kleinerem Maßstab als dem des Kölner Doms auch schon von Cro-Magnons, also Jägern und Sammlern, vor 15 000 Jahren angefertigt. Noch in der Neuzeit brachten Jäger- und Sammlervölker wie Eskimos und Indianer große Kunstwerke hervor. Wir sollten zudem bei der Aufzählung all der Spezialisten, deren Miternährung durch das Aufkommen der Landwirtschaft möglich wurde, nicht nur an Michelangelo und Shakespeare denken, sondern auch an die stehenden Heere von Berufskillern.
Mit dem Aufkommen der Landwirtschaft verbesserte sich also die Gesundheit einer kleinen Schicht, während das Los der meisten schlechter wurde. Ein Zyniker könnte, im Widerspruch zur unkritischen Mehrheitsmeinung, fragen, wie es kam, daß wir in die Falle der Landwirtschaft tappten, obwohl doch ihre Segnungen so fragwürdig sind.
Die kurze Antwort lautet, daß Macht eben Recht schafft. Von der Landwirtschaft konnten wesentlich mehr Menschen leben als von der Jagd, egal, ob dabei im Durchschnitt mehr Nahrung pro Kopf herauskam oder nicht. (Bei Jägern und Sammlern ist die Bevölkerungsdichte normalerweise niedriger als eine Person pro Quadratkilometer, bei Bauern aber mindestens zehnmal so hoch.) Das liegt teilweise daran, daß ein Hektar Ackerboden einen Ertrag von vielen Tonnen Nahrung hervorbringen und somit viel mehr Mäuler stopfen kann als ein Hektar Wald mit hier und da ein paar eßbaren Wildpflanzen. Zum Teil liegt es auch daran, daß Jäger- und Sammlernomaden darauf achten müssen, daß immer vier Jahre zwischen zwei Kindern liegen (sie bedienen sich als Mittel dazu unter anderem der Kindestötung), weil die Mutter das Kleinkind so lange mit sich herumtragen muß, bis es alt genug ist, um mit den Erwachsenen Schritt halten zu können.
Da sich dieses Problem seßhaften Bauern nicht stellt, können sie ruhig alle zwei Jahre ein Kind in die Welt setzen. Der Hauptgrund, warum es uns so schwerfällt, die herkömmliche, rundum positive Sicht der Landwirtschaft abzuschütteln, mag der sein, daß ja zweifellos hö-here Hektarerträge möglich wurden. Dabei wird leicht vergessen, daß auch mehr Mäuler gestopft werden muß-ten und Gesundheit und Lebensqualität gerade davon abhängen, wieviel Nahrung für jeden einzelnen da ist.
Als die Bevölkerungsdichte der Jäger und Sammler gegen Ende des Eiszeitalters langsam zunahm, muß-ten die einzelnen Sippen »wählen«, bewußt oder unbewußt, ob sie mehr Mäuler stopfen wollten, indem sie erste Schritte in Richtung Landwirtschaft unternahmen, oder aber das Wachstum irgendwie begrenzen. Unfähig, die Nachteile im Gefolge der Landwirtschaft vorauszuahnen, folgten manche der Versuchung des Nahrungsmittelüberflusses (er wurde allerdings schon bald durch das Bevölkerungswachstum wieder zunichte gemacht) und entschieden sich für die erste Lösung. Die Folge war, daß sie sich rascher vermehrten als jene, die sich für eine Fortsetzung des Nomadentums entschieden hatten, und diese vertrieben oder töteten – im Kampf sind zehn fehlernährte Bauern einem gesunden Jäger immer noch überlegen. Die Jäger und Sammler gaben ihre Lebensweise nicht etwa auf. Vielmehr wurden jene, die vernünftig genug waren, ihr treu zu bleiben, gewaltsam aus allen Gebieten bis auf jene vertrieben, an denen kein Bauer ein Interesse hatte. Heute leben Jäger und Sammler nur vereinzelt dort, wo eine landwirtschaftliche Nutzung nicht in Frage kommt, wie in der Arktis, in Wü-sten und Regenwäldern.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß so häufig geklagt wird, die Archäologie sei nichts als teurer Luxus und beschäftige sich mit der fernen Vergangenheit, ohne Lehren für die Gegenwart anzubieten. Nach einer Analyse des Aufstiegs der Landwirtschaft rekonstruierten Archäologen für uns eine Phase, in der wir eine der wichtigsten Entscheidungen der Menschheitsgeschichte trafen. Vor die Wahl gestellt, das Bevölkerungswachstum zu begrenzen oder mehr Nahrung zu erzeugen, entschieden wir für uns für letzteres und müssen seither mit Hunger, Kriegen und Tyrannei leben. Heute stehen wir wieder vor der gleichen Wahl, nur mit dem Unterschied, daß wir diesmal aus der Vergangenheit
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