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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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davon abhält, heute schönere Bau­werke als den Parthenon-Tempel zu errichten. Während der technische Fortschritt seit der landwirtschaftlichen Revolution zwar neue Kunstformen ermöglichte und die Erhaltung von Kunstwerken erleichterte, wurden groß-artige Gemälde und Skulpturen in kleinerem Maßstab als dem des Kölner Doms auch schon von Cro-Magnons, also Jägern und Sammlern, vor 15 000 Jahren angefer­tigt. Noch in der Neuzeit brachten Jäger- und Sammler­völker wie Eskimos und Indianer große Kunstwerke her­vor. Wir sollten zudem bei der Aufzählung all der Spezia­listen, deren Miternährung durch das Aufkommen der Landwirtschaft möglich wurde, nicht nur an Michelan­gelo und Shakespeare denken, sondern auch an die ste­henden Heere von Berufskillern.
    Mit dem Aufkommen der Landwirtschaft verbesser­te sich also die Gesundheit einer kleinen Schicht, wäh­rend das Los der meisten schlechter wurde. Ein Zyniker könnte, im Widerspruch zur unkritischen Mehrheits­meinung, fragen, wie es kam, daß wir in die Falle der Landwirtschaft tappten, obwohl doch ihre Segnungen so fragwürdig sind.
    Die kurze Antwort lautet, daß Macht eben Recht schafft. Von der Landwirtschaft konnten wesentlich mehr Menschen leben als von der Jagd, egal, ob dabei im Durchschnitt mehr Nahrung pro Kopf herauskam oder nicht. (Bei Jägern und Sammlern ist die Bevölkerungs­dichte normalerweise niedriger als eine Person pro Qua­dratkilometer, bei Bauern aber mindestens zehnmal so hoch.) Das liegt teilweise daran, daß ein Hektar Acker­boden einen Ertrag von vielen Tonnen Nahrung hervor­bringen und somit viel mehr Mäuler stopfen kann als ein Hektar Wald mit hier und da ein paar eßbaren Wild­pflanzen. Zum Teil liegt es auch daran, daß Jäger- und Sammlernomaden darauf achten müssen, daß immer vier Jahre zwischen zwei Kindern liegen (sie bedienen sich als Mittel dazu unter anderem der Kindestötung), weil die Mutter das Kleinkind so lange mit sich herum­tragen muß, bis es alt genug ist, um mit den Erwachse­nen Schritt halten zu können.
    Da sich dieses Problem seßhaften Bauern nicht stellt, können sie ruhig alle zwei Jahre ein Kind in die Welt setzen. Der Hauptgrund, warum es uns so schwerfällt, die herkömmliche, rundum positive Sicht der Landwirt­schaft abzuschütteln, mag der sein, daß ja zweifellos hö-here Hektarerträge möglich wurden. Dabei wird leicht vergessen, daß auch mehr Mäuler gestopft werden muß-ten und Gesundheit und Lebensqualität gerade davon abhängen, wieviel Nahrung für jeden einzelnen da ist.
    Als die Bevölkerungsdichte der Jäger und Sammler gegen Ende des Eiszeitalters langsam zunahm, muß-ten die einzelnen Sippen »wählen«, bewußt oder unbe­wußt, ob sie mehr Mäuler stopfen wollten, indem sie er­ste Schritte in Richtung Landwirtschaft unternahmen, oder aber das Wachstum irgendwie begrenzen. Unfähig, die Nachteile im Gefolge der Landwirtschaft vorauszu­ahnen, folgten manche der Versuchung des Nahrungs­mittelüberflusses (er wurde allerdings schon bald durch das Bevölkerungswachstum wieder zunichte gemacht) und entschieden sich für die erste Lösung. Die Folge war, daß sie sich rascher vermehrten als jene, die sich für eine Fortsetzung des Nomadentums entschieden hat­ten, und diese vertrieben oder töteten – im Kampf sind zehn fehlernährte Bauern einem gesunden Jäger immer noch überlegen. Die Jäger und Sammler gaben ihre Le­bensweise nicht etwa auf. Vielmehr wurden jene, die vernünftig genug waren, ihr treu zu bleiben, gewaltsam aus allen Gebieten bis auf jene vertrieben, an denen kein Bauer ein Interesse hatte. Heute leben Jäger und Samm­ler nur vereinzelt dort, wo eine landwirtschaftliche Nut­zung nicht in Frage kommt, wie in der Arktis, in Wü-sten und Regenwäldern.
    Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß so häu­fig geklagt wird, die Archäologie sei nichts als teurer Lu­xus und beschäftige sich mit der fernen Vergangenheit, ohne Lehren für die Gegenwart anzubieten. Nach einer Analyse des Aufstiegs der Landwirtschaft rekonstruier­ten Archäologen für uns eine Phase, in der wir eine der wichtigsten Entscheidungen der Menschheitsgeschichte trafen. Vor die Wahl gestellt, das Bevölkerungswachs­tum zu begrenzen oder mehr Nahrung zu erzeugen, ent­schieden wir für uns für letzteres und müssen seither mit Hunger, Kriegen und Tyrannei leben. Heute stehen wir wieder vor der gleichen Wahl, nur mit dem Unter­schied, daß wir diesmal aus der Vergangenheit

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