Der dritte Schimpanse
Art der Mogelei die Pforten, da es von jeder Gazelle nachgeahmt werden kann, ganz gleich, ob sie schnell ist oder langsam. Die Löwen würden also bald den vielen langsamen Gazellen, die das Gegenteil signalisieren, auf die Schliche kommen und das Signal künftig ignorieren. Es ist folglich in beider Interesse, der Löwen wie der flinken Gazellen, daß das Signal glaubhaft ist. Aber was für ein Signal könnte einen Löwen von der Ehrlichkeit einer Gazelle überzeugen?
Das gleiche Dilemma ist uns von der in früheren Kapiteln erörterten sexuellen Selektion und Partnerwahl bekannt. Dabei ging e» vor allem darum, daß ein Weibchen (bzw. eine Frau) ein Männchen (bzw. einen Mann) als Paarungspartner wählt, da ja Weibchen größere Opfer für die Fortpflanzung bringen, mehr zu verlieren haben und deshalb wählerischer sein müssen. Im Idealfall sollte ein Weibchen ein Männchen wegen seiner guten Gene wählen, die es ihrem Nachwuchs vererben würde. Da Gene selbst aber schwer zu beurteilen sind, muß das Weibchen nach Schnellindikatoren für gute männliche Gene suchen, und ein überlegenes Männchen sollte sie auch vorweisen können. In der Praxis dienen Merkmale wie Färbungen des Gefieders, Gesang und ritualisierte Darbietungen als verheißungsvolle männliche Indikatoren. Warum setzen Männchen ganz bestimmte Indikatoren als Mittel der Werbung ein ? Warum sollten Weibchen der Ehrlichkeit eines Männchens trauen, warum seine Indikatoren attraktiv finden ? Und warum sind diese ein Zeichen für gute Gene?
Ich habe das Problem jetzt so geschildert, als würde sich eine Gazelle oder ein auf Freiersfüßen wandelndes Männchen bewußt einen von vielen möglichen Indikatoren aussuchen und als würde ein Löwe oder ein Weibchen eine bewußte Entscheidung treffen, ob der Indikator wirklich Schnelligkeit oder gute Gene signalisiert. In Wirklichkeit haben wir es natürlich mit genetisch festgeschriebenen Ergebnissen der Evolution zu tun. Weibchen, die nach Indikatoren ihre Wahl treffen, die tatsächlich gute männliche Gene anzeigen, und Männchen, die unzweideutige Indikatoren guter Gene für die Partnerwerbung verwenden, hinterlassen in der Regel mehr Nachwuchs. Ebenso wie Gazellen und Löwen, die sich unnötige Verfolgungsjagden ersparen.
Viele der Werbungssignale von Tieren ähneln in ihrer Paradoxie letztendlich der Zigarettenwerbung. Sie weisen oft scheinbar nicht auf Schnelligkeit oder gute Gene hin, sondern stellen Handikaps, Kosten oder Gefahrenquellen dar. Zum Beispiel ist das Signal einer Gazelle an einen Löwen, dessen Herannahen sie wahrnimmt, ein seltsames Verhalten, bei dem sie, statt geschwind davonzurennen, ein kurzes Stück langsam läuft und dabei mehrere hohe Luftsprünge vollführt. Warum in aller Welt sollte eine Gazelle ein anscheinend selbstmörderisches Schauspiel wie dieses vorführen, mit dem sie Zeit und Energie verschwendet und den Löwen dichter herankommen läßt? Oder denken Sie an die Männchen vieler Tierarten, die große, die Bewegungsfreiheit einschränkende Körperteile zur Schau stellen, wie zum Beispiel Pfauen oder Paradiesvögel mit ihrem langen Gefieder. Bei vielen Arten locken die Männchen mit bunten Farben, lautem Gesang oder auffälligen Darbietungen auch Raubtiere an. Warum sollte ein Männchen sein Handikap stolz vorführen, und warum sollte ein Weibchen auch noch Gefallen daran finden? Die hierin liegende Paradoxic bleibt ein wichtiges ungeklärtes Problem der Tierverhaltensforschung.
Zahavis unter Biologen umstrittene Theorie zielt auf den Kern des Paradoxons. Seiner Theorie zufolge sind jene hinderlichen Körperteile und Verhaltensweisen gültige Indikatoren für die Ehrlichkeit des signalisierenden Tiers bei der Behauptung der eigenen Überlegenheit, und zwar gerade weil diese Merkmale Handikaps darstellen. Ein Signal ohne Kosten bietet sich zum Miß-brauch geradezu an, da es selbst von langsamen, unterlegenen Tieren ausgesandt werden kann. Nur kostspielige oder gefährliche Signale bürgen für Ehrlichkeit. So würde eine langsame Gazelle, die vor einem herannahenden Löwen Luftsprünge vollführte, statt rasch davonzurennen, ihr eigenes Todesurteil unterschreiben, während eine flinke Gazelle dem Löwen selbst dann noch entkommen könnte. Mit dem geschilderten Verhalten signalisiert sie ihm : »Ich bin so schnell, daß ich dir trotz des Vorsprungs, den ich dir hiermit gewähre, noch davonlaufen
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