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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Art der Mogelei die Pforten, da es von jeder Gazelle nach­geahmt werden kann, ganz gleich, ob sie schnell ist oder langsam. Die Löwen würden also bald den vielen lang­samen Gazellen, die das Gegenteil signalisieren, auf die Schliche kommen und das Signal künftig ignorieren. Es ist folglich in beider Interesse, der Löwen wie der flin­ken Gazellen, daß das Signal glaubhaft ist. Aber was für ein Signal könnte einen Löwen von der Ehrlichkeit einer Gazelle überzeugen?
    Das gleiche Dilemma ist uns von der in früheren Ka­piteln erörterten sexuellen Selektion und Partnerwahl bekannt. Dabei ging e» vor allem darum, daß ein Weib­chen (bzw. eine Frau) ein Männchen (bzw. einen Mann) als Paarungspartner wählt, da ja Weibchen größere Op­fer für die Fortpflanzung bringen, mehr zu verlieren ha­ben und deshalb wählerischer sein müssen. Im Idealfall sollte ein Weibchen ein Männchen wegen seiner guten Gene wählen, die es ihrem Nachwuchs vererben wür­de. Da Gene selbst aber schwer zu beurteilen sind, muß das Weibchen nach Schnellindikatoren für gute männli­che Gene suchen, und ein überlegenes Männchen sollte sie auch vorweisen können. In der Praxis dienen Merk­male wie Färbungen des Gefieders, Gesang und rituali­sierte Darbietungen als verheißungsvolle männliche In­dikatoren. Warum setzen Männchen ganz bestimmte Indikatoren als Mittel der Werbung ein ? Warum soll­ten Weibchen der Ehrlichkeit eines Männchens trauen, warum seine Indikatoren attraktiv finden ? Und warum sind diese ein Zeichen für gute Gene?
    Ich habe das Problem jetzt so geschildert, als würde sich eine Gazelle oder ein auf Freiersfüßen wandelndes Männchen bewußt einen von vielen möglichen Indikatoren aussuchen und als würde ein Löwe oder ein Weib­chen eine bewußte Entscheidung treffen, ob der Indika­tor wirklich Schnelligkeit oder gute Gene signalisiert. In Wirklichkeit haben wir es natürlich mit genetisch fest­geschriebenen Ergebnissen der Evolution zu tun. Weib­chen, die nach Indikatoren ihre Wahl treffen, die tat­sächlich gute männliche Gene anzeigen, und Männchen, die unzweideutige Indikatoren guter Gene für die Part­nerwerbung verwenden, hinterlassen in der Regel mehr Nachwuchs. Ebenso wie Gazellen und Löwen, die sich unnötige Verfolgungsjagden ersparen.
    Viele der Werbungssignale von Tieren ähneln in ihrer Paradoxie letztendlich der Zigarettenwerbung. Sie wei­sen oft scheinbar nicht auf Schnelligkeit oder gute Gene hin, sondern stellen Handikaps, Kosten oder Gefahren­quellen dar. Zum Beispiel ist das Signal einer Gazelle an einen Löwen, dessen Herannahen sie wahrnimmt, ein seltsames Verhalten, bei dem sie, statt geschwind da­vonzurennen, ein kurzes Stück langsam läuft und da­bei mehrere hohe Luftsprünge vollführt. Warum in al­ler Welt sollte eine Gazelle ein anscheinend selbstmör­derisches Schauspiel wie dieses vorführen, mit dem sie Zeit und Energie verschwendet und den Löwen dichter herankommen läßt? Oder denken Sie an die Männchen vieler Tierarten, die große, die Bewegungsfreiheit ein­schränkende Körperteile zur Schau stellen, wie zum Bei­spiel Pfauen oder Paradiesvögel mit ihrem langen Gefie­der. Bei vielen Arten locken die Männchen mit bunten Farben, lautem Gesang oder auffälligen Darbietungen auch Raubtiere an. Warum sollte ein Männchen sein Handikap stolz vorführen, und warum sollte ein Weib­chen auch noch Gefallen daran finden? Die hierin lieg­ende Paradoxic bleibt ein wichtiges ungeklärtes Problem der Tierverhaltensforschung.
    Zahavis unter Biologen umstrittene Theorie zielt auf den Kern des Paradoxons. Seiner Theorie zufolge sind jene hinderlichen Körperteile und Verhaltensweisen gültige Indikatoren für die Ehrlichkeit des signalisieren­den Tiers bei der Behauptung der eigenen Überlegen­heit, und zwar gerade weil diese Merkmale Handikaps darstellen. Ein Signal ohne Kosten bietet sich zum Miß-brauch geradezu an, da es selbst von langsamen, unter­legenen Tieren ausgesandt werden kann. Nur kostspie­lige oder gefährliche Signale bürgen für Ehrlichkeit. So würde eine langsame Gazelle, die vor einem herannah­enden Löwen Luftsprünge vollführte, statt rasch davon­zurennen, ihr eigenes Todesurteil unterschreiben, wäh­rend eine flinke Gazelle dem Löwen selbst dann noch entkommen könnte. Mit dem geschilderten Verhalten signalisiert sie ihm : »Ich bin so schnell, daß ich dir trotz des Vorsprungs, den ich dir hiermit gewähre, noch da­vonlaufen

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