Der dritte Schimpanse
sie vor den Augen der Frau, die er zu verführen sucht, zu verbergen. Warum stellt der Mann auf dem Photo sie bloß so bewußt zur Schau ? Glauben Firmen, die Whisky herstellen, etwa, Photos eines derart beeinträchtigten Individuums würden den Absatz steigern? Man könnte meinen, die Vereinigung gegen Alkohol am Steuer stecke hinter solchen Anzeigen und Whiskyfirmen würden vor Gericht ziehen, um ihren Abdruck zu unterbinden.
Seite um Seite sprangen mir weitere Anzeigen ins Auge, in denen der Konsum von Zigaretten oder Schnaps in vorteilhaftem Licht präsentiert wurde. Darunter waren sogar Bilder, auf denen junge, Leute in Gegenwart attraktiver Angehöriger des jeweils anderen Geschlechts rauchten, so als ob gesagt werden sollte, Raucher hätten auch die besseren sexuellen Chancen. Doch wie jeder Nichtraucher weiß, der einmal von einem Raucher geküßt wurde (oder versucht hat, einen zu küssen), ist Raucheratem dem Sex-Appeal höchst abträglich. Die Anzeigen implizierten paradoxerweise nicht nur sexuellen Gewinn, sondern auch platonische Freundschaften, geschäftliche Gelegenheiten, Vitalität, Gesundheit und Glück, und das alles, obwohl die unmittelbare Aussage der Anzeigen das genaue Gegenteil war.
Während die Tage vergingen und ich wieder in die westliche Zivilisation eintauchte, hörte ich nach und nach auf, ihre völlig sinnlosen Werbebotschaften wahrzunehmen. Ich zog mich zur Analyse meiner Felddaten zurück und richtete meine Neugier nun auf ein ganz anderes Paradoxon, das mit der Evolution der Vögel zusammenhing. Durch die Beschäftigung mit ihm ging mir schließlich auf, welches Prinzip hinter all den Anzeigen für Zigaretten und Whisky steht.
Bei dem neuen Paradoxon ging es um die Frage, warum bei Paradiesvögeln die Männchen eine Behinderung, wie sie ein fast einen Meter langer Schwanz darstellt, entwickelt hatten. Bei anderen Paradiesvogelarten haben die Männchen andere merkwürdige Behinderungen, zum Beispiel lange Federn, die ihnen aus den Augenbrauen wachsen, die Gewohnheit, kopfüber an Ästen zu hängen, ein leuchtendes Gefieder und laute Rufe, die sicher auch Raubvögel anlocken. All diese Merkmale schmälern ihre Überlebenschancen, aber zugleich dienen sie den Männchen als Werbung um Weibchen. Wie viele Biologen vor mir fragte ich mich, warum die Männchen solche Handikaps als Werbung einsetzen und was Weibchen daran attraktiv finden.
Dann stieß ich auf einen bemerkenswerten Aufsatz des israelischen Biologen Amotz Zahavi, der eine allgemeine Theorie über die Funktion kostspieliger bzw. selbstzerstörerischer Signale bei Tieren entwickelt hatte. Unter anderem versuchte Zahavi zu erklären, warum bestimmte Merkmale männlicher Tiere Weibchen gerade deshalb anlocken, weil sie Handikaps darstellen. Nach einigem Überlegen kam ich zu dem Urteil, daß Zahavis Hypothese auch für die von mir untersuchten Paradiesvögel zutreffen könnte. In helle Erregung versetzte mich dann aber der Gedanke, daß seine Theorie vielleicht auch die Erklärung für das Paradoxon unseres Gebrauchs giftiger Substanzen und der lautstarken Reklame dafür liefern könnte.
Die von Zahavi vorgeschlagene Theorie bezog sich auf das breite Gebiet tierischer Kommunikation. Alle Tiere benötigen schnelle, leicht verständliche Signale, um Botschaften an Paarungspartner, potentielle Paarungspartner, Nachkommen, Eltern, Rivalen und natürliche Feinde zu übermitteln. Denken Sie zum Beispiel an eine Gazelle, die einen sich anschleichenden Löwen bemerkt. Es wäre in ihrem Interesse, ein Signal auszusenden, das dem Löwen etwa bedeuten würde : »Ich bin eine besonders flinke Gazelle ! Du wirst mich nie kriegen und brauchst gar nicht erst die Zeit und Energie zu verschwenden.« Selbst wenn die Gazelle tatsächlich schnell genug wäre, einem Löwen davonzulaufen, würde sie dennoch Zeit und Energie sparen, wenn sie ihn durch ein Signal von seinem Vorhaben abbringen könnte.
Doch wie soll sie dem Löwen unmißverständlich klarmachen, daß sein Unterfangen hoffnungslos ist? Sie kann nicht jedesmal, wenn ein Löwe auftaucht, zur Demonstration einen 100-Meter-Sprint hinlegen. Vielleicht könnten sich Gazellen auf irgendein kurzes Signal einigen, das Löwen nach einiger Zeit verstehen würden, zum Beispiel, daß das Scharren mit dem linken Hinterbein bedeutet : »Ich behaupte, ich bin schnell !« Allerdings öffnet ein rein willkürliches Signal dieser
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