Der dritte Schimpanse
nur 1,60 Meter (Männer) bzw. 1,54 Meter (Frauen). Im klassischen Altertum nahm die Größe langsam wieder zu, aber bis heute haben Griechen und Türken nicht den Stand ihrer gesund lebenden Jäger- und-Sammler-Vorfahren erreicht.
Ein weiteres Beispiel für die Arbeit der Paläopathologen ist die Untersuchung Tausender von Indianerskeletten aus Grabhügeln in den Tälern der Flüsse Ohio und Illinois. Dort wurde um 1000 n. Chr. Mais, erstmals vor mehreren tausend Jahren in Mittelamerika zur Kulturpflanze gemacht, zur Grundlage intensiv betriebenen Ackerbaus. Vor diesem Zeitpunkt waren die Skelette der indianischen Jäger und Sammler »so gesund, daß es etwas frustrierend war, mit ihnen zu arbeiten«, wie ein Paläopathologe klagte. Erst nach der Ankunft der Maispflanze wurden die Indianerskelette plötzlich interessante Untersuchungsobjekte. Die durchschnittliche Zahl der Löcher in den Zähnen von Erwachsenen stieg sprunghaft von weniger als einem auf fast sieben, Zahnlücken und Abszesse grassierten. Schäden am Schmelz von Milchzähnen ließen darauf schließen, daß schwangere und stillende Mütter stark unterernährt waren. Die Zahl der Anämieerkrankungen vervierfachte sich. Tuberkulose wurde epidemisch. Die Hälfte der Menschen litt an der Hautkrankheit Frambösie oder an Syphilis, zwei Drittel an Knochen- und Gelenkentzündungen oder anderen Verfallserscheinungen. Die Sterblichkeit nahm in allen Altersgruppen zu, mit der Folge, daß nur ein Prozent der Bevölkerung über 50 Jahre alt wurde, während es in der guten alten Zeit vor Einführung der Maispflanze noch fünf Prozent waren. Fast ein Fünftel der Gesamtbevölkerung starb vor Erreichen des fünften Lebensjahres; vermutlich wurden abgestillte Kleinkinder Opfer von Fehlernährung und Infektionskrankheiten. Im Widerspruch zu der landläufigen Meinung, die in Mais eine der Segnungen der Neuen Welt sieht, war diese Pflanze in Wirklichkeit eine Katastrophe vom Standpunkt der Volksgesundheit. Ähnliche Schlüsse für den Übergang vom Jagen und Sammeln zum Ackerbau ergeben sich aus Skeletten in anderen Teilen der Welt.
Es lassen sich mindestens drei Arten von Gründen nennen, warum die Landwirtschaft der Gesundheit schadete. Erstens war die Ernährung der Jäger und Sammler abwechslungsreich, und’ihr Speiseplan enthielt genü-gende Mengen von Protein, Vitaminen und Mineralien, während der größte Teil der bäuerlichen Nahrung stärkehaltigen Pflanzen entstammte. Man kann es auch so ausdrücken, daß durch die Landwirtschaft billige Kalorien auf Kosten einer ausgewogenen Ernährung erkauft wurden. Heute gehen über 50 Prozent der von der Menschheit insgesamt konsumierten Kalorien auf das Konto nur dreier kohlenhydratreicher Pflanzen – Weizen, Reis und Mais.
Zweitens liefen die Bauern im Vergleich zu Jägern und Sammlern wegen ihrer Abhängigkeit von nur einer oder wenigen Anbaupflanzen größere Gefahr, bei Ernteausfall zu verhungern. Die Hungersnot der irischen Kartoffelbauern ist nur eines von vielen Beispielen dafür.
Und drittens konnten sich die meisten der wichtigsten heutigen Infektionskrankheiten und Parasiten der Menschheit erst nach dem Aufkommen der Landwirtschaft einnisten. Diese Todbringer halten sich nur in fehlernährten, seßhaften und auf engem Raum lebenden Bevölkerungen, in denen sich die Menschen ständig gegenseitig anstecken, unter anderem über das Abwasser. Die Cholerabakterie kann beispielsweise außerhalb des menschlichen Körpers nur kurze Zeit überleben. Ihre Ausbreitung von einem Opfer zum nächsten erfolgt durch fäkalienverseuchtes Trinkwasser. Masern sterben in kleinen Populationen nach Tötung oder Immunisierung der meisten potentiellen Wirte rasch aus ; nur in Populationen von mindestens ein paar hunderttausend Menschen können sie sich auf unbegrenzte Zeit halten. Massenepidemien dieser Art waren bei den kleinen Gruppen von Jägern und Sammlern, die oft das Lager wechselten, einfach nicht möglich. Tuberkulose, Lepra und Cholera mußten auf den Aufstieg der Landwirtschaft warten, während Pocken, Beulenpest und Masern erst mit dem Aufstieg der Städte in den letzten paar tausend Jahren in Erscheinung traten.
Neben Fehlernährung, Hunger und Krankheitsepidemien brachte die Landwirtschaft noch einen weiteren Fluch über die Menschheit – die Entstehung sozialer Klassen. Jäger und Sammler besitzen nur wenige oder gar keine eingelagerten
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