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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Wer nach dem Genuß einer Flasche Whisky noch gerade gehen kann, beweist damit vielleicht, daß er viel Alkoholdehydrogenase in der Le­ber hat, aber das bedeutet noch keine generelle Über­legenheit. Wer als langjähriger Kettenraucher nicht an Lungenkrebs erkrankt, mag ein Gen haben, das ihn da­vor bewahrt, aber dieses Gen bewirkt weder Intelligenz noch Geschäftstüchtigkeit noch die Fähigkeit, Ehepart­ner und Kinder glücklich zu machen.
    Tieren mit kurzer Lebensspanne und entsprechend wenig Zeit für die Partnerwerbung bleibt nichts anderes übrig, als Schnellindikatoren zu entwickeln, da sie nicht genügend Zeit haben, um potentielle Partner genau zu studieren und sich ein Urteil zu bilden. Wir langlebigen Geschöpfe hingegen, mit unserer langwierigen Partnersuche und der langfristigen Zusammenarbeit im Berufs­leben, haben reichlich Zeit, einander zu beschnuppern, und sind daher nicht auf oberflächliche, irreführende Indikatoren angewiesen. Der Mißbrauch giftiger Sub­stanzen ist ein klassisches Beispiel für einen einst nütz­lichen Instinkt (Orientierung an Handikap-Signalen), der seinen Sinn verloren hat. Doch eben jenen alten In­stinkt machen sich die Tabak- und Whiskyhersteller in ihren cleveren Anzeigen zunutze. Würde Kokain legali­siert, kämen auch die Drogenbarone bald mit Anzeigen, die an den gleichen Instinkt appellierten. Man stelle sich das etwa so vor : der Cowboy auf seinem Pferd oder der feschen Jüngling mit der hübschen Jungfer, darunter de­zent das Päckchen mit weißem Pulver.
    Lassen Sie uns nun zum Testen meiner Theorie ei­nen Sprung von der westlichen Industriegesellschaft zur anderen Seite der Erde machen. Der Mißbrauch gifti­ger Substanzen begann nicht erst mit der Industriellen Revolution. Tabak war ja schließlich eine Kulturpflan­ze der Indianer, alkoholische Getränke werden seit eh und je vielerorts in der Welt gebraut, und auch Kokain und Opium kamen aus fremden Kulturen zu uns. Schon der älteste überlieferte Gesetzeskodex, die Rechtssamm­lung des babylonischen Königs Hammurabi (1792–1750 v. Chr.), enthielt einen Abschnitt über Trinkhäuser. Falls meine Theorie richtig ist, sollte sie deshalb auch auf an­dere Gesellschaften anwendbar sein. Als Beispiel ihrer kulturübergreifenden Erklärungskraft möchte ich eine Sitte schildern, von der Sie vielleicht noch nie gehört ha­ben : das Kerosintrinken von Kung-Fu-Kämpfern.
    Ich erfuhr davon, während ich in Indonesien mit ei­nem großartigen jungen Biologen namens Ardy Irwan­to zusammenarbeitete. Ardy und ich mochten und be­wunderten einander, und jeder kümmerte sich um des anderen Wohlbefinden. Als wir einmal in eine unruhi­ge Gegend kamen und ich die Sorge äußerte, wir könn­ten gefährlichen Typen über den Weg laufen, beruhig­te mich Ardy: »Kein Problem, Jared. Ich hab den achten Meistergrad in Kung-Fu.« Er erklärte mir, daß er diesen orientalischen Kampfsport schon sehr lange praktizier­te und so weit war, daß er mit einer Hand acht Angreifer abwehren konnte. Zum Beweis zeigte er mir eine Narbe auf seinem Rücken, die vom Angriff einer Gang aus acht Schlägern stammte. Einer hatte ihn mit einem Messer verletzt, woraufhin Ardy zweien die Arme brach und ei­nem dritten den Schädel einschlug, bevor der Rest floh. Ich brauchte mich in Ardys Begleitung also vor nichts zu fürchten, versicherte er mir.
    Eines Abends im Lager ging Ardy mit seiner Tasse zu unseren Kanistern. Wie gewöhnlich hatten wir zwei ver­schiedene mit : einen blauen für Wasser und einen roten für Kerosin, das wir für die Drucklampe benötigten. Zu meinem Entsetzen beobachtete ich, wie Ardy seine Tas­se aus dem roten Kanister füllte und zum Trinken an­setzte. Ich mußte an einen schrecklichen Moment wäh­rend einer Gebirgsexpedition denken, als ich aus Ver­sehen einen Schluck Kerosin getrunken hatte und den ganzen nächsten Tag damit verbrachte, es wieder auszu­husten, und schrie auf, um Ardy zu warnen. Aber er hob nur die Hand und sagte ruhig : »Kein Problem, Jared.
    Ich hab den achten Meistergrad in Kung-Fu.« – Ardy er­klärte mir, daß Kung-Fu ihm Kraft gab, die er und sei­ne Kung-Fu-Kollegen einmal im Monat testeten, indem sie eine Tasse Kerosin tranken. Ohne Kung-Fu würde Kerosin einen schwächeren Menschen natürlich krank machen. Ich, Jared, sollte es um Himmels willen nicht probieren. Doch ihm, Ardy, konnte es nichts anhaben, da er ja Kung-Fu hatte. Er zog sich in sein Zelt zurück, schlürfte in

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