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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Indonesien und auf den Philippinen im Zuge der austronesischen Expansion abspielte. Allein in der Neuen Welt starben in den letzten Jahrhunderten mehrere hundert Indianersprachen aus.
    Soll man aber den Sprachenschwund nicht eigentlich begrüßen, da doch weniger Sprachen die Verständigung unter den Völkern der Welt erleichtern ? Vielleicht ja, aber es sind auch Nachteile zu nennen. Sprachen unter­scheiden sich in der Struktur und im Wortschatz, darin, wie Kausalzusammenhänge, Gefühle und persönliche Verantwortung ausgedrückt werden, und folglich auch darin, wie sie unsere Gedanken formen. So etwas wie die »beste« Sprache schlechthin gibt es nicht ; vielmehr sind verschiedene Sprachen für verschiedene Zwecke geeig­net. So mag es kein Zufall gewesen sein, daß Plato und Aristoteles Griechisch schrieben und Kant Deutsch. Die grammatischen Partikel dieser beiden Sprachen und die Leichtigkeit der Bildung von Komposita in ihnen trugen vielleicht mit zu ihrer überragenden Bedeutung für die westliche Philosophie bei. Ein weiteres Beispiel, das al­len ehemaligen Lateinschülern bekannt sein dürfte, ist die Fähigkeit stark flektierender Sprachen (in denen be­reits die Wortendungen Aufschluß über den Satz bau ge­ben), mittels Variationen der Wortstellung feine Bedeu­tungsunterschiede auszudrücken. Im Englischen unter­liegt die Wortstellung dagegen wegen ihrer wichtigen Funktion für den Satzbau erheblichen Beschränkungen. Die Rolle des Englischen als Weltsprache ist jedenfalls nicht darauf zurückzuführen, daß es sich am besten als Sprache der Diplomatie eignen würde.
    Auch die Vielfalt kultureller Bräuche übertraf in Neu­guinea das Spektrum in vergleichbaren Teilen der mo­dernen Welt, da isolierte Stämme soziale Experimente ausleben konnten, die andere zutiefst unakzeptabel ge­funden hätten. Formen der Selbstverstümmelung und des Kannibalismus variierten von Stamm zu Stamm. Zur Zeit des Erstkontakts gingen die Angehörigen vieler Stämme nackt, andere verbargen die Geschlechtsorgane und waren extrem prüde, wieder andere (darunter die Dani im Grand Valley) brachten Penis und Hoden mit diversen Requisiten besonders stark zur Geltung. Prak­tiken der Kindererziehung reichten von extremer Tole­ranz (Foré-Babys durften sogar heiße Gegenstände be­rühren und sich die Finger verbrennen) über die Bestra­fung schlechten Betragens durch Einreiben des Gesichts mit Brennesseln (bei den Baham) bis hin zu maßloser Unterdrückung, die bei den Kukukuku nicht selten Kin­der in den Selbstmord trieb. Bei den Barua praktizierten die Männer eine institutionalisierte Bisexualität; zusam­men mit den Jungen des Stammes lebten sie in großen homosexuellen Gemeinschaftshäusern, während jeder außerdem über ein kleines heterosexuelles Haus verfüg­te, in dem seine Frau, Töchter und Söhne im Kleinkind­alter wohnten. Die Tudawhes besaßen dagegen zwei­stöckige Häuser, in denen Frauen, Kleinkinder, unver­heiratete Mädchen und Schweine das untere Stockwerk bewohnten und verheiratete und junge ledige Männer das obere, zu dem eine Leiter separaten Zugang bot.
    Wir würden das Schrumpfen der kulturellen Vielfalt nicht betrauern, brächte sie nur das Ende von Selbstver­stümmelung und Kinderselbstmord. Die Gesellschaften, deren kulturelle Bräuche heute beherrschend sind, er­warben diese Position jedoch allein aufgrund ihres wirt­schaftlichen und militärischen Erfolgs. Und das müssen nicht unbedingt die Qualitäten sein, die menschlichem Glück und langfristigem Überleben förderlich sind. Un­ser Warenkonsum und die Ausplünderung der Natur mögen uns in der Gegenwart Nutzen bringen, für die Zukunft verheißen sie nichts Gutes. Eine ganze Reihe von Merkmalen unserer Kultur werden schon heute von fast jedermann als katastrophal eingestuft , zum Beispiel der Umgang mit älteren Menschen, die Unzufrieden­heit der Jugend, der Mißbrauch von Drogen und Psy­chopharmaka sowie die krasse soziale Ungleichheit. Für jeden dieser Problembereiche gibt (bzw. gab) es zahlrei­che neuguineische Kulturen, die weit bessere Lösungen fanden.
    Es ist bedauerlich, daß alternative Gesellschaftsmodel­le so rapide dahinschwinden und die Zeit vorbei ist, in der neue Modelle in der Isolation erprobt werden kön­nen. Gewiß gibt es heute nirgends mehr unberührte Po­pulationen von auch nur annähernd der Größe wie der, auf die Archbolds Vorhut an jenem denkwürdigen Tag im August 1938 stieß. Als ich 1979 an

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