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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Indianerdörfern im Amazonasgebiet stieß ich auf zahme Affen und Wie­sel. Die alten Ägypter hielten zahme Gazellen, Antilo­pen, Kraniche und sogar Hyänen, vielleicht auch Gi­raffen. In Angst und Schrecken wurden die Römer von den Afrikanischen Elefanten versetzt, mit denen Han­nibal die Alpen überquerte (es handelte sich übrigens nicht um Asiatische Elefanten, wie wir sie aus dem Zir­kus kennen).
    Doch all diese anfänglichen Zähmungsversuche schei­terten. Seit der Domestikation des Pferdes um 4000 v. Chr. und des Rentiers ein paar tausend Jahre später wur­de unser Repertoire erfolgreicher Domestikationen um kein einziges größeres europäisches Säugetier erweitert. Die wenigen domestizierten Säugetierarten wurden also relativ schnell unter Hunderten anderer, bei denen man die Zähmungsversuche aufgeben mußte, entdeckt.
    Warum schlugen die Zähmungsversuche bei den mei­sten Tierarten fehl? Sucht man die Antwort, so erkennt man, daß Wildtiere eine ganze Reihe besonderer Eigen­schaften besitzen müssen, wenn die Domestikation Er­folg haben soll. Erstens muß es sich in der Regel um Her­dentiere handeln. Die rangniedrigen Tiere einer Herde haben instinktiv unterwürfige Verhaltensweisen, die sie ranghöheren gegenüber zeigen und die auf Menschen übertragbar sind. Asiatische Mufflons (die Vorfahren des Hausschafs) legen ein solches Verhalten an den Tag, nicht jedoch das nordamerikanische Dickhornschaf ; dieser gewichtige Unterschied hielt die Indianer davon ab, letzteres zu domestizieren. Mit Ausnahme von Kat­zen und Frettchen gelang es niemals, Tiere zu domesti­zieren, die nicht in Gemeinschaften leben.
    Zweitens erweisen sich Gazellen und viele Hirsch- und Antilopenarten, die beim leisesten Zeichen von Gefahr die Flucht ergreifen, als zu nervös, um sie als Haustie­re zu halten. Daß die Domestikation der Hirsche miß-lang, ist besonders verblüffend, da es nur wenige andere Wildtiere gibt, mit denen der Mensch über zig Tausen­de von Jahren in so enger Beziehung lebte. Sie wurden zwar intensiv gejagt und oft gezähmt, aber von allen 41 Hirscharten der Welt hatte allein die Domestikation des Rentiers Erfolg. Territorialverhalten, Fluchtreflexe oder beides schlossen die anderen 40 Arten als Kandidaten aus. Nur das Rentier besaß den notwendigen Gleichmut gegenüber Störenfrieden und erwies sich als Herdentier ohne ausgeprägte Revieransprüche.
    Schließlich bedeutet Domestikation auch, daß sich die Tiere in der Gefangenschaft vermehren. Zoodirektoren stellen oft betrübt fest, daß sich die ansonsten fügsamen, gesunden Insassen weigern, in Käfigen den Paarungsakt zu vollziehen. Wer von uns Menschen würde denn unter den Blicken anderer einem möglichen Partner ausgiebig den Hof machen und mit ihm ins Bett steigen ? Bei vie­len Tierarten verhält es sich nicht anders.
    An diesem Problem scheiterten auch intensive Bemü-hungen zur Domestikation einer Reihe potentiell sehr wertvoller Tierarten. So stammt die kostbarste Wolle der Welt vom Vikunja, einer in den Anden beheimate­ten kleinen Kamelart. Doch weder den Inkas noch mo­dernen Viehzüchtern gelang es, das Vikunja zu domesti­zieren, und noch immer kommt man nur durch Einfan­gen freilebender Vikunjas in den Besitz der Wolle. Viele Potentaten, von den assyrischen Königen bis zu indi­schen Maharadschas des 19. Jahrhunderts, hielten sich Geparden, die schnellsten Landsäugetiere der Welt, die sie zähmten und für die Jagd abrichteten. Jeder Gepard mußte jedoch eigens in der Natur gefangen werden, und nicht einmal in Zoos gelang bis in die sechziger Jahre die Züchtung.
    Zusammen machen es diese Gründe verständlicher, warum es den Eurasiern gelang, die klassischen fünf Haustiere zu domestizieren, aber keine weiteren eng verwandten Arten, und warum die Amerikaner nicht Bison, Nabelschwein, Tapir, Bergschaf oder Schneezie­ge domestizierten. Der militärische Nutzen des Pferdes ist ein besonders gutes Beispiel dafür, welch scheinbar geringfügigen Unterschiede der einen Art hohes Lob bringen und die andere nutzlos erscheinen lassen. Pfer­de gehören zur Ordnung der Unpaarhufer, den Huftie­ren mit ungerader Zehenzahl, in der sie mit Tapiren und Nashörnern zusammengefaßt werden. Von den 17 heu­te noch lebenden Arten von Unpaarhufern wurde kei­ne der vier Tapirarten und keine der fünf Nashornarten je domestiziert, und auch bei fünf der acht wilden Pfer­dearten gelang die Domestikation nicht. Afrikaner oder Indianer auf

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