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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Gefangenen und der Skalpierung von Feinden. Die we­nigen Indianer, die es gab, hätten vor allem von der Büf­feljagd gelebt. Die Indianerpopulation der USA wird für die Zeit um 1492 traditionell auf eine Million geschätzt. Diese Zahl ist im Vergleich zur heutigen US-Bevölke­rung von 250 Millionen so verschwindend gering, daß sofort einleuchtet, warum die Weißen von diesem qua­si leeren Kontinent Besitz ergreifen mußten. Viele In­dianer seien an Pocken und anderen Krankheiten ge­storben. Auf diesen Einstellungen beruhte die Indianer­politik der angesehensten US-Präsidenten seit George Washington (siehe Zitate am Ende dieses Kapitels).
    Den historischen Fakten sprechen diese Rationalisie­rungen jedoch Hohn. Der Gebrauch militärischer Aus­drücke erweckt den Eindruck, es habe sich um erklär­te Kriege gehandelt, geführt von erwachsenen männli­chen Kämpfern. In Wirklichkeit bestand die Taktik der Weißen in der Regel aus Überraschungsangriffen (oft von Zivilisten verübt) auf Dörfer oder Lager, bei denen Indianer ungeachtet von Alter und Geschlecht getötet wurden. Während des ersten Jahrhunderts der weißen Besiedlung wurden sogar Skalpprämien an Indianertö-ter gezahlt, die daraus so etwas wie einen Beruf mach­ten. Zeitgenössische europäische Gesellschaften waren mindestens ebenso kriegerisch und gewalttätig wie die der Indianer, man denke nur an die Häufigkeit von Auf­ständen, Klassenkämpfen, Ausbrüchen unkontrollierter Gewalt, die brutale Behandlung von Verbrechern und die Führung von Kriegen auch gegen die Zivilbevölke­rung. Gefoltert wurde in Europa nicht minder grausam (ich erinnere an Streckbrett und Vierteilung, Scheiter­haufen und Daumenschrauben). Über die Zahl der in Nordamerika lebenden Indianer vor der Zeit des Erst­kontakts gehen die Ansichten zwar weit auseinander, plausible neuere Schätzungen belaufen sich jedoch auf 18 Millionen – eine Zahl, die von den weißen Siedlern auf dem Gebiet der heutigen USA erst um 1840 erreicht wurde. Zwar waren manche Indianer halbnomadische Jäger, die keine Landwirtschaft betrieben, doch die mei­sten lebten als seßhafte Bauern in dörflichen Gemeinschaften. Krankheiten mögen in der Tat für den Tod der meisten Indianer verantwortlich gewesen sein, doch manche Epidemien wurden absichtlich von Weißen ausgelöst, und auch danach blieben noch genügend Indianer
übrig, die mit direkteren Methoden ins Jenseits befördert
wurden. Erst 1916 starb der letzte »wilde« Indianer der USA (der Yahi namens Ishi), und die keineswegs reuevollen Memoiren der Mörder seines Stammes wurden noch 1923 gedruckt und veröffentlicht.

    Ishi, der letzte überlebende India­ner vom Yahi-Stamm in Nordka­lifornien. Das Foto zeigt ihn aus­gehungert und verängstigt am 29. August 1911, als er aus 41jäh­rigem Versteck in einer entlege­nen Schlucht auftauchte. Die mei­sten Angehörigen seines Stammes wurden zwischen 1853 und 1870 von weißen Siedlern umgebracht.17 Überlebende des letzten Massa­kers zogen 1870 in ein Versteck in der Wildnis, wo sie ihr Leben als Jäger und Sammler fortsetzten. Im November 1908, als nur noch vier übrig waren, stießen Landvermes­ser zufällig auf ihr Lager und stah­len sämtliche Werkzeuge, Klei­dungsstücke und Nahrungsvorrä-te für den Winter, was den Tod von drei der Yahis (Ishis Mutter, seine Schwester und ein alter Mann) zur Folge hatte. Ishi verbrachte drei weitere Jahre allein in der Wild­nis, bis er es so nicht mehr ertra­gen konnte und sich in die wei-ße Zivilisation begab, damit rech­nend, daß man ihn lynchen würde. Es kam allerdings anders, und er wurde Angestellter des Museums der University of California in San Francisco, wo er 1916 an Tuberku­lose starb. Das Foto stammt aus dem Archiv des Lowie-Museums für Anthropologie der University of California in Berkeley.
    Kurzum, der Konflikt zwischen Weißen und India­nern wurde von den Amerikanern fälschlich zu einer Auseinandersetzung zwischen berittenen erwachsenen Kriegern männlichen Geschlechts hochstilisiert, ausge­fochten zwischen der US-Kavallerie und Cowboys auf der einen Seite und kämpferischen nomadischen Büffel­jägern auf der anderen. Der Wirklichkeit kommt es nä-her, wenn man den Konflikt als Auslöschung einer Ras­se bäuerlicher Zivilisten durch eine andere charakteri­siert. Noch heute geraten wir Amerikaner in Empörung, wenn wir an die Verluste im Kampf um die Alamo (ca. 200 Tote), auf dem Schlachtschiff U. S. S.

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