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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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braucht darüber keine Wor­te zu verlieren, da jeder diese Tatsache aus Büchern und dem Fernsehen kennt und die meisten von uns auf Rei­sen sogar Erfahrungen aus erster Hand sammeln konn­ten. Es fällt schwer, sich in den Geisteszustand zurück­zuversetzen, der während des größten Teils der mensch­lichen Geschichte vorherrschend war (siehe Kapitel 13). Ebenso wie Schimpansen, Gorillas und gesellig lebende Fleischfresser lebten wir in Gruppen mit jeweils eigenen Revieren. Die Welt war damals viel kleiner und simpler als heute.
    Es gab nur wenige bekannte Arten von »anderen«, nämlich die unmittelbaren Nachbarn.
    In Neuguinea zum Beispiel war es bis in die jüngste Vergangenheit üblich, daß zwischen den Stämmen ab­wechselnd Krieg geführt und paktiert wurde. Man be­gab sich wohl gelegentlich ins Nachbartal zu einem Be­such in Freundschaft (was nie ganz ohne Gefahr war) oder in kriegerischer Absicht, doch die Aussicht, meh­rere Täler nacheinander friedlich durchqueren zu kön­nen, war fast gleich Null. Die strengen Verhaltensregeln für die eigene Gruppe galten nicht für »die anderen«, jene Feinde von nebenan, von denen man kaum mehr als eine blasse Vorstellung hatte. Als ich in Neuguinea von Tal zu Tal wanderte, warnten mich Menschen, die selbst Kannibalen waren und noch vor einem Jahrzehnt in der Steinzeit gelebt hatten, regelmäßig vor den un­sagbar primitiven, abscheulichen und kannibalistischen Sitten der Menschen, denen ich im nächsten Tal begeg­nen würde. Selbst die Banden Al Capones im Chicago des 20. Jahrhunderts machten es sich zur Regel, Killer von auswärts anzuheuern, die das Gefühl haben konn­ten, einen der »anderen« und nicht der »eigenen Jungs« zu töten.
    Die Schriften der alten Griechen belegen eine Fortset­zung dieses stammeszeitlichen Territorialdenkens. Die bekannte Welt war größer und vielfältiger geworden, doch »wir« Griechen wurden immer noch von »den an­deren«, sprich den Barbaren, unterschieden. Das Wort »Barbaren« kommt vom griechischen barbaroi , das nichts anderes bedeutet als nichtgriechische Ausländer. Ägypter und Perser, von der kulturellen Entwicklung den Griechen nicht unterlegen, waren ebenfalls barba­roi . Es galt nicht als vorbildlich, alle Menschen gleich zu behandeln, sondern man sollte vielmehr seine Freun­de belohnen und seine Feinde bestrafen. Als der athe­nische Schriftsteller Xenophon den von ihm bewunder­ten Feldherrn Kyros einmal in höchsten Tönen preisen wollte, schilderte er, wie Kyros seine Freunde für ihm erwiesene Dienste stets großzügig belohnte und strenge Vergeltung für die Missetaten seiner Feinde übte (zum Beispiel durch Ausstechen der Augen und Abschlagen der Hände).
    Wie die Hyänen des Mungi- und Scratching-Rock-Ru­dels praktizierte der Mensch ein Verhalten, das auf ei­ner Doppelmoral basierte : Einerseits gab es starke Hem­mungen, ein Mitglied der eigenen Gruppe zu töten, und andererseits grünes Licht, »die anderen« zu töten, wenn das gefahrlos möglich war. Genozid war im Rahmen die­ser Zweiteilung akzeptabel, ob man die Dichotomie nun als ehemaligen tierischen Instinkt ansieht oder als ein­zigartig menschlich. In der Kindheit erwerben wir alle auch heute noch dichotome Kriterien für die Respektie­rung bzw. Verachtung anderer. Ich erinnere mich gut an eine Szene auf dem Flughafen von Goroka im Hoch­land von Neuguinea. Meine Feldassistenten vom Stamm der Tudawhe standen etwas linkisch in ihren zerrisse­nen Hemden barfüßig neben mir, als ein unrasierter, ungewaschener Weißer mit starkem australischen Ak­zent und zerknittertem, tief ins Gesicht gezogenem Hut auf uns zukam. Noch bevor er begonnen hatte, die Tu­dawhes als »schwarze Tagediebe, die es auch in hundert Jahren nicht schaffen werden, dieses Land zu regieren« zu beschimpfen, dachte ich im stillen, »blöder Aussie, geh doch nach Hause zu deinen verdammten Schafen.« Da war sie, die Blaupause für Genozid. Ich blickte auf den Australier herab und er auf die Tudawhes, und al­les wegen sekundenschnell aufgenommener kollektiver Merkmale.
    Im Laufe der Zeit wurde diese uralte Strategie der Di­chotomisierung eine immer unakzeptablere Grundlage für einen Moralkodex. Statt dessen begann man, wenig­stens ein Lippenbekenntnis zu einem universellen Mo­ralkodex und somit zur Gleichbehandlung aller Völker abzulegen. Genozid steht dazu in direktem Gegensatz.
    Trotz dieses Konflikts konnten sich viele neuzeitliche Völkermörder

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