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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Indianerkil­ler durch Landerschließungsgesellschaften. Über den Figueiredo-Report war auch in der amerikanischen und europäischen Presse zu lesen, doch blieben nennenswer­te Reaktionen aus.
    Man könnte also folgern, daß sich die meisten von uns für an anderen verübtes Unrecht schlichtweg nicht interessieren oder meinen, es würde sie nichts ange­hen. Das erklärt sicher manches, aber nicht alles. Vie­le Menschen werden sehr leidenschaftlich, wenn es um bestimmte Ungerechtigkeiten wie die Apartheid in Süd­afrika geht, warum also nicht auch beim Thema Geno­zid ? Diese Frage richteten voller Verbitterung Hutu-Op­fer der Tutsi in Burundi, wo 1972 zwischen 80 000 und 200 000 Hutu umgebracht wurden, an die Organisation für Afrikanische Einheit.
    »Die Apartheid der Tutsi wird mit größerer Härte durch­gesetzt als die Apartheid in Südafrika. Sie hat ein un­menschlicheres Antlitz als der portugiesische Kolonia­lismus. Außer Hitlers Nationalsozialismus gibt es nichts Vergleichbares in der Menschheitsgeschichte. Und die Völker Afrikas hüllen sich in Schweigen. Afrikanische Staatsoberhäupter empfangen den Henker Micombero [Präsident von Burundi, ein Tutsi] und reichen ihm brü-derlich die Hand. Verehrte Staatsoberhäupter, wenn Sie schon den Völkern Namibias, Simbabwes, Angolas und Mosambiks helfen wollen, sich von ihren weißen Un­terdrückern zu befreien, haben Sie kein Recht zuzulas­sen, daß Afrikaner von anderen Afrikanern umgebracht werden. … Wollen Sie Ihre Stimme etwa erst erheben, wenn alle Hutu in Burundi ausgerottet sind?«
    Um das Ausbleiben von Reaktionen Außenstehender zu verstehen, müssen wir wissen, wie überlebende Op­fer reagieren. Psychiater, die sich mit Zeugen von Geno­zid, zum Beispiel Überlebenden von Auschwitz, befaßt haben, sprechen von einem psychologischen Abstump­fungseffekt. Die meisten von uns haben schon einmal den tiefen, lange anhaltenden Schmerz erfahren, der uns trifft, wenn ein enger Freund oder Verwandter eines natürlichen Todes stirbt, ohne daß wir dabei waren. Wir können uns jedoch kaum die Vervielfachung der Inten­sität dieses Schmerzes vorstellen, wenn jemand gezwun­gen ist, die extrem brutale Ermordung vieler Freunde und Verwandter aus nächster Nähe mitzuerleben. Für die Überlebenden liegt nach solchen Erfahrungen das bisherige Glaubenssystem, nach dem eine derartige Bar­barei verboten war, in Trümmern; übrig bleibt ein Ge­fühl, daß man wohl in der Tat wertlos sein muß, daß einem solche Grausamkeit zugemutet wurde, und ein Gefühl der Schuld, weil man am Leben blieb, während andere starben. Ebenso wie starke körperliche Schmer­zen führen auch intensive psychische Schmerzen zu ei­ner Betäubung – anders wäre ein Überleben und der Er­halt der geistigen Gesundheit unmöglich. Ich persönlich habe diese Reaktion an zwei Verwandten erfahren, die zwei Jahre Auschwitz überlebten und noch Jahrzehnte später nicht weinen konnten.
    Was die Reaktionen der Täter angeht, so mögen jene, deren Wertesystem zwischen »uns« und den »anderen« unterscheidet, Stolz empfinden ; jene hingegen, die mit einem universellen Moralkodex aufgewachsen sind, tei­len oft die Abstumpfung ihrer Opfer, verstärkt durch die aufgeladene Schuld. Hunderttausende von Ameri­kanern, die im Vietnamkrieg waren, litten unter die­ser Abstumpfung. Selbst die Nachfahren von an Geno­zid Beteiligten – also Menschen ohne eigene Mitverant­wortung – empfinden nicht selten eine kollektive Schuld, quasi als Spiegelbild der für Genozid typischen kollekti­ven Brandmarkung der Opfer. Um die Schuldgefühle zu vermindern, schreiben die Nachfahren oft die Geschich­te neu. Ich denke zum Beispiel an die Reaktion moder­ner Amerikaner oder an die von Miss Cobern und vie­len ihrer australischen Landsleute.
    Wir verstehen jetzt also besser, warum Reaktionen Außenstehender auf Genozid häufig ausbleiben. Geno­zid löst schwere und dauerhafte psychologische Schä-den bei Opfern und Tätern aus, die ihn unmittelbar er­leben. Doch er hinterläßt auch tiefe Narben bei denen, die nur indirekt davon erfahren, wie den Kindern der Überlebenden von Auschwitz oder den Psychotherapeu­ten, welche die Überlebenden und Veteranen des Viet­namkrieges behandeln. Oft sehen sich Therapeuten, die darin ausgebildet sind, sich menschliches Elend anzu­hören, außerstande, den schrecklichen Erinnerungen von Menschen zu lauschen, die so oder so mit Genozid in Berührung kamen. Wenn

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