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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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rekonstruiert:
    Petra liegt in einem Gebiet mit trockenem mediterra­nem Klima, das sich nicht sehr von dem in den bewal­deten Bergen hinter meinem Haus in Los Angeles un­terscheidet. Die ursprüngliche Vegetationsform dürfte ein von Eichen und Pistazien beherrschtes Waldland ge­wesen sein. Als die Zeiten von Rom und Byzanz anbra­chen, waren die meisten Bäume bereits gefällt, und die Umgebung trug den Charakter einer offenen Steppen­landschaft, was darin Ausdruck fand, daß nur 18 Pro­zent der Pollen aus den Klippschlieferhaufen von Bäu­men stammten, der Rest von niedrigwachsenden Pflan­zen (zum Vergleich : Der Baumanteil beträgt in heutigen Wäldern am Mittelmeer 40 bis 85 Prozent und in Baum­steppen 18 Prozent). Bis 900 n. Chr., also ein paar hun­dert Jahre nach dem Ende byzantinischer Herrschaft über die Region, in der Petra liegt, waren zwei Drittel der verbliebenen Bäume verschwunden. Selbst Sträu­cher, Kräuter und Gräser waren auf dem Rückzug, so daß sich die Landschaft allmählich in jene Wüste ver­wandelte, die wir heute kennen. Den noch verbliebenen Bäumen fehlen oft die unteren Äste, oder sie wachsen vereinzelt an steilen, vor Ziegen sicheren Klippen oder in eingezäunten Gehölzen.
    Vergleicht man diese aus Klippschlieferhaufen gewon­nenen Informationen mit archäologischen Erkenntnis­sen und Angaben aus der Literatur, kommt man zu fol­gender Interpretation: Die Haupttriebkräfte hinter der Entwaldung waren seit der Jungsteinzeit bis zur Römer­zeit die Rodung von Land für den Ackerbau, das Wei­den von Schafen und Ziegen, die Brennholzsuche und der Hausbau. Schon jungsteinzeitliche Häuser wurden nicht nur von massivem Holzwerk getragen, sondern es wurden darüber hinaus bis zu 13 Tonnen Brennholz pro Haus für die Herstellung des Mörtels für Wände und Boden verbraucht. Durch die spätere Bevölkerungsex­plosion beschleunigte sich das Tempo der Waldzerstö-rung und Überweidung noch weiter. Umfangreiche Net­ze von Kanälen, Rohrleitungen und Zisternen wurden benötigt, um Wasser für die Obstgärten und die Stadt selbst zu sammeln und zu speichern.
    Nach dem Zusammenbruch der byzantinischen Herr­schaft wurden die Obstgärten aufgegeben, und die Be­völkerungszahl ging schlagartig zurück. Doch die Über­forderung der Umwelt dauerte an, da die verbliebenen Einwohner nun zu intensiver Weidewirtschaft über­gingen. Die unersättlichen Ziegen begannen, sich ihren Weg durch Sträucher, Kräuter und Gräser zu bahnen. Die ottomanischen Herrscher dezimierten die restlichen Waldbestände vor dem Ersten Weltkrieg, um das zum Bau der Hedschasbahn benötigte Holz zu erlangen. Wie viele Kinogänger erschauerte auch ich bei der Szene, als arabische Freischärler unter ihrem Anführer Lawrence von Arabien (Peter O’Toole) diese Bahnlinie in die Luft jagten. Was wir dabei nicht erkannten, war, daß wir ge­rade, auf Breitleinwand und in Technicolor, Zeugen des letzten Akts der Zerstörung der Wälder von Petra ge­worden waren.
    Der trostlose Anblick der Landschaft rund um Pe­tra versinnbildlicht das, was auch in den übrigen Gebie­ten geschah, die wir als Wiege der westlichen Zivilisati­on bezeichnen. Die heutige Umgebung von Petra wäre ebensowenig in der Lage, eine Stadt zu ernähren, die einst die Haupthandelsrouten beherrschte, wie die Um­gebung von Persepolis die Hauptstadt einer Supermacht wie des einstigen Persischen Reiches ernähren könn­te. Die Ruinen dieser Städte wie auch der von Athen und Rom erinnern als steinerne Zeugen an Staaten, die sich der eigenen Existenzgrundlage beraubten. Es wa­ren aber nicht nur westliche Zivilisationen, die ökolo­gischen Selbstmord begingen. Der Untergang der Zivi­lisation der alten Mayas in Mittelamerika und der Har­appakultur im Industal sind weitere Fälle, in denen ein von der Umwelt nicht mehr verkraftetes Bevölkerungs­wachstum offensichtlich zur Ökokatastrophe führte. Während im Geschichtsunterricht oft von Königen und barbarischen Eindringlingen die Rede ist, dürften Ent­waldung und Erosion im Endeffekt den größeren Ein­fluß auf den Fortgang der Geschichte genommen ha­ben.
    Dies sind nur einige der neueren Entdeckungen, die ein vermeintliches Goldenes Zeitalter des Umweltschut­zes mehr und mehr wie eine Legende anmuten lassen. Ich möchte jetzt auf die anfangs aufgeworfenen umfas­senderen Fragestellungen zurückkommen. Wie lassen sich erstens diese Erkenntnisse über Umweltzerstörung mit Berichten

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