Der dritte Schimpanse
erst so deutlich sind, daß sie jeder begreift, mag es für die Rettung von Arten oder Lebensräumen schon zu spät sein. Vorindustrielle Völker, denen die Erhaltung ihrer Ressourcen mißlang, ist deshalb kein Vorwurf zu machen; vielmehr versagten sie bei der Lösung eines tatsächlich schwierigen ökologischen Problems. Tragisch war dies vor allem deshalb, weil sie sich selbst der Möglichkeit zur Fortsetzung ihrer Lebensweise beraubten.
Zum Sünder wird nur, wer es hätte besser wissen müssen. So gesehen bestehen zwei große Unterschiede zwischen uns und den Anasazi-Indianern des 11. Jahrhunderts – wissenschaftliches Verständnis und die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben. Im Gegensatz zu ihnen sind wir in der Lage, die Größe einer Ressourcenpopulation in Abhängigkeit vom Nutzungstempo darzustellen und über Ökokatastrophen der Vergangenheit nachzulesen. Dennoch geht unsere Generation weiter unbeirrt auf Walfang und rodet tropische Regenwälder, so als wären nie Moas ausgerottet oder Pinien- und Lärchenwälder abgeholzt worden. War die Vergangenheit ein Goldenes Zeitalter der Unwissenheit, so ist die Gegenwart ein Eisernes Zeitalter vorsätzlicher Blindheit.
Aus dieser Sicht ist es gänzlich unverständlich, wie moderne Gesellschaften den selbstmörderischen Umgang mit der Natur mit noch mächtigeren Werkzeugen der Zerstörung in den Händen einer viel größeren Zahl von Menschen fortsetzen. Es ist gerade so, als sei der gleiche Film nicht schon etliche Male in der Geschichte der Menschheit gelaufen und als würden wir sein unweigerliches Ende nicht kennen. Shelleys Gedicht »Ozymandias« weckt die Erinnerung an Persepolis, Tikal und die Osterinsel. Vielleicht wird es eines Tages bei anderen die Erinnerung an die Ruinen unserer eigenen Zivilisation wachrufen.
Ein Mann berichtete aus mythischem Land
Zwei Riesenbeine, rumpflos, steingehauen
Stehn in der Wüste. Nahebei im Sand
Zertrümmert, halbversunken, liegt mit rauhen
Lippen voll Hohn ein Antlitz machtgewöhnt,
Voll Leidenschaften, die bestehn ; es sagt:
Der Bildner, der es prägte, wußte dies,
Wes Herz und Hand sie speiste und verhöhnt.
Und auf dem Sockel eingemeißelt lies:
»Ich bin Ozymandias, Herr der Herrn.
Schaut, was ich schuf, Ihr Mächtigen, und verzagt!«
Nichts bleibt. Um den Verfall her riesengroß
Des mächtigen Steinwracks öd und grenzenlos.
Dehnt sich die leere Wüste nah und fern.*
* Shelley, Percy Busshe : Gedichte. Deutsch von Alexander von Bernus, Walter Schmiele (u. a.), Schneider, Heidelberg 1958.
Kapitel 18
Blitzkrieg und Thanksgiving in der Neuen Welt
In den USA sind zwei Nationalfeiertage, Columbus Day und Thanksgiving Day , der Erinnerung an dramatische Augenblicke bei der »Entdeckung« der Neuen Welt durch Europäer gewidmet. Mit keinem einzigen Feiertag wird hingegen der sehr viel früheren, wirklichen Entdeckung durch Indianer gedacht. Archäologische Funde lassen jedoch darauf schließen, daß jene frühere Entdeckung die Abenteuer des Christoph Kolumbus und der Pilgervä-ter an Dramatik weit übertraf. Innerhalb von vielleicht nicht mehr als tausend Jahren, nachdem ein Weg über eine arktische Eisverbindung gefunden und die heutige Grenze zwischen den USA und Kanada überschritten war, drangen die Indianer bis zur Südspitze Patagoniens vor und besiedelten zwei fruchtbare neue Kontinente. Dieser Vormarsch nach Süden stellte die gewaltigste geo graphische Expansion in der Geschichte des Homo sapiens dar. Nichts auch nur annähernd Vergleichbares kann sich auf unserem Planeten je wiederholen.
Ein trauriges Geschehen begleitete das Vorrücken der Indianer gen Süden. Bei ihrer Ankunft wimmelte es in Amerika von heute ausgestorbenen Großsäugetieren. Es gab elefantenartige Mammute und Mastodonten, bis zu drei Tonnen schwere Bodenfaultiere, gürteltierartige Glyptodonten von bis zu einer Tonne Gewicht, bärengroße Biber und Säbelzahnkatzen sowie amerikanische Löwen, Geparden, Kamele, Pferde und viele andere Arten. Hätten diese überlebt, könnten die Besucher des Yellowstone-Nationalparks heute neben Bären und Büffeln auch Mammute und Löwen bestaunen. Die Frage, was beim Zusammentreffen von Jägern und jenen Wildtieren geschah, ist unter Archäologen und Paläontologen noch immer sehr umstritten. Mir erscheint die Hypothese am plausibelsten, daß es zu einem Blitzkrieg kam, in dessen Verlauf das Wild binnen kurzer Zeit ausgerottet wurde –
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