Der dritte Schimpanse
stießen sie auf riesige, vielstöckige Wohneinheiten (Pueblos) , die unbewohnt inmitten baumloser Wüste standen. Mit 650 Räumen in fünf Stockwerken, einer Länge von 204 Metern und einer Breite von 96 Metern war beispielsweise das Pueblo vom Chaco Canyon National Monument in New Mexico eines der größten in Nordamerika je errichteten Gebäude, das erst Ende des 19. Jahrhunderts von modernen Wolkenkratzern übertroffen wurde. In der Gegend lebende Navajo-Indianer kennen die verschwundenen Baumeister nur noch als »Anasazi«, was soviel heißt wie »die Alten«.
Archäologen fanden später heraus, daß mit dem Bau der Chaco-Pueblos kurz nach 900 n. Chr. begonnen wurde und daß seine Bewohner im 12. Jahrhundert ausgezogen waren. Warum hatten die Anasazi ihre Stadt aber ausgerechnet in diesem Ödland errichtet ? Woher hatten sie Brennholz bzw. die fast fünf Meter langen hölzernen Deckenbalken (200 000 Stück!) genommen? Und warum gaben sie dann auf, was sie mit so großer Mühe erbaut hatten ?
Aus herkömmlicher Sicht war die Aufgabe von Chaco Canyon Folge einer Dürre, was an die Auffassung erinnert, Madagaskars Elefantenvögel und Neuseelands Moas seien aufgrund eines natürlichen Klimawandels ausgestorben. Eine ganz andere Interpretation ergibt sich jedoch aus der Arbeit der Paläobotaniker Julio Betancourt, Thomas Van Devender und ihrer Kollegen, die mit Hilfe einer raffinierten Technik die Veränderungen entschlüsselten, die sich in der Vegetation des Chaco im Laufe der Zeit abgespielt hatten. Den Kern ihrer Untersuchungsmethode bildeten Packratten, kleine Nagetiere, die Pflanzenteile und andere zusammengetragene Substanzen an geschützten Stellen in kleinen Haufen aufbewahren, die gewöhnlich nach 50 oder 100 Jahren aufgegeben werden, unter den klimatischen Bedingungen der Wüste jedoch gut erhalten bleiben. Noch Jahrhunderte später lassen sich die Pflanzen identifizieren und mit Hilfe der Radiokarbonmethode datieren. Dadurch ist jeder Haufen eine Art Zeitkapsel der lokalen Vegetation.
Mit ihrer Methode gelang es Betancourt und Van Devender, folgenden Hergang zu rekonstruieren: Zur Zeit ihrer Errichtung waren die Chaco-Pueblos nicht von karger Wüste umgeben, sondern von aufgelockertem Waldland; auch ein Kiefernwald stand in der Nähe. Diese Entdeckung löste auf einen Schlag das Rätsel der Herkunft von Brenn- und Bauholz und klärte den scheinbaren Widerspruch, daß inmitten einer Wüste eine hochentwickelte Zivilisation entstanden sein sollte. Nach und nach wurden die Waldbestände jedoch abgeholzt, so daß nur baumloses Ödland zurückblieb, wie wir es heute kennen. Die Indianer mußten über 15 Kilometer marschieren, um Brennholz aufzutreiben, und über 40 Kilometer, um Kiefernstämme zu finden. Als die Kiefernwälder ganz abgeschlagen waren, legten sie ein umfangreiches Straßennetz an, um Fichten und Föhren von über 80 Kilometer entfernten Berghängen allein mit Muskelkraft herbeizuschaffen. Die Anasazi hatten zudem Methoden ausgeklügelt, in trockener Umgebung Landwirtschaft zu betreiben, indem sie Bewässerungssysteme anlegten und das vorhandene Wasser in Talböden zusammenführten. Während die Entwaldung zu immer stärkerer Erosion und zunehmendem Oberflä-chenablauf des Wassers führte und die Bewässerungskanäle sich immer tiefer in den Boden gruben, sank der Wasserspiegel schließlich unter die Höhe der Felder, so daß die weitere Bewässerung ohne Pumpen unmöglich wurde. Während also Dürre einen gewissen Beitrag zur Aufgabe des Chaco Canyon durch die Anasazi geleistet haben mag, war eine selbstverursachte Ökokatastrophe mindestens auch ein wichtiger Faktor.
Unser letztes Beispiel für die Zerstörung natürlicher Lebensräume in vorindustrieller Zeit wirft ein Licht auf die geographische Verlagerung der Machtzentren antiker westlicher Zivilisationen. Wie Sie sicher wissen, lag das früheste Zentrum von Macht und Innovation im Nahen Osten, der Ursprungsregion einer großen Zahl entscheidender Neuerungen – Landwirtschaft , Domestikation von Tieren, Schrift, Staatenbildung, Streitwagen usw. Die bedeutendsten Reiche waren die der Assyrer, Babylonier und Perser, zuweilen auch der Ägypter und Türken ; immer jedoch lagen sie im Nahen Osten oder angrenzenden Regionen. Mit dem Sieg Alexanders des Großen über das Persische Reich verlagerte sich die Macht westwärts, erst nach Griechenland, dann nach Rom und später
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