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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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es eine gewisse genetische Basis für die Merkma­le des Lebenszyklus, die sich auch unter Angehörigen der gleichen Spezies unterscheiden. So ist die Aussicht auf eine Zwillingsgeburt für manche Frauen, bedingt durch ihre Erbanlagen, wahrscheinlicher als für andere. Wir wissen auch, daß hohes Alter in manchen Familien gehäuft vorkommt. Charakteristika des Lebenszyklus wirken sich auch auf die Weitergabe unserer Erbanla­gen aus, indem sie unseren Erfolg beim Werben um ei­nen Partner, bei der Empfängnis, bei der Babyaufzucht und beim Überleben als Erwachsener beeinflussen. So wie die natürliche Selektion tendenziell eine Anpassung an ökologische Nischen bewirkt, formt sie auch den Le­benszyklus. Wer die größte Nachkommenschaft hinter­läßt, vererbt seine lebenszyklischen Eigenschaften ebenso wie seine skelettale Beschaffenheit und biochemische Zusammensetzung.
    Ein Problem liegt bei dieser Argumentation darin, daß manche Merkmale, wie das Klimakterium und das Al­tern, die Zahl unserer Nachkommen scheinbar verrin­gern, statt sie zu erhöhen, und deshalb eigentlich nicht das Ergebnis natürlicher Selektion sein dürften. Oft lohnt sich der Versuch, solche scheinbaren Paradoxien im Sinne von Kompromissen zu begreifen. Im Tierreich ist nichts umsonst, und nichts ist einfach nur gut und nützlich. Alles hat Vor- und Nachteile, da es Platz, Zeit oder Energien beansprucht, die auch anders genutzt wer­den könnten. Natürlich denkt man zunächst, daß Frau­en, wenn sie nie in die Wechseljahre kämen, mehr Nach­kommen hinterlassen würden. Doch wir werden sehen, daß die Berücksichtigung der versteckten Kosten eines Verzichts auf das Klimakterium deutlich macht, warum uns die Evolution in dieser Hinsicht so und nicht an­ders werden ließ. Die gleichen Überlegungen erleichtern auch die Beantwortung so heikler Fragen wie der, warum wir altern und sterben und ob wir besser fahren (selbst im engen Sinne der Evolution), wenn wir unse­rem Ehepartner treu bleiben oder wenn wir uns auf Sei­tensprünge einlassen.
    Ich bin bisher davon ausgegangen, daß die spezifisch menschlichen Merkmale im Zusammenhang mit dem Lebenszyklus eine gewisse genetische Basis haben. Was ich in Kapitel 1 über die Funktion von Erbanlagen im allgemeinen sagte, gilt auch hier. So wie unsere Größe und die meisten äußerlichen Merkmale nicht von ein­zelnen Genen herrühren, gibt es sicher auch kein spezi­elles Klimakteriums- oder Monogamie-Gen. In der Tat weiß man nur wenig über die genetische Grundlage le­benszyklischer Charakteristika, wobei allerdings Zucht­experimente mit Mäusen und Schafen zeigten, welchen Einfluß Gene auf die Hodengröße haben. Offenbar sind starke kulturelle Einflüsse am Werk, die unsere Moti­vation zur Kinderaufzucht oder zum außerehelichen Sex beeinflussen, und es gibt keinen Grund anzuneh­men, Erbanlagen würden einen signifikanten Beitrag zu den Unterschieden zwischen einzelnen Individuen lei­sten. Hingegen dürften genetische Unterschiede zwi­schen dem Menschen und den beiden anderen Schim­pansenarten sehr wohl eine Rolle für die regelmäßig be­obachteten Unterschiede zwischen allen menschlichen und allen Schimpansen-Populationen in bezug auf sol­che Merkmale spielen. Unabhängig von allen kulturel­len Praktiken gibt es keine menschliche Gesellschaft , in der die Männer so große Hoden wie Schimpansen ha­ben oder deren weibliche Mitglieder kein Klimakterium kennen. Unter den 1,6 Prozent unserer Gene, in denen wir uns von Schimpansen unterscheiden (und die über­haupt irgendeine Funktion besitzen), dürfte ein erheb­licher Teil für bestimmte Merkmale unseres Lebenszy­klus verantwortlich sein.
    In den fünf Kapiteln von Teil II geht es um die Beson­derheit des menschlichen Lebenszyklus. Kapitel 3 be­schäftigt sich mit typischen Merkmalen der sozialen Or­ganisation und der sexuellen Anatomie, Physiologie und des Sexualverhaltens. Zu den vergleichsweise unüblichen Eigenschaften gehören, wie bereits erwähnt, das Zusam­menleben in Gesellschaften aus nominell monogamen Paaren, die Anatomie unserer Geschlechtsorgane und unsere ständige Bereitschaft zum Geschlechtsverkehr, der in der Regel im Verborgenen stattfindet. Ausdruck fin­det unser Geschlechtsleben nicht nur in der Beschaffen­heit der Geschlechtsorgane, sondern auch im Verhältnis der Körpergröße von Mann und Frau (der Unterschied ist viel geringer als bei Gorillas oder Orang-Utans). Wir werden sehen, daß manche

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