Der dritte Schimpanse
es eine gewisse genetische Basis für die Merkmale des Lebenszyklus, die sich auch unter Angehörigen der gleichen Spezies unterscheiden. So ist die Aussicht auf eine Zwillingsgeburt für manche Frauen, bedingt durch ihre Erbanlagen, wahrscheinlicher als für andere. Wir wissen auch, daß hohes Alter in manchen Familien gehäuft vorkommt. Charakteristika des Lebenszyklus wirken sich auch auf die Weitergabe unserer Erbanlagen aus, indem sie unseren Erfolg beim Werben um einen Partner, bei der Empfängnis, bei der Babyaufzucht und beim Überleben als Erwachsener beeinflussen. So wie die natürliche Selektion tendenziell eine Anpassung an ökologische Nischen bewirkt, formt sie auch den Lebenszyklus. Wer die größte Nachkommenschaft hinterläßt, vererbt seine lebenszyklischen Eigenschaften ebenso wie seine skelettale Beschaffenheit und biochemische Zusammensetzung.
Ein Problem liegt bei dieser Argumentation darin, daß manche Merkmale, wie das Klimakterium und das Altern, die Zahl unserer Nachkommen scheinbar verringern, statt sie zu erhöhen, und deshalb eigentlich nicht das Ergebnis natürlicher Selektion sein dürften. Oft lohnt sich der Versuch, solche scheinbaren Paradoxien im Sinne von Kompromissen zu begreifen. Im Tierreich ist nichts umsonst, und nichts ist einfach nur gut und nützlich. Alles hat Vor- und Nachteile, da es Platz, Zeit oder Energien beansprucht, die auch anders genutzt werden könnten. Natürlich denkt man zunächst, daß Frauen, wenn sie nie in die Wechseljahre kämen, mehr Nachkommen hinterlassen würden. Doch wir werden sehen, daß die Berücksichtigung der versteckten Kosten eines Verzichts auf das Klimakterium deutlich macht, warum uns die Evolution in dieser Hinsicht so und nicht anders werden ließ. Die gleichen Überlegungen erleichtern auch die Beantwortung so heikler Fragen wie der, warum wir altern und sterben und ob wir besser fahren (selbst im engen Sinne der Evolution), wenn wir unserem Ehepartner treu bleiben oder wenn wir uns auf Seitensprünge einlassen.
Ich bin bisher davon ausgegangen, daß die spezifisch menschlichen Merkmale im Zusammenhang mit dem Lebenszyklus eine gewisse genetische Basis haben. Was ich in Kapitel 1 über die Funktion von Erbanlagen im allgemeinen sagte, gilt auch hier. So wie unsere Größe und die meisten äußerlichen Merkmale nicht von einzelnen Genen herrühren, gibt es sicher auch kein spezielles Klimakteriums- oder Monogamie-Gen. In der Tat weiß man nur wenig über die genetische Grundlage lebenszyklischer Charakteristika, wobei allerdings Zuchtexperimente mit Mäusen und Schafen zeigten, welchen Einfluß Gene auf die Hodengröße haben. Offenbar sind starke kulturelle Einflüsse am Werk, die unsere Motivation zur Kinderaufzucht oder zum außerehelichen Sex beeinflussen, und es gibt keinen Grund anzunehmen, Erbanlagen würden einen signifikanten Beitrag zu den Unterschieden zwischen einzelnen Individuen leisten. Hingegen dürften genetische Unterschiede zwischen dem Menschen und den beiden anderen Schimpansenarten sehr wohl eine Rolle für die regelmäßig beobachteten Unterschiede zwischen allen menschlichen und allen Schimpansen-Populationen in bezug auf solche Merkmale spielen. Unabhängig von allen kulturellen Praktiken gibt es keine menschliche Gesellschaft , in der die Männer so große Hoden wie Schimpansen haben oder deren weibliche Mitglieder kein Klimakterium kennen. Unter den 1,6 Prozent unserer Gene, in denen wir uns von Schimpansen unterscheiden (und die überhaupt irgendeine Funktion besitzen), dürfte ein erheblicher Teil für bestimmte Merkmale unseres Lebenszyklus verantwortlich sein.
In den fünf Kapiteln von Teil II geht es um die Besonderheit des menschlichen Lebenszyklus. Kapitel 3 beschäftigt sich mit typischen Merkmalen der sozialen Organisation und der sexuellen Anatomie, Physiologie und des Sexualverhaltens. Zu den vergleichsweise unüblichen Eigenschaften gehören, wie bereits erwähnt, das Zusammenleben in Gesellschaften aus nominell monogamen Paaren, die Anatomie unserer Geschlechtsorgane und unsere ständige Bereitschaft zum Geschlechtsverkehr, der in der Regel im Verborgenen stattfindet. Ausdruck findet unser Geschlechtsleben nicht nur in der Beschaffenheit der Geschlechtsorgane, sondern auch im Verhältnis der Körpergröße von Mann und Frau (der Unterschied ist viel geringer als bei Gorillas oder Orang-Utans). Wir werden sehen, daß manche
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