Der dritte Schimpanse
Klimakteriums parat : ein paradoxerweise durch natürliche Selektion programmiertes Ende der Gebärfähigkeit mit dem Zweck, daß mehr Kinder überleben.
Kapitel 3
Die Evolution der menschlichen Sexualität
Keine Woche vergeht, ohne daß wieder ein Buch über Sexualität erscheint. Unser Interesse an Lektüre zu diesem Thema wird nur von dem Verlangen übertrofFen, selbst zur Tat zu schreiten. Man sollte also meinen, daß die grundlegenden Fakten der menschlichen Sexualität dem Laien vertraut und von der Wissenschaft hinreichend erforscht sind. Testen Sie sich selbst und beantworten Sie die folgenden fünf einfachen Fragen:
Welche der verschiedenen Arten von Menschenaffen einschließlich dem Menschen hat mit Abstand den größten Penis ? Und wozu ?
Warum sind Männer größer als Frauen ? Warum spielt es keine Rolle, daß die Hoden beim Menschen viel kleiner sind als beim Schimpansen ?
Warum ziehen sich Menschen zum Geschlechtsakt zurück, während ihn alle anderen gesellig lebenden Tiere vor den Augen der anderen praktizieren?
Warum gleichen Frauen nicht der überwiegenden Mehrzahl weiblicher Säugetiere darin, daß sie nur an bestimmten Tagen sexuell empfänglich sind und dies auch auf den ersten Blick erkennen lassen?
Haben Sie die erste Frage mit »der Gorilla« beantwortet, dann setzen Sie eine Narrenkappe auf – es muß richtig »der Mensch« heißen. Und falls Sie auf eine der übrigen vier Fragen eine intelligente Antwort parat haben, dann gehen Sie schleunigst hin und veröffentlichen sie – es wird nämlich in der Wissenschaft noch heftig dar-über debattiert.
Die fünf Fragen illustrieren die Schwierigkeit, auch nur die offenkundigsten Merkmale unserer sexuellen Anatomie und Physiologie zu erklären. Ein Teil des Problems hängt sicher mit unseren Komplexen zusammen, wenn es um das Thema Sexualität geht : Bis jüngst wurde es nicht einmal ernsthaft erforscht, und immer noch haben Wissenschaftler Probleme mit der eigenen Objektivität. Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, daß keine kontrollierten Experimente an Menschen über ihre Sexualpraktiken vorgenommen werden können, wie das bei der Cholesterinaufnahme oder beim Zähneputzen ohne weiteres geht. Und schließlich existieren Geschlechtsorgane nicht isoliert von anderen Lebensbereichen, sondern sind an die sozialen Gewohnheiten und den Lebenszyklus ihres Besitzers angepaßt, und die werden wiederum von dessen Gewohnheiten bei der Nahrungsbeschaffung geprägt. Beim Menschen heißt das unter anderem, daß die Evolution der Geschlechtsorgane mit der Entwicklung und dem Gebrauch von Werkzeugen, der Ausbildung eines großen Gehirns und den Praktiken der Kinderaufzucht eng verwoben war. Unsere Menschwerdung hing somit nicht nur von der Umformung von Becken und Schädel ab, sondern auch vom Wandel unserer Sexualität.
Aus der Kenntnis der Ernährungsgewohnheiten einer Tierart können Biologen nicht selten Rückschlüsse auf das Paarungsverhalten und die Geschlechtsanatomie der betreffenden Art ziehen. Um die Gründe für die heutige Form der menschlichen Sexualität zu verstehen, müssen wir deshalb bei der Evolution unserer Ernährungsgewohnheiten und unserer Form des Zusammenlebens beginnen. In den letzten Jahrmillionen wichen wir vom Vegetariertum unserer Affenvorfahren ab und wurden zu sowohl Fleisch- als auch Pflanzenfressern. Dabei blieben unsere Zähne und Pfoten jedoch die von Affen, nicht von Tigern. Unsere Tüchtigkeit als Jä-ger stützte sich ersatzweise auf das große Gehirn : Durch den Gebrauch von Werkzeugen und die Jagd in Gruppen konnten sich unsere Vorfahren trotz ihrer anatomischen Fehlausstattung als Jäger behaupten, wobei sie die erbeutete Nahrung stets miteinander teilten. Auch beim Wurzeln- und Beerensammeln spielten Werkzeuge eine immer wichtigere Rolle, so daß ein größeres Gehirn auch dafür von Nutzen war.
Infolge dieser Entwicklung dauerte es Jahre, bis unser Nachwuchs das Wissen und die Fertigkeiten erworben hatte, um als Jäger und Sammler bestehen zu können, so wie es heute Jahre dauert, bis man Landwirt oder Computer-Programmierer geworden ist. In der langen Zeit nach der Entwöhnung von der Muttermilch sind unsere Kinder noch zu hilflos, um sich selbst Nahrung zu beschaffen. Sie sind völlig darauf angewiesen, von den Eltern versorgt zu werden. All dies erscheint uns absolut natürlich, und die meisten wissen nicht einmal, daß junge
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