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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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grö-ßere Investition als bei Schimpansen oder Orang-Utans. Menschliche Väter tragen somit viel mehr zur Aufzucht ihres Nachwuchses bei als nur das Sperma, auf das sich der väterliche Beitrag eines Orang-Utans beschränkt.
    Auch in weniger auffälligen, jedoch keineswegs irrele­vanten Aspekten unterscheidet sich unser Lebenszyklus von dem wilder Menschenaffen. Viele von uns leben län­ger als die meisten Affen. Selbst bei Stämmen, die ihr Dasein als Jäger und Sammler fristen, gibt es Alte, die als Erfahrungsspeicher und Wissensfundgrube eine höchst wichtige Funktion innehaben. Die Hoden des Mannes sind wesentlich größer als beim Gorilla, aber kleiner als beim Schimpansen, wofür ich die Gründe in Kapitel 3 erläutern werde. Uns erscheinen die Wechsel­jahre der Frau, das Klimakterium, als etwas Unvermeid­liches, und ich werde in Kapitel 7 zeigen, warum sie für Menschen sinnvoll, unter den übrigen Säugetieren aber fast ohnegleichen sind. Die engste Parallele besteht zu einigen Arten winziger, mäuseähnlicher Beuteltiere in Australien, bei denen es allerdings die Männchen sind, die das Klimakterium durchlaufen. Mithin zählten auch Langlebigkeit, Hodengröße und Klimakterium zu den Voraussetzungen der Menschwerdung.
    Wieder andere Merkmale unseres Lebenszyklus un­terscheiden sich weitaus drastischer von dem der Men­schenaffen als unsere Hoden, wobei die Funktion die­ser neuartigen Charakteristika noch heiß umstritten ist. Wir entsprechen sicher nicht der »Norm« im Tier­reich, wenn wir uns zum Geschlechtsverkehr in der Re­gel zurückziehen und ihm dann frönen, wenn wir gera­de Lust haben, statt vor den Augen der anderen und nur dann, wenn die Frau zur Empfängnis bereit ist. Weib­liche Menschenaffen lassen keinen Zweifel aufkommen, wann sie einen Eisprung haben, während Frauen diesen Vorgang sogar vor sich selbst verbergen. Anatomen ver­stehen zwar die Bedeutung der bescheidenen Hodengrö-ße der Männer, haben aber keine Erklärung für die re­lativ enorme Größe des Penis. Was all diese Merkma­le auch immer bedeuten mögen, sind sie doch ebenfalls Elemente dessen, was das Menschsein ausmacht. Ge­wiß können wir uns nur schwer vorstellen, wie Väter und Mütter ihre Kinder in harmonischer Gemeinsam­keit aufziehen sollten, wenn die Frauen einigen Prima­tenweibchen darin glichen, daß sich ihre Genitalien zur Zeit des Eisprungs leuchtend rot verfärbten, sie nur zu diesem Zeitpunkt sexuell empfänglich wären, das Sym­bol ihrer Empfänglichkeit stolz zur Schau stellten und vor aller Augen mit jedem in Reichweite befindlichen Mann sexuell verkehrten.
    Unser gesellschaftliches Zusammenleben und die Kin­deraufzucht basieren also nicht allein auf den in Teil I ge­schilderten Skelettveränderungen, sondern auch auf den bemerkenswerten neuen Merkmalen unseres Lebenszy­klus. Anders als bei den Knochen können wir jedoch die Zeitpunkte solcher Veränderungen im Laufe unse­rer Evolutionsgeschichte nicht zurückverfolgen, da sie keine direkten fossilen Spuren hinterließen. Aus diesem Grunde widmen paläontologische Schriften diesem The­ma trotz seiner Bedeutung nur geringe Aufmerksamkeit. Archäologen entdeckten kürzlich den Zungenknochen eines Neandertalers, einen der wichtigsten Bestandteile unseres Sprechapparates ; von einem Neandertaler-Penis fehlt jedoch bislang jede Spur. Wir wissen nicht, ob der Homo erectus , dessen großes Gehirn durch Funde gut belegt ist, bereits einen Hang zum Geschlechtsverkehr im Verborgenen entwickelte.
    Wir können nicht einmal, wie im Falle der Gehirngrö-ße, mit Hilfe von Fossilien beweisen, daß der menschli­che Lebenszyklus stärker von dem unserer Urahnen ab­weicht als der Lebenszyklus der heute lebenden Men­schenaffen. Vielmehr müssen wir uns damit begnügen, diesen Schluß daraus zu ziehen, daß unser Lebenszy­klus nicht nur im Vergleich zu dem der heutigen Men­schenaffen, sondern auch im Vergleich zu anderen Pri­maten eine seltene Ausnahme darstellt.
    Darwin fand Mitte des 19. Jahrhunderts heraus, daß die Anatomie der Tiere das Ergebnis einer Evolution durch natürliche Selektion (»Zuchtwahl«) darstellt. Bio­chemiker unseres Jahrhunderts verfolgten ganz analog, wie sich durch natürliche Selektion die chemische Be­schaffenheit der Tiere entwickelte. Der gleiche Selekti­onsmechanismus prägt aber auch das Verhalten der Tie­re, insbesondere im Bereich der Fortpflanzung und der sexuellen Gewohnheiten. Wie wir noch sehen werden, gibt

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