Der dritte Schimpanse
Zeugung eines Kindes im Geschlechtsakt, der nicht viel Zeit und Energie in Anspruch nimmt. Biologisch gesehen kann ein Mann am gleichen Tag durchaus mit zwei verschiedenen Frauen ein Kind zeugen. Dagegen besteht der Mindestaufwand für Frauen aus dem Geschlechtsakt plus der Schwangerschaftplus mehrjährigem Stillen (während des größten Teils der Menschheitsgeschichte) – also einem gewaltigen Einsatz an Zeit und Energie. Ein Mann ist deshalb potentiell in der Lage, wesentlich mehr Nachwuchs zu zeugen als eine Frau. Im 19. Jahrhundert berichtete ein Europäer, der eine Woche am Hof des indischen Potentaten, des Nizam von Haiderabat, zubrachte, daß vier seiner Gemahlinnen innerhalb von acht Tagen Kinder gebaren und neun weitere Geburten in der nächsten Woche bevorstanden. Die größte bekannte Kinderzahl eines Mannes in der Geschichte der Menschheit beläuft sich auf 888, gezeugt von dem marokkanischen Herrscher Moulay Ismail dem Blutrünstigen, während die entsprechende Zahl für eine Frau nur 69 beträgt (das schaffte im 19. Jahrhundert eine Moskowiterin, die sich auf Drillinge spezialisiert hatte). Nur wenige Frauen brachten es auf über 20 Kinder, was umgekehrt für Männer in Gesellschaften mit Vielehe nicht selten vorkommt.
Als Folge dieser biologischen Unterschiede bieten Polygamie und AEV Männern viel größere Vorteile als Frauen – sofern die Kinderzahl das einzige ist, was zählt. (Leserinnen, die das Buch nun wütend beiseite legen wollen, und Leser, die in Hurrarufe ausbrechen möchten, seien gewarnt : Lesen Sie weiter, und Sie werden herausfinden, daß es beim AEV noch um viel mehr geht.) Statistiken über AEV sind naturgemäß schwer zu bekommen, nicht jedoch über Polygamie. In der einzigen Gesellschaft mit Vielmännerei oder Polyandrie, über die ich statistische Angaben finden konnte, der Gesellschaft der Treba in Tibet, haben Frauen mit zwei Ehemännern im Durchschnitt weniger Kinder als Frauen mit nur einem Ehemann, nicht etwa mehr. Demgegenüber zogen männliche Mormonen im 19.Jahrhundert in Amerika großen Nutzen aus der Vielweiberei: Während Männer mit nur einer Ehefrau im Durchschnitt sieben Kinder hatten, waren es bei zwei Ehefrauen im Durchschnitt 16 und bei drei Ehefrauen 20 Kinder. Insgesamt hatten polygam lebende Mormonen durchschnittlich 2,5 Frauen und 15 Kinder, mormonische Kirchenführer sogar fünf Frauen und 25 Kinder. Ganz ähnlich ist es beim Stamm der Temne in Sierra Leone, wo die durchschnittliche Kinderzahl von eins auf fünf ansteigt, während die Zahl der Ehefrauen parallel von eins auf fünf wächst.
Die zweite sexuelle Asymmetrie mit einigem Gewicht für die Spielstrategie bezieht sich auf die Gewißheit, tatsächlich biologischer Vater oder Mutter des mutmaßlichen eigenen Sprößlings zu sein. Ein »gehörntes« Tier, das unwissentlich den Nachwuchs eines anderen groß-zieht, hat das Evolutionsspiel verloren, während ein anderer Spieler, das wirkliche Elternteil, als Sieger hervorgeht. Sieht man von vertauschten Babys in Säuglingsstationen ab, können Frauen in dieser Hinsicht nicht betrogen werden : Sie beobachten ja, wie das Baby ihrem Körper entschlüpft. Ähnliches gilt für Männchen bei Tierarten, bei denen die Eibefruchtung außerhalb des weiblichen Körpers erfolgt. Bei manchen Fischarten zum Beispiel schauen die Männchen den Weibchen beim Ablegen der Eier zu, stoßen dann sofort ihr Sperma darüber aus, kehren die so befruchteten Eier zusammen und nehmen sie in ihre Obhut, im sicheren Wissen um die eigene Vaterschaft. Männer und alle männlichen Tiere, bei denen die Eibefruchtung im weiblichen Körper geschieht, sind hingegen leicht zu betrügen. Denn der vermeintliche Vater weiß mit Gewißheit ja nur, daß sein Sperma in die Mutter gelangte und nach einiger Zeit ein Sprößling aus ihr hervorkam. Nur durch Beobachtung der Frau bzw. des Weibchens während der gesamten Fruchtbarkeitsphase ist die Möglichkeit auszuschließen, daß noch anderes männliches Sperma hineingelangte und die eigentliche Befruchtung bewerkstelligte.
Eine ungewöhnliche Antwort gaben die Nayar in Südindien auf diese schlichte Asymmetrie. In ihrer Kultur war es üblich, daß Frauen gleichzeitig oder nacheinander zahlreiche Liebhaber besaßen, weshalb die Ehemänner kein Vertrauen in die eigene Vaterschaft hatten. Um aus ihrem Los das Beste zu machen, lebten die Nayar-Männer nicht mit ihren Frauen zusammen und kümmerten
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