Der dritte Schimpanse
beruht. Da solche Bindungen bei gewöhnlichen und Zwergschimpansen nicht vorkommen, ergibt es keinen Sinn, bei ihnen von Ehebruch zu sprechen. Wir müssen dieses Verhalten neu erfunden haben, nachdem es für unsere schimpansenähnlichen Vorfahren bereits zur Vergangenheit gehörte. Deshalb können wir die menschliche Sexualität und die Rolle, die sie bei unserem Aufstieg aus dem Tierreich spielte, nicht erörtern, ohne uns auch sorgfältig mit der Wissenschaft vom Ehebruch zu beschäftigen.
Die meisten Erkenntnisse, die wir über die Häufigkeit von Ehebruch besitzen, verdanken wir Befragungen und nicht der Bestimmung von Blutgruppen. Seit den vierziger Jahren wurde die Legende, eheliche Untreue käme in den USA selten vor, durch eine große Zahl von Umfragen, allen voran den Kinsey-Report, widerlegt. Doch auch in den angeblich so liberalen neunziger Jahren ist die Haltung zum Ehebruch noch immer sehr zwiespältig. Er gilt als etwas Aufregendes : Kaum eine Unterhaltungsserie im Fernsehen kommt ohne ihn aus. Und es gibt auch nur wenige Themen, die mehr Anlaß zu scherzhaften Bemerkungen geben. Doch wie Freud feststellte, spielt Humor eine wichtige Rolle im Umgang mit Dingen, die uns sehr schmerzen. In der Geschichte der Menschheit war Ehebruch stets eine der Hauptursachen für Mord, Elend und Not. Bei der Behandlung dieses Themas kann man den wissenschaftlichen Ernst sicher nicht ganz bewahren, aber es fällt ebenso schwer, keinen Abscheu vor den sadistischen Institutionen zu empfinden, die von menschlichen Gesellschaften ersonnen wurden, um das »Fremdgehen« unter Kontrolle zu bekommen.
Aus welchen Motiven suchen oder meiden Verheiratete Sex mit fremden Partnern? Da Wissenschaftler für fast alles eine Theorie haben, wundert es nicht, daß auch eine Theorie des außerehelichen Geschlechtsverkehrs (abgekürzt AEV, nicht zu verwechseln mit vorehelichem Geschlechtsverkehr = VEV) erfunden wurde. Für viele Tierarten stellt sich das Problem des AEV überhaupt nicht, da sie keine Ehe praktizieren. So paart sich ein läufiges Berberaffenweibchen promiskuitiv mit jedem erwachsenen Männchen seiner Horde, wobei es im Durchschnitt alle 17 Minuten zum Koitus kommt. Manche Säugetiere und die meisten Vogelarten leben jedoch in »ehelicher Gemeinschaft «. Das bedeutet, Männchen und Weibchen gehen eine dauerhafte Bindung ein, um dem gemeinsamen Nachwuchs Fürsorge und Schutz zu gewähren. Gibt es die Ehe erst einmal, besteht auch die Möglichkeit, dem nachzugehen, was Soziobiologen beschönigend als »kombinierte Fortpflanzungsstrategie« (abgekürzt KFS) bezeichnen. In einfachem Deutsch heißt das nichts anderes, als verheiratet zu sein und fremdzugehen.
Zwischen verschiedenen Tierarten mit einer ehelichen Form des Zusammenlebens gibt es große Unterschiede im Ausmaß, in dem sie mehrere Fortpflanzungsstrategien zugleich verfolgen. Bei den kleinen Menschenaffen, die wir als Gibbons bezeichnen, gibt es äußerst wenige bekannte Fälle von außerehelicher Paarung, während das bei Schneegänsen an der Tagesordnung ist. Menschliche Gesellschaften unterscheiden sich in dieser Beziehung ebenfalls, doch ich vermute, daß keine den treuen Gibbons auch nur nahekommt. Um all diese Unterschiede zu erklären, kamen Soziobiologen auf die Idee, spieltheoretische Überlegungen anzuwenden ; danach ist das Leben ein evolutionärer Wettkampf, bei dem derjenige den Sieg davonträgt, der die meisten Nachkommen hinterläßt.
Die Wettkampfregeln ergeben sich aus den ökologischen Bedingungen und der Fortpflanzungsbiologie jeder Art. Herauszufinden gilt es dann, mit welcher Strategie der Wettkampf am ehesten zu gewinnen ist : mit strenger Treue, purer Promiskuität oder einer Mischung aus beiden. Eines muß ich von Anfang an klarstellen : So nützlich dieser Ansatz für das Verständnis ehelicher Untreue bei Tieren sein mag, so heikel ist die Frage seiner Relevanz für menschliche Seitensprünge, worauf ich noch eingehen werde.
Als erstes erkennt man, daß die optimale Spielstrategie für männliche und weibliche Angehörige derselben Art nicht gleich ist. Der Grund liegt in gewichtigen Unterschieden in der Fortpflanzungsbiologie von Männchen und Weibchen: in der erforderlichen Mindestanstrengung zur Fortpflanzung und in der Gefahr, betrogen zu werden. Betrachten wir diese uns nur allzu geläufigen Unterschiede nun etwas genauer.
Für Männer besteht der Mindestaufwand zur
Weitere Kostenlose Bücher