Der dritte Schimpanse
sich auch nicht um deren Kinder, sondern wohnten bei ihren Schwestern und nahmen sich deren Kinder an. Bei diesen Nichten und Neffen hatten sie wenigstens die Gewißheit, daß sie ein Viertel ihrer Gene teilten.
Mit diesen beiden grundlegenden sexuellen Asymmetrien im Hinterkopf wollen wir nun untersuchen, welche Spielstrategie wohl die beste ist und wann sich AEV auszahlt. Betrachten wir dazu drei Strategien, von denen jede etwas komplexer ist als die davor.
Erste Strategie : Ein Mann sollte stets nach AEV streben, weil er wenig zu verlieren und sehr viel zu gewinnen hat. Vergegenwärtigen wir uns die während der meisten Zeit der menschlichen Evolution in Jäger- und Sammlergesellschaften herrschenden Bedingungen, unter denen eine Frau im Laufe ihres Lebens kaum mehr als vier Kinder aufziehen konnte. Ein einziger Seitensprung ermöglichte es dem ansonsten treuen Gatten, seine Lebensleistung an gezeugtem Nachwuchs von vier auf fünf zu erhöhen, was einer enormen Steigerung um 25 Prozent bei einem Aufwand von nur wenigen Minuten entspricht. Was soll an dieser verblüffend einfachen Logik falsch sein?
Zweite Strategie : Man braucht nicht lange zu überlegen, um einen grundlegenden Fehler an der ersten Strategie zu entdecken, nämlich, daß sie nur die potentiellen Vorteile von AEV für den Mann ins Kalkül zieht, die potentiellen Kosten aber ignoriert. Zu letzteren zählen unter anderem : die Gefahr, vom Ehemann der zur AEV-Partnerin erkorenen Frau ertappt und verletzt oder getötet zu werden; die Gefahr, von der eigenen Frau verlassen zu werden; die Gefahr, während der Suche nach einer AEV-Partnerin von der eigenen Frau betrogen zu werden ; und schließlich die Gefahr der Vernachlässigung der eigenen ehelichen Kinder. Gemäß der zweiten Strategie würde sich der Möchtegern-Casanova wie ein raffinierter Kapitalanleger bemühen, seinen Nutzen zu maximieren und seine Kosten zu minimieren. Was könnte vernünftiger sein?
Dritte Strategie : Wer so dämlich ist und sich mit der zweiten Strategie begnügt, hat offenbar noch nie eine Frau zu AEV oder VEV aufgefordert. Und schlimmer noch, er hat sich noch nie Gedanken über die statistische Seite heterosexueller Geschlechtskontakte gemacht, wonach zu jedem Akt von AEV eines Mannes auch eine Frau gehört, die AEV (oder wenigstens VEV) ausübt. Die erste Strategie macht ebenso wie die zweite den Fehler, weibliche Strategie-Überlegungen zu ignorieren, wodurch jede männliche Strategie zum Scheitern verurteilt ist. Die dritte Strategie muß deshalb die Strategien beider Geschlechter integrieren. Doch was könnte überhaupt für eine Frau an AEV oder VEV attraktiv sein, wo doch ein Ehemann völlig ausreicht, um ihr Fortpflanzungspotential voll auszuschöpfen? Diese Frage bereitet der heutigen Generation theoretischer Soziobiologen mit rein wissenschaftlichem Interesse an AEV großes Kopfzerbrechen, wie sie im übrigen während der gesamten Menschheitsgeschichte eine Herausforderung für den Erfindungsreichtum männlicher Möchtegern-Ehebrecher darstellte.
Bevor wir unsere theoretische Erörterung der dritten Strategie fortsetzen können, benötigen wir genaue Zahlen über AEV. Da Umfragen zu sexuellen Gewohnheiten im Ruf besonderer Unzuverlässigkeit stehen, wenden wir uns zunächst einigen jüngst veröffentlichten Studien an Vögeln zu, die paarweise in großen Kolonien nisten. Ihr Paarungsverhalten ähnelt dem des Menschen stärker als das unserer nächsten Verwandten, der Menschenaffen. Vögel haben zwar den Nachteil gegenüber Menschen, daß man sie nicht nach ihren Motiven befragen kann, aber das ist nicht schlimm, da unsere Antworten ohnehin oft gelogen sind. Der Vorteil von Kolonievögeln liegt für unseren Zweck darin, daß man die Vögel mit Ringen markieren und dann Stunde um Stunde genau beobachten kann, wer was mit wem treibt. Ich weiß von keinen vergleichbaren Informationen für grö-ßere menschliche Populationen.
Wichtige Erkenntnisse über »Ehebruch« bei Vögeln verdanken wir jüngst durchgeführten Beobachtungen an fünf Arten von Reihern, Möwen und Gänsen. Alle nisten in dichten Kolonien aus nominell monogamen Paaren. Ein Vogel allein ist nicht zur Aufzucht eines Jungen in der Lage, da unbewachte Nester Gefahr laufen, während der Futtersuche zerstört zu werden; ein Männchen vermag auch nicht zwei Familien gleichzeitig zu ernähren und zu schützen. Entsprechend gelten für
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