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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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die genannten Vogelarten folgende Grundregeln der sexuellen Strategie : Polygamie ist verboten ; die Kopulation mit einem »al­leinstehenden« Weibchen ergibt nur Sinn, wenn es sich kurze Zeit später mit einem Männchen paart, das für den daraus entspringenden Nachwuchs sorgt ; die heim­liche Befruchtung des Weibchens eines anderen Männ­chens ist jedoch eine mögliche Strategie.
    Die erste Studie galt dem Kanadareiher und dem Sil­berreiher bei Hog Island in Texas. Bei beiden Arten baut das Männchen erst ein Nest und wirbt dann mit Balz­bewegungen und Rufen um vorbeifliegende Weibchen. Nachdem sich zwei Vögel füreinander entschieden ha­ben, kopulieren sie etwa 20mal. Das Weibchen legt dar­aufhin die Eier und verläßt das Nest, um den größten Teil des Tages mit der Futtersuche zu verbringen, wäh­rend das Männchen als Wächter über Nest und Eier zu­rückbleibt. Während der ersten ein bis zwei Tage nach der Paarung wirbt das Männchen um jedes vorbeiflie­gende Weibchen, sowie das eigene Weibchen das Nest verläßt, es kommt aber dabei nicht zu AEV. Vielmehr scheint es sich bei dem halb­untreuen Verhalten des Männchens um eine Absicherung gegen eine mögli­che »Scheidung« zu handeln, so daß eine Ersatzpartne­rin für den Fall da ist, daß das Männchen von seinem Weibchen verlassen wird (das geschieht in bis zu 20 Pro­zent der Fälle). Die vorbeifliegenden »Ersatzweibchen« beantworten die Werbung aus Unwissenheit. Sie befin­den sich auf der Suche nach einem Paarungspartner und erfahren erst, daß das Männchen nicht mehr »ledig« ist, wenn das Weibchen zurückkommt (was in kurzen Ab­ständen geschieht) und sie verscheucht. Nach und nach wächst beim Männchen die Zuversicht, nicht verlassen zu werden, und es stellt die Werbung um vorbeifliegende Weibchen ein.
    In der zweiten Studie, bei der es um Blaureiher in Mississippi ging, hatte ein Verhalten, dessen Zweck viel­leicht ursprünglich in der Absicherung gegen eine mög­liche »Scheidung« bestand, ernstere Folgen. Es wurden 62 Fälle von AEV dokumentiert, meist zwischen einem Weibchen im eigenen Nest und einem Männchen aus ei­nem Nachbarnest, während sich der Partner des Weib­chens auf Futtersuche befand. Die meisten Weibchen widersetzten sich anfangs, aber nicht lange, und am Ende hatten manche mehr AEV als ehelichen Verkehr. Um das Risiko, selbst betrogen zu werden, so gering wie möglich zu halten, blieb das ehebrecherische Männchen bei der Futtersuche nur kurze Zeit vom Nest fort, kehr­te oft zurück, um sein Weibchen zu bewachen, und be­gab sich auf der Suche nach AEV nicht weiter fort als bis zu benachbarten Nestern. In der Regel war der AEV zeitlich so abgepaßt, daß er gerade dann erfolgte, wenn das auserkorene Weibchen noch keine Eier gelegt hat­te und noch befruchtet werden konnte. Außereheliche Kopulationen waren allerdings kürzer als eheliche (acht statt zwölf Sekunden), mit der Konsequenz einer gerin­geren Befruchtungswahrscheinlichkeit ; fast die Hälfte aller Nester, in denen es zu AEV gekommen war, wur­den in der Folge aufgegeben.
    Die Beobachtung von Silbermöwen am Michigansee ergab, daß 35 Prozent der Männchen AEV praktizierten. Dieser Prozentsatz entspricht fast den 32 Prozent aller jungen amerikanischen Ehemänner, die laut einer Ver-öffentlichung der Playboy Press aus dem Jahre 1974 das gleiche tun. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Mö-wen und Menschen liegt allerdings im weiblichen Ver­halten. Während Playboy Press über AEV bei 24 Pro­zent der jungen amerikanischen Ehefrauen berichte­te, wiesen sämtliche »verheirateten« Möwen-Weibchen ehebrecherische Annäherungsversuche glattweg zurück und gaben sich in Abwesenheit des eigenen Männchens niemals dem Männchen im Nachbarnest hin. Vielmehr waren in allen Fällen, in denen Männchen AEV trieben, partnerlose Weibchen beteiligt, die somit VEV prakti­zierten. Zur Verringerung des eigenen Risikos, betro­gen zu werden, widmete sich das Männchen während der Fruchtbarkeitsphasen des Weibchens in stärkerem Maße als sonst dem Verjagen von Störenfrieden. Zu der Frage, wie das Männchen seine Partnerin dazu bewegen konnte, treu zu bleiben, während es selbst auf die Suche nach AEV ging, lautet die Antwort, daß sein Geheim­nis – wie das mancher verheirateter Männer, die eben­falls eine kombinierte Fortpflanzungsstrategie verfol­gen – darin bestand, sein Weibchen stets emsig zu füt­tern und immer dann mit ihm zu kopulieren,

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