Der dritte Schimpanse
Antworten auf Fragen zu den Einstellungen von Befragten zu AEV erwarten. Diese Einstellungen schlagen sich jedoch auch in Gesetzen und Verhaltensweisen nieder. Speziell eine Reihe weitverbreiteter heuchlerischer, oft sadistischer Merkmale von Gesellschaften sind das Ergebnis zweier grundlegender Probleme, vor die sich Männer bei der Suche nach AEV gestellt sehen : Zum einen versucht derjenige, der eine kombinierte Fortpflanzungsstrategie (KFS) verfolgt, zwei Dinge gleichzeitig zu haben : Geschlechtsverkehr mit den Frauen anderer Männer und zugleich eine treue Ehefrau (oder treue Ehefrauen) daheim. Dabei heimsen manche Männer unweigerlich einen Vorteil auf Kosten anderer ein. Zum zweiten gibt es eine realistische biologische Grundlage für die verbreitete männliche Angst, betrogen zu werden, wie wir oben sahen.
Ehebruchgesetze liefern deutliche Beispiele für die von Männern in bezug auf dieses Dilemma ersonnenen Regeln. Bis in die jüngste Vergangenheit zeichneten sich praktisch alle diese Gesetze ungeachtet ihrer Herkunft – ob hebräisch, ägyptisch, römisch, aztekisch, islamisch, afrikanisch, chinesisch oder japanisch – durch ihre Asymmetrie aus. Sie waren allein dazu bestimmt, verheirateten Männern die Gewißheit zu verschaffen, daß ihre vermeintlichen Kinder auch wirklich von ihnen stammten. Folglich ist der Familienstand der beteiligten Frau entscheidend, während dem des Mannes keine Bedeutung beigemessen wird. Beteiligt sich eine Frau an AEV, so gilt das als Verbrechen gegen ihren Ehemann, dem in der Regel Anspruch auf Schadenersatz zusteht (oft in Form brutaler Rache oder durch Scheidung unter Rückgabe des Brautpreises). Dagegen wird der AEV eines verheirateten Mannes nicht als Verbrechen gegen seine Ehefrau gewertet. Vielmehr gilt er, wenn seine Partnerin beim Ehebruch verheiratet ist, als Verbrechen gegen deren Ehemann, und wenn sie unverheiratet ist, als Verbrechen gegen ihren Vater oder ihre Brüder (da ihr Wert als künftige Braut durch die Tat gemindert wird).
Das erste Strafgesetz gegen männliche Untreue wurde erst 1810 in Frankreich erlassen, und es verbot lediglich verheirateten Männern, eine Konkubine gegen den Willen ihrer Ehefrau im gleichen Haus aufzunehmen. Aus menschheitsgeschichtlicher Perspektive sind die modernen Ehebruchgesetze des Westens mit ihrer annähernden Symmetrie eine Neuerung, die erst in den letzten 150 Jahren aufkam. Noch heute behandeln Staatsanwälte, Richter und Jurys in den USA und in England eine Tötung dann als minder schweren Fall von Totschlag (oder sprechen den Angeklagten sogar frei), wenn ein Ehemann seine Frau und deren Liebhaber in flagranti ertappt und umbringt.
Das vielleicht ausgefeilteste System, das völlige Gewißheit über die Vaterschaft schaffen sollte, wurde am Hof der chinesischen Kaiser der Tang-Dynastie erfunden. Für jede der Hunderte von kaiserlichen Ehefrauen und Konkubinen führte eine Schar von Hofdamen Buch über die genauen Daten der Menstruation, so daß der Kaiser genau an dem Tag mit einer bestimmten Frau schlafen konnte, an dem die Wahrscheinlichkeit der Befruchtung am größten war. Diese Tage wurden ebenfalls registriert und den Frauen zusätzlich in den Arm tätowiert und in Form eines Silberrings am linken Bein vermerkt. Es versteht sich von selbst, daß mit der gleichen Gründlichkeit dafür gesorgt wurde, daß kein anderer Mann den Weg in den kaiserlichen Harem fand.
In anderen Kulturen griffen Männer zu weniger komplizierten, aber sogar noch schrecklicheren Mitteln, um ihre Vaterschaft zu gewährleisten. Solche Maßnahmen dienen dazu, den sexuellen Zugang zu Ehefrauen bzw. Töchtern oder Schwestern, die als nachweislich jungfräuliche Ware einen hohen Brautpreis einbringen würden, zu unterbinden. Zu den noch milden Maßnahmen zählt die ständige Beaufsichtigung bis hin zur Quasi-Gefangenhaltung von Frauen. Einem ähnlichen Zweck dient der rund ums Mittelmeer verbreitete Ehrenkodex, dessen Botschaft im Grunde lautet : AEV ist okay für mich, aber nicht für dich ; nur letzterer würde meine Ehre beflecken. Zu den einschneidenderen Maßnahmen gehört die barbarische Verstümmelungspraxis, die irreführend und beschönigend als »Frauenbeschneidung« bezeichnet wird. Dabei wird die Klitoris bzw. der größ-te Teil der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane operativ entfernt, um das Interesse von Frauen an Sexualität, ob ehelich oder außerehelich, zu
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