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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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verringern. Der Wunsch nach totaler Gewißheit brachte Männer dazu, den Genitalienverschluß zu erfinden, das fast vollstän­dige Zusammennähen der Schamlippen, wodurch Ge­schlechtsverkehr unmöglich wird. Der Eingriff kann vor Geburt eines Kindes oder zur erneuten Schwängerung nach dem Abstillen wieder rückgängig gemacht und, zum Beispiel vor längeren Reisen des Ehemannes, jeder­zeit wiederholt werden. Frauenbeschneidung und Geni­talienverschluß werden heute noch in 23 Ländern prak­tiziert, von Afrika über Saudi-Arabien bis Indonesien.
     
MORDE AUS SEXUELLER EIFERSUCHT
IN DETROIT, 1972
Zahl
der
Fälle
Von eifersüchtigen Männern herbeigeführte Morde
eifersüchtiger Mann tötet untreue Frau
16
eifersüchtiger Mann tötet Rivalen
17
eifersüchtiger Mann von beschuldigter
Frau getötet
9
eifersüchtiger Mann von Verwandten der beschuldigten Frau getötet
2
eifersüchtiger Mann tötet untreuen homosexuellen Partner
2
eifersüchtiger Mann tötet versehentlich unbeteiligten Zuschauer
1
47
 
Von eifersüchtigen Frauen herbeigeführte Morde
eifersüchtige Frau tötet untreuen Mann
6
eifersüchtige Frau tötet Rivalin
3
eifersüchtige Frau von beschuldigtem
Mann getöte
2
1
 
Morde insgesamt
58
     
    Wenn Ehebruchgesetze, kaiserliche Besamungsproto­kolle und erzwungene Zurückhaltung nicht ausreichen, um die Vaterschaft zu sichern, ist Mord das letzte Mit­tel. Daß sexuelle Eifersucht einer der häufigsten Grün­de für Totschlag ist, belegen Studien in vielen amerika­nischen Städten und zahlreichen Ländern. Der Mörderist in der Regel der Ehemann, das Opfer seine untreue Gattin oder deren Liebhaber, oder der Liebhaber tötet den Ehemann. Die Tabelle auf dieser Seite enthält An­gaben über 1972 in Detroit verübte Morde. Bevor Staa­ten gegründet wurden, die dann erhabenere Motive für Kriege lieferten, war sexuelle Eifersucht eine der häu­figen Kriegsursachen in der Geschichte der Mensch­heit. Es war die Verführung (Entführung, Vergewalti­gung) der Helena durch den Prinzen Paris, die den Tro­janischen Krieg auslöste. Im Hochland von Neuguinea werden sexuelle Streitigkeiten heutzutage als Anlaß für Kriege nur durch Auseinandersetzungen über den Be­sitz von Schweinen übertroffen.
    Asymmetrische Ehebruchgesetze, die Tätowierung von Frauen nach der Besamung, die Haltung von Frau­en in Quasi-Gefangenschaft, die Verstümmelung weib­licher Geschlechtsorgane – all dies kommt allein beim Menschen vor und ist für ihn nicht weniger charakteri­stisch als die Erfindung des Alphabets. Genauer gesagt handelt es sich um neuere Methoden zur Erreichung des alten Evolutionsziels der Männer, für die Verbreitung ihrer Erbanlagen zu sorgen. Manche der anderen Me­thoden, die wir mit dem gleichen Zweck anwenden, sind uralt und auch bei vielen Tierarten anzutreffen, darun­ter Mord aus Eifersucht, Kindestötung, Vergewaltigung, Krieg und eben Ehebruch. Beim Genitalienverschluß nähen Männer ihrer Frau die Vagina zu; das gleiche Re­sultat erzielen manche Tiere, indem sie nach der Kopu­lation die Vagina zukleistern.
    Die Soziobiologie besitzt heute ein gutes Verständnis der ausgeprägten Unterschiede zwischen einzelnen Tierarten im Hinblick auf die Details dieser Praktiken. Die Ergebnisse neuerer Forschungen brachten Einigkeit darüber, daß Tiere aufgrund der natürlichen Selektion solche Verhaltensmuster und anatomischen Strukturen entwickelten, die zu einer Maximierung der Zahl ihrer Nachkommen beitragen. Nur wenige Wissenschaftler bezweifeln, daß die natürliche Selektion auch die Ana­tomie des Menschen formte. Es hat jedoch bisher keine Theorie so erbitterte Auseinandersetzungen unter heuti­gen Biologen hervorgerufen wie die, daß die natürliche Selektion auch für die Herausbildung unseres Sozialverhaltens verantwortlich sei. Die meisten der in diesem Kapitel erörterten Verhaltensweisen gelten in modernen westlichen Gesellschaften als barbarisch. Manche Bio­logen richten ihre Empörung nicht nur auf solche Ver­haltensweisen selbst, sondern auch auf soziobiologische Erklärungen für ihre Evolution. Denn die »Erklärung« von Verhalten scheint einer Rechtfertigung beunruhi­gend nahezukommen.
    Wie die Atomphysik und überhaupt jedes Wissen bietet auch die Soziobiologie Möglichkeiten zum Miß-brauch. Es hat zwar nie an Vorwänden gefehlt, um die Mißhandlung oder Tötung anderer Menschen zu recht­fertigen, doch seit Darwin seine Evolutionstheorie for­mulierte, wurden auch seine

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