Der dritte Schimpanse
Augenabstand für mich unbewußt immer sehr anziehend war.
Wir neigen also dazu, jemanden zu heiraten, der so ähnlich aussieht wie wir selbst. Aber Moment mal. Sind nicht die Männer, die einer Frau am stärksten ähneln, die mit der Hälfte ihrer Gene, also ihr Vater oder Bruder ? Und ist nicht entsprechend die passendste Partnerin für einen Mann seine Mutter oder Schwester ? Doch die meisten von uns halten sich ja an das Inzesttabu und verzichten auf Ehelichung des Vaters oder Bruders bzw. der Mutter oder Schwester. Worauf ich hinaus will, ist vielmehr, daß wir dazu neigen, jemanden zu heiraten, der so aussieht wie unser Elternteil oder Geschwister vom jeweils anderen Geschlecht.
Der Grund dafür, warum wir unserem Partner tendenziell ähneln, liegt darin, daß viele von uns sich jemanden suchen, der uns an ein Elternteil oder ein Geschwister erinnert, das wiederum Ähnlichkeit mit uns hat. Schon als Kinder beginnen wir, ein Suchbild des künftigen Sexualpartners zu entwickeln, und dieses Bild wird stark von denjenigen Personen des anderen Geschlechts beeinflußt, die wir am häufigsten zu Gesicht bekommen. Das sind für die meisten von uns die Mutter (bzw. der Vater) und die Schwester (bzw. der Bruder) ; hinzukommen enge Freunde aus der Kindheit.
An dieser Stelle begeben Sie sich wahrscheinlich, mit einem Maßband bewaffnet, zu Ihrem Ehegatten oder Partner, um ein krasses Mißverhältnis zwischen Ihren und seinen (bzw. ihren) Ohrläppchen festzustellen. Oder vielleicht haben Sie ein Photo Ihrer Mutter oder Schwester herausgesucht und stellen nicht die geringste Ähnlichkeit fest, wenn Sie es neben Ihre Gattin halten. Womöglich sind Sie kurz davor, das Buch aus dem Fenster zu werfen, weil es ihnen als purer Blödsinn erscheint. Aber bitte lesen Sie weiter, auch wenn Ihre Ehefrau Ihrer Mutter nicht aufs Haar gleicht, und glauben Sie auch bitte nicht, daß Sie wegen ihres krankhaften Suchbilds zum Psychiater gehen müßten. Halten Sie sich stets folgende Punkte vor Augen :
Untersuchungen haben immer wieder ergeben, daß Faktoren wie Religion und Persönlichkeit bei der Gattenwahl eine viel größere Rolle spielen als die körperliche Erscheinung. Ich sage lediglich, daß physische Merkmale einen gewissen Einfluß haben. Ich würde sogar so weit gehen, einen viel höheren Korrelationskoeffizienten für physische Merkmale bei rein sexuellen Bekanntschaften als in Ehen zu prognostizieren. Und zwar deshalb, weil wir reine Sexualpartner ausschließlich nach Kriterien der körperlichen Attraktivität auswählen können, ohne religiöse oder politische Einstellungen zu beachten. Diese Prognose wartet noch darauf, getestet zu werden.
Bedenken Sie auch, daß Ihr Suchbild von mehreren Angehörigen des anderen Geschlechts beeinflußt worden sein kann, die Sie in Ihrer Kindheit regelmä-ßig zu Gesicht bekamen. Dazu gehören Spielkameraden und Geschwister ebenso wie die Eltern. Vielleicht ähnelt Ihre Ehegattin eher dem kleinen Mädchen von nebenan als Ihrer Mutter.
Zu guter Letzt will ich daran erinnern, daß zahlreiche völlig unterschiedliche Körpermerkmale in unser Suchbild eingehen, so daß die meisten Menschen am Ende zwar eine leichte Ähnlichkeit mit ihrem Partner in einer ganzen Reihe von Merkmalen aufweisen, ihm aber nur in wenigen Zügen stark ähneln. Dieser Gedankengang liegt der »Theorie der drallen Rothaarigen« zugrunde. Sind Mutter und Schwester eines Jungen beide drall und rothaarig, so findet der heranwachsende Jüngling diesen Typ später womöglich sehr erregend. Doch Rothaarige sind relativ selten, und dralle Rothaarige noch seltener. Zudem wird die Präferenz eines Mannes selbst in bezug auf reine Sexualpartner wahrscheinlich noch von anderen Körpermerkmalen abhängen, und seine Präferenz für eine Ehepartnerin wird mit Sicherheit auch von deren Ansichten über Kinder, Politik und finanzielle Dinge beeinflußt werden. Aus einer Gruppe von Söhnen draller Rothaariger werden daher nur wenige Glückspilze ein Mädchen finden, daß in beiden Merkmalen der Mutter ähnelt, während sich einige mit einer drallen Nichtrothaarigen und die meisten mit ganz normalen Brünetten begnügen müssen.
Sie können an dieser Stelle einwenden, das Gesagte trä-fe ja nur auf Gesellschaften mit freier Gattenwahl zu. Wie mir indische und chinesische Freunde rasch versicherten, handelt es sich dabei nur um eine sonderbare europäische und amerikanische Sitte des 20.
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