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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Augenabstand für mich unbewußt immer sehr anziehend war.
    Wir neigen also dazu, jemanden zu heiraten, der so ähnlich aussieht wie wir selbst. Aber Moment mal. Sind nicht die Männer, die einer Frau am stärksten ähneln, die mit der Hälfte ihrer Gene, also ihr Vater oder Bru­der ? Und ist nicht entsprechend die passendste Partne­rin für einen Mann seine Mutter oder Schwester ? Doch die meisten von uns halten sich ja an das Inzesttabu und verzichten auf Ehelichung des Vaters oder Bruders bzw. der Mutter oder Schwester. Worauf ich hinaus will, ist vielmehr, daß wir dazu neigen, jemanden zu heiraten, der so aussieht wie unser Elternteil oder Geschwister vom jeweils anderen Geschlecht.
    Der Grund dafür, warum wir unserem Partner ten­denziell ähneln, liegt darin, daß viele von uns sich je­manden suchen, der uns an ein Elternteil oder ein Ge­schwister erinnert, das wiederum Ähnlichkeit mit uns hat. Schon als Kinder beginnen wir, ein Suchbild des künftigen Sexualpartners zu entwickeln, und dieses Bild wird stark von denjenigen Personen des anderen Ge­schlechts beeinflußt, die wir am häufigsten zu Gesicht bekommen. Das sind für die meisten von uns die Mut­ter (bzw. der Vater) und die Schwester (bzw. der Bruder) ; hinzukommen enge Freunde aus der Kindheit.
    An dieser Stelle begeben Sie sich wahrscheinlich, mit einem Maßband bewaffnet, zu Ihrem Ehegatten oder Partner, um ein krasses Mißverhältnis zwischen Ihren und seinen (bzw. ihren) Ohrläppchen festzustellen. Oder vielleicht haben Sie ein Photo Ihrer Mutter oder Schwe­ster herausgesucht und stellen nicht die geringste Ähn­lichkeit fest, wenn Sie es neben Ihre Gattin halten. Wo­möglich sind Sie kurz davor, das Buch aus dem Fenster zu werfen, weil es ihnen als purer Blödsinn erscheint. Aber bitte lesen Sie weiter, auch wenn Ihre Ehefrau Ih­rer Mutter nicht aufs Haar gleicht, und glauben Sie auch bitte nicht, daß Sie wegen ihres krankhaften Suchbilds zum Psychiater gehen müßten. Halten Sie sich stets fol­gende Punkte vor Augen :
Untersuchungen haben immer wieder ergeben, daß Faktoren wie Religion und Persönlichkeit bei der Gatten­wahl eine viel größere Rolle spielen als die körperliche Erscheinung. Ich sage lediglich, daß physische Merkma­le einen gewissen Einfluß haben. Ich würde sogar so weit gehen, einen viel höheren Korrelationskoeffizienten für physische Merkmale bei rein sexuellen Bekanntschaften als in Ehen zu prognostizieren. Und zwar deshalb, weil wir reine Sexualpartner ausschließlich nach Kriterien der körperlichen Attraktivität auswählen können, ohne re­ligiöse oder politische Einstellungen zu beachten. Diese Prognose wartet noch darauf, getestet zu werden.
Bedenken Sie auch, daß Ihr Suchbild von mehre­ren Angehörigen des anderen Geschlechts beeinflußt worden sein kann, die Sie in Ihrer Kindheit regelmä-ßig zu Gesicht bekamen. Dazu gehören Spielkameraden und Geschwister ebenso wie die Eltern. Vielleicht ähnelt Ihre Ehegattin eher dem kleinen Mädchen von nebenan als Ihrer Mutter.
Zu guter Letzt will ich daran erinnern, daß zahl­reiche völlig unterschiedliche Körpermerkmale in un­ser Suchbild eingehen, so daß die meisten Menschen am Ende zwar eine leichte Ähnlichkeit mit ihrem Partner in einer ganzen Reihe von Merkmalen aufweisen, ihm aber nur in wenigen Zügen stark ähneln. Dieser Gedan­kengang liegt der »Theorie der drallen Rothaarigen« zu­grunde. Sind Mutter und Schwester eines Jungen beide drall und rothaarig, so findet der heranwachsende Jüng­ling diesen Typ später womöglich sehr erregend. Doch Rothaarige sind relativ selten, und dralle Rothaarige noch seltener. Zudem wird die Präferenz eines Mannes selbst in bezug auf reine Sexualpartner wahrscheinlich noch von anderen Körpermerkmalen abhängen, und seine Präferenz für eine Ehepartnerin wird mit Sicher­heit auch von deren Ansichten über Kinder, Politik und finanzielle Dinge beeinflußt werden. Aus einer Gruppe von Söhnen draller Rothaariger werden daher nur weni­ge Glückspilze ein Mädchen finden, daß in beiden Merk­malen der Mutter ähnelt, während sich einige mit einer drallen Nichtrothaarigen und die meisten mit ganz nor­malen Brünetten begnügen müssen.

    Sie können an dieser Stelle einwenden, das Gesagte trä-fe ja nur auf Gesellschaften mit freier Gattenwahl zu. Wie mir indische und chinesische Freunde rasch versi­cherten, handelt es sich dabei nur um eine sonderbare europäische und amerikanische Sitte des 20.

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