Der dritte Schimpanse
Marke Violetta di Parma besprüht worden waren, suchten sich nach dem Eintritt ins Erwachsenenalter vorzugsweise ebenfalls parfümierte Männchen als Paarungspartner. In einem anderen Experiment wurden männliche Rattenjunge von Müttern aufgezogen, die an Brustwarzen und Scheide mit Zitrone parfümiert worden waren ; bei Erreichen des Erwachsenenalters wurden die Männchen jeweils zusammen mit einem nach Zitrone duftenden oder parfümierten Weibchen in einen Käfig gesperrt. Jede dieser ersten sexuellen Begegnungen wurde mit der Videokamera gefilmt, beim späteren Bandabspielen notierte man die Dauer bestimmter Schlüsselereignisse. Es stellte sich heraus, daß Männchen mit parfümierter Mutter das Weibchen schneller bestiegen und ejakulierten, wenn sie mit einem parfümierten Weibchen zusammengesperrt waren als mit einem nicht parfümierten, während das Gegenteil für Männchen mit nicht parfü-mierter Mutter zutraf. Söhne parfümierter Mutterratten wurden beispielsweise durch einen parfümierten Sexualpartner so stark erregt, daß sie nach nur elfeinhalb Minuten ejakulierten, während sie bei einem nicht parfümierten Weibchen über 17 Minuten brauchten. Söhne nicht parfümierter Mutterratten benötigten hingegen über 17 Minuten bei einem parfümierten Partner und nur zwölf Minuten bei einem nicht parfümierten Partner. Offenbar hatten es die Männchen gelernt, sich von einem Geruch wie dem der Mutter (oder dessen Fehlen) erregen zu lassen; eine Vererbung lag nicht vor.
Was zeigen uns diese Experimente mit Wachteln, Mäusen und Ratten? Die Botschaft ist eindeutig. Tiere der genannten drei Arten lernen während des Aufwachsens, ihre Eltern und Geschwister zu erkennen, und werden dann so programmiert, daß sie später ein dem Elternteil oder Geschwister des anderen Geschlechts relativ ähnliches Individuum auswählen – nicht aber die Mutter oder Schwester selbst. Mag sein, daß ein allgemeines Suchbild, wie überhaupt eine Ratte aussieht, vererbt wird. Was jedoch im einzelnen eine schöne, als Partner in Betracht kommende Ratte ausmacht, wird offenbar im frühen Stadium erlernt .
Uns ist sogleich klar, welche Experimente den unschlagbaren Beweis dafür liefern würden, daß diese Theorie auch für Menschen zutrifft. Man nehme eine ganz normale, glückliche Familie, besprühe Tag für Tag Vati mit Violetta di Parma und Muttis Brustwarzen während des Stillens mit Zitronenwasser und warte sodann 20 Jahre ab, wen wohl die Söhne und Töchter heiraten werden. Ach, wie schrecklich viele Hindernisse stellen sich doch dem in den Weg, der nur die Wahrheit über den Menschen herausfinden will. Zum Glück können wir uns ihr dank einer Reihe von Beobachtungen und Zufallsexperimenten auf Zehenspitzen nähern.
Betrachten wir das Inzesttabu. Es ist noch umstritten, ob es beim Menschen zum Instinkt gehört oder erlernt wird. In diesem Kapitel geht es aber um etwas anderes. Uns soll nicht näher interessieren, wie wir das Inzesttabu erwerben, sondern ob wir lernen, auf wen es anzuwenden ist, oder ob uns dieses Wissen angeboren ist. In der Regel wachsen wir zusammen mit unseren nächsten Verwandten (Eltern und Geschwister) auf, so daß die spätere Vermeidung dieser Personen als Sexualpartner ebensogut angeboren wie erlernt sein könnte. Adoptivbrüder und -schwestern neigen jedoch ebenfalls zur Vermeidung von Inzestbeziehungen, was auf eine erlernte Haltung schließen läßt.
Bestärkt wird dieser Schluß durch interessante Beobachtungen aus israelischen Kibbuzim – Gemeinschaftssiedlungen, deren zahlreiche Mitglieder zusammen wohnen und ihre Kinder gemeinsam zur Schule schicken und aufziehen. Kibbuzkinder leben von der Geburt an bis ins junge Erwachsenenalter in enger Gemeinschaft , praktisch wie eine Riesenfamilie aus lauter Brüdern und Schwestern. Wären Nähe und Gelegenheit Hauptfaktoren unserer Heiratsentscheidung, müßten die meisten Kibbuzkinder daher innerhalb ihres Kibbuz heiraten. Wie eine Untersuchung über 2769 Ehen von Personen ergab, die in Kibbuzim aufgewachsen waren, wurden davon nur 13 Ehen zwischen Kindern aus dem gleichen Kibbuz geschlossen. Alle anderen heirateten nach Erreichen der Ehefähigkeit außerhalb des eigenen Kibbuz.
Und selbst diese 13 Fälle erwiesen sich als Ausnahmen, die nur die Regel bestätigen : Bei allen handelte es sich um Paare, bei denen ein Partner erst nach dem Alter von sechs Jahren in den Kibbuz gezogen
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