Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
Vom Netzwerk:
Marke Violet­ta di Parma besprüht worden waren, suchten sich nach dem Eintritt ins Erwachsenenalter vorzugsweise eben­falls parfümierte Männchen als Paarungspartner. In ei­nem anderen Experiment wurden männliche Ratten­junge von Müttern aufgezogen, die an Brustwarzen und Scheide mit Zitrone parfümiert worden waren ; bei Er­reichen des Erwachsenenalters wurden die Männchen jeweils zusammen mit einem nach Zitrone duftenden oder parfümierten Weibchen in einen Käfig gesperrt. Jede dieser ersten sexuellen Begegnungen wurde mit der Videokamera gefilmt, beim späteren Bandabspielen no­tierte man die Dauer bestimmter Schlüsselereignisse. Es stellte sich heraus, daß Männchen mit parfümierter Mutter das Weibchen schneller bestiegen und ejakulier­ten, wenn sie mit einem parfümierten Weibchen zusam­mengesperrt waren als mit einem nicht parfümierten, während das Gegenteil für Männchen mit nicht parfü-mierter Mutter zutraf. Söhne parfümierter Mutterrat­ten wurden beispielsweise durch einen parfümierten Se­xualpartner so stark erregt, daß sie nach nur elfeinhalb Minuten ejakulierten, während sie bei einem nicht parfümierten Weibchen über 17 Minuten brauchten. Söhne nicht parfümierter Mutterratten benötigten hingegen über 17 Minuten bei einem parfümierten Partner und nur zwölf Minuten bei einem nicht parfümierten Part­ner. Offenbar hatten es die Männchen gelernt, sich von einem Geruch wie dem der Mutter (oder dessen Fehlen) erregen zu lassen; eine Vererbung lag nicht vor.
    Was zeigen uns diese Experimente mit Wachteln, Mäu­sen und Ratten? Die Botschaft ist eindeutig. Tiere der genannten drei Arten lernen während des Aufwachsens, ihre Eltern und Geschwister zu erkennen, und werden dann so programmiert, daß sie später ein dem Eltern­teil oder Geschwister des anderen Geschlechts relativ ähnliches Individuum auswählen – nicht aber die Mut­ter oder Schwester selbst. Mag sein, daß ein allgemei­nes Suchbild, wie überhaupt eine Ratte aussieht, vererbt wird. Was jedoch im einzelnen eine schöne, als Partner in Betracht kommende Ratte ausmacht, wird offenbar im frühen Stadium erlernt .
    Uns ist sogleich klar, welche Experimente den un­schlagbaren Beweis dafür liefern würden, daß diese Theorie auch für Menschen zutrifft. Man nehme eine ganz normale, glückliche Familie, besprühe Tag für Tag Vati mit Violetta di Parma und Muttis Brustwar­zen während des Stillens mit Zitronenwasser und war­te sodann 20 Jahre ab, wen wohl die Söhne und Töchter heiraten werden. Ach, wie schrecklich viele Hindernisse stellen sich doch dem in den Weg, der nur die Wahrheit über den Menschen herausfinden will. Zum Glück kön­nen wir uns ihr dank einer Reihe von Beobachtungen und Zufallsexperimenten auf Zehenspitzen nähern.
    Betrachten wir das Inzesttabu. Es ist noch umstritten, ob es beim Menschen zum Instinkt gehört oder erlernt wird. In diesem Kapitel geht es aber um etwas anderes. Uns soll nicht näher interessieren, wie wir das Inzest­tabu erwerben, sondern ob wir lernen, auf wen es an­zuwenden ist, oder ob uns dieses Wissen angeboren ist. In der Regel wachsen wir zusammen mit unseren näch­sten Verwandten (Eltern und Geschwister) auf, so daß die spätere Vermeidung dieser Personen als Sexualpart­ner ebensogut angeboren wie erlernt sein könnte. Adop­tivbrüder und -schwestern neigen jedoch ebenfalls zur Vermeidung von Inzestbeziehungen, was auf eine erlern­te Haltung schließen läßt.
    Bestärkt wird dieser Schluß durch interessante Beob­achtungen aus israelischen Kibbuzim – Gemeinschafts­siedlungen, deren zahlreiche Mitglieder zusammen woh­nen und ihre Kinder gemeinsam zur Schule schicken und aufziehen. Kibbuzkinder leben von der Geburt an bis ins junge Erwachsenenalter in enger Gemeinschaft , praktisch wie eine Riesenfamilie aus lauter Brüdern und Schwestern. Wären Nähe und Gelegenheit Hauptfakto­ren unserer Heiratsentscheidung, müßten die meisten Kibbuzkinder daher innerhalb ihres Kibbuz heiraten. Wie eine Untersuchung über 2769 Ehen von Personen ergab, die in Kibbuzim aufgewachsen waren, wurden davon nur 13 Ehen zwischen Kindern aus dem gleichen Kibbuz geschlossen. Alle anderen heirateten nach Errei­chen der Ehefähigkeit außerhalb des eigenen Kibbuz.
    Und selbst diese 13 Fälle erwiesen sich als Ausnah­men, die nur die Regel bestätigen : Bei allen handelte es sich um Paare, bei denen ein Partner erst nach dem Al­ter von sechs Jahren in den Kibbuz gezogen

Weitere Kostenlose Bücher