Der dritte Schimpanse
unser Paarungsverhalten, das ja im Idealfall auf dauerhaften Zweierbeziehungen beruht, eine Erfindung des Menschen. Zwergschimpansen führen uns das Gegenteil sexueller Selektivität vor Augen : Weibchen paaren sich der Reihe nach mit zahlreichen Männchen, und zudem kommt es häufig zu sexuellen Handlungen zwischen Weibchen sowie zwischen Männchen. Gewöhnliche Schimpansen sind nicht ganz so promiskuitiv – Beziehungen können schon mal ein paar Tage dauern –, doch nach menschlichen Maßstä-ben müssen sie allemal als promiskuitiv gelten. Im Gegensatz dazu sind wir sexuell viel wählerischer, da das Aufziehen eines Kindes ohne Mitwirkung des Vaters eine sehr schwere Aufgabe ist (wenigstens für Jäger und Sammler) und weil Sexualität zu einem Bestandteil des Zusammenhalts wird, durch den sich Elternpaare von anderen Männern und Frauen ihrer näheren Umgebung unterscheiden. Eigentlich ist die Partnerwahl weniger eine menschliche Erfindung als die Wiedererfindung einer Praxis vieler anderer (nominell) monogamer Tiere mit dauerhaften Paarbeziehungen, die bei unseren schimpansenähnlichen Vorfahren verlorenging. Zu diesen wählerischen Tieren zählen viele Vogelarten sowie unser entfernter Verwandter unter den Menschenaffen,
der Gibbon.
In Kapitel 4 sahen wir, daß die Idealform menschlicher Gesellschaften, bestehend aus lauter monogamen Paaren, mit einem nicht geringen Maß an außerehelichem Sex koexistieren muß. Auch das letztere Verhalten beinhaltet die Wahl von Sexualpartnern, wobei ehebrechende Frauen in der Regel wählerischer sind als ehebrechende Männer. Die Wahl von Gatten und Sexualpartnern ist somit ein weiteres wichtiges Element des Menschseins, das nicht minder eng mit unserem Aufstieg vom Schimpansenstatus verbunden ist als die so ausführlich beschriebene Veränderung des Beckenknochens. Im nächsten Kapitel werden wir erfahren, daß unser wählerisches Verhalten im Sexualbereich vielleicht ausschlaggebend war für die Entstehung der meisten äußerlichen Unterschiede zwischen heute lebenden Menschengruppen. Das bedeutet, daß die meisten der Unterschiede im Aussehen, die wir als rassische Merkmale wahrnehmen, möglicherweise als Nebenprodukt der Schönheitsmaßstäbe entstanden, die wir unserer sexuellen Partnerwahl zugrunde legen.
Abgesehen von theoretischem Interesse ist die Frage unserer Partnerwahl von großem persönlichen Gewicht. Sie beschäftigt die meisten Menschen während eines großen Teils ihres Lebens. Wer noch ungebunden ist, verbringt täglich Stunden mit Träumereien darüber, mit wem er wohl eine Beziehung oder Ehe eingehen könnte. Noch interessanter wird es, wenn wir den Geschmack unterschiedlicher Angehöriger derselben Kultur vergleichen. Denken Sie einmal an die Männer bzw. Frauen, die Sie sexuell attraktiv finden. Wenn Sie ein Mann sind, mögen Sie dann beispielsweise lieber Blondinen oder Brünette, flachbrüstige oder dralle Frauen, groß- oder kleinäugige ? Und wenn Sie eine Frau sind, gefallen Ihnen bärtige Männer besser oder glattrasierte, große oder kleine, Lächelnde oder finster dreinblickende ? Es dürfte Ihnen jedenfalls nicht einerlei sein, und bestimmt fühlen Sie sich nur von bestimmten Typen angezogen. Fast jeder von uns kennt jemanden, der sich nach einer Scheidung als neuen Ehepartner ein genaues Abbild des ersten suchte. Ein Kollege von mir probierte es mit einer ganzen Reihe schlanker, braunhaariger, rundgesichtiger Freundinnen, bis er schließlich die eine fand, mit der er sich verstand und die ihn heiratete. Wie Ihr persönlicher Geschmack auch sein mag, Sie haben sicher schon bemerkt, daß manche Ihrer Freunde ihn ganz und gar nicht teilen.
Das Idealbild, dem jeder von uns nachstrebt, ist ein Beispiel für ein »Suchbild« (ein geistiges Bild, mit dem wir Objekte und Personen in unserer Umgebung vergleichen, um etwas rasch zu erkennen, zum Beispiel eine Perrier-Flasche zwischen all den anderen Sorten Mineralwasser im Supermarkt oder das eigene Kind inmitten all der anderen auf dem Spielplatz). Auf welche Weise entwickelt sich das individuelle Partner-Suchbild? Halten wir Ausschau nach jemandem mit vertrautem, uns ähnelndem Aussehen, oder begeistert uns eher das Exotische? Würden die meisten europäischen Männer wirklich eine Polynesierin heiraten, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten? Suchen wir jemanden, der uns ergänzt, so daß unsere Bedürfnisse ganz erfüllt werden?
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