Der dritte Schimpanse
noch stärker als +0,2 – zum Beispiel verblüffende +0,61 für die Länge des Mittelfingers. Zumindest unbewußt hat die Länge des Mittelfingers also größere Bedeutung für die Partnerwahl als die Haarfarbe oder Intelligenz !
Tendenziell heiraten also Partner mit ähnlichen Merkmalen, getreu der Regel : Gleich und gleich gesellt sich gern. Eine naheliegende Erklärung hierfür lautet, daß viele von uns in Wohngebieten leben, die durch den sozioökonomischen Status, die Religion und die ethnische Zugehörigkeit ihrer Bewohner bestimmt sind. So gliedern sich zum Beispiel amerikanische Großstädte meist recht deutlich in reiche und arme Gegenden, in jüdische, chinesische, italienische und schwarze Viertel und so weiter. Mitglieder der gleichen Religionsgemeinschaft treffen sich beim Kirchgang, und bei vielen Alltagsaktivitäten kommen wir mit Menschen mit gleichem sozioökonomischen Status und ähnlichen politischen Ansichten zusammen. Da wir somit viel öfter Gelegenheit haben, Menschen zu treffen, die uns in dieser Hinsicht ähneln, als solche, die sich von uns unterscheiden, ist natürlich auch die Wahrscheinlichkeit größer, daß wir jemanden mit gleicher Religion, sozioökonomischer Stellung und so weiter heiraten. Doch die gleiche Ohrläppchenlänge tritt zum Beispiel nicht räumlich gehäuft auf, so daß es noch eine andere Erklärung dafür geben muß, daß sich Ehepartner auch in dieser Hinsicht ähneln.
Ein weiterer naheliegender Grund, warum sich tendenziell Personen mit ähnlichen Merkmalen heiraten, ist der, daß bei der Eheschließung nicht bloß ein Partner seine Wahl trifft, sondern daß ein Einigungsprozeß vorausgeht. Wir gehen nicht auf die Suche, bis wir jemanden mit der richtigen Augenfarbe und Mittelfingerlänge gefunden haben, und erklären dann: »Du heiratest mich.« Für die meisten folgt die Ehe auf einen Antrag und nicht auf eine einseitige Verkündung ; der Antrag stellt wiederum das Ergebnis irgendeiner Form von Verhandlung dar. Je mehr sich ein Mann und eine Frau in ihren politischen Ansichten, ihrer Religion und ihren Charakterzügen ähneln, desto reibungsloser läuft diese Verhandlung ab. Deshalb ist die Entsprechung der Persönlichkeitsmerkmale auch im Durchschnitt bei verheirateten Paaren größer als bei frischgebackenen, bei glücklich Verheirateten größer als bei unglücklich Verheirateten und bei erfolgreichen Ehen größer als bei geschiedenen. Aber das erklärt immer noch nicht die Ähnlichkeit von Ehepartnern in puncto Ohrläppchenlänge, die höchst selten als Scheidungsgrund angeführt wird.
Es bleibt als Faktor, der die Heiratsentscheidung beeinflußt, neben räumlicher Häufung und reibungsloser Einigung also die sexuelle Attraktivität aufgrund der körperlichen Erscheinung. Das kann an sich nicht überraschen. Die meisten von uns sind sich ihrer Vorliebe bei sichtbaren Merkmalen wie Größe, Figur und Haarfarbe wohl bewußt. Was zunächst verblüfft , ist die Bedeutung so zahlreicher anderer Körpermerkmale, die wir gewöhnlich gar nicht bewußt wahrnehmen, wie Ohrläppchen, Mittelfinger und Augenabstand. Trotzdem tragen all diese Merkmale unbewußt zu der Entscheidung bei, die wir blitzschnell treffen, wenn wir jemanden kennenlernen und eine innere Stimme uns sagt: »Das ist mein Typ !«
Hier ist ein Beispiel. Als meine Frau und ich uns kennenlernten, fand ich Marie sofort attraktiv und sie mich auch. Im nachhinein kann ich auch verstehen, warum : Wir haben beide braune Augen, sind etwa gleich groß, von ähnlicher Statur, haben die gleiche Haarfarbe und so weiter. Andererseits hatte ich aber das Gefühl, daß etwas an Marie nicht ganz meiner Idealvorstellung entsprach, fand aber nicht heraus, was es genau war. Jedenfalls nicht vor unserem ersten gemeinsamen Ballettbesuch. Ich lieh Marie mein Opernglas, und als sie es mir zurückgab, fiel mir auf, daß sie die beiden Okulare so weit zusammengedrückt hatte, daß ich nicht hindurchsehen konnte, bevor ich sie wieder auseinandergeschoben hatte. Daran erkannte ich, daß Marie einen im Vergleich zu mir engeren Augenabstand hat und daß die meisten Frauen, mit denen ich vorher zusammen war, einen ähnlich großen Augenabstand hatten wie ich. Dank Maries Ohrläppchen und anderer Vorzüge konnte ich darüber hinwegkommen, daß wir in dieser Hinsicht nicht zusammenpassen. Doch die Episode mit dem Opernglas machte mir erstmals klar, daß ein großer
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