Der dritte Schimpanse
beidenen menschliche Gesellschaften ihre Umwelt zerstörten, sollten wir nutzen, um daraus zu lernen.
Das Buch endet mit einem Epilog, der die Fährte unseres Aufstiegs aus dem Tierreich zurückverfolgt und die immer rasantere Entwicklung der Mittel darstellt, die uns zum Verhängnis zu werden drohen. Ich hätte dieses Buch nicht geschrieben, wenn ich die Gefahr für gering hielte, aber ich hätte es auch nicht geschrieben, wenn die Menschheit für mich bereits verloren wäre. Für den Fall, daß mancher Leser wegen des Verhaltens der Menschen in der Vergangenheit und wegen der heutigen Lage so entmutigt sein sollte, daß ihm diese Botschaft entgeht, mache ich auf ein paar Hoffnungszeichen aufmerksam und auf die Wege, wie wir aus der Vergangenheit lernen können.
TEIL I
Nur eine Säugetierart wie andere
Wann, warum und auf welche Weise der Mensch begann, mehr zu sein als nur eine Säugetierart unter vielen – dafür gibt es drei Kategorien von Belegen. Teil I dieses Buches beschäftigt sich mit den traditionellen Erkenntnissen der Archäologie, also der Untersuchung von erhaltenen Skeletten und Werkzeugen, sowie mit neueren Erkenntnissen der Molekularbiologie.
Eine grundlegende Frage betrifft den genetischen Abstand zwischen Mensch und Schimpanse : Unterscheiden wir uns in 10, 50 oder gar 99 Prozent unserer genetischen Anlagen ? Die bloße Betrachtung und das Addieren sichtbarer gleicher Merkmale helfen nicht weiter, da viele genetische Veränderungen überhaupt keinen sichtbaren Ausdruck finden, während andere überwältigende Folgen haben. So unterscheiden sich Hunderassen wie dänische Dogge und Pekinese im Aussehen viel stärker voneinander als Mensch und Schimpanse. Dennoch können sich alle Hunderassen untereinander fortpflanzen (sofern anatomisch möglich) und gehören zur gleichen Art. Bei bloßer Betrachtung wäre man sicher zu dem Schluß gekommen, der genetische Abstand zwischen dänischer Dogge und Pekinese sei viel größer als der zwischen Mensch und Schimpanse. Die mit dem Auge wahrnehmbaren Unterschiede zwischen verschiedenen Hunderassen, also Größe, Körperbau und Färbung des Fells, werden durch eine relativ kleine Zahl von Genen verursacht, die praktisch ohne Folgen für das Fortpflanzungsverhalten sind.
Wie läßt sich aber sonst unser genetischer Abstand vom Schimpansen bestimmen ? Dieses Problem konnte erst vor wenigen Jahren von der Molekularbiologie gelöst werden. Die Antwort ist nicht nur überraschend, sondern sie hat womöglich auch praktische ethische Folgen für die künftige Behandlung des Schimpansen durch den Menschen. Wir werden sehen, daß die genetischen Unterschiede zwischen uns und den Schimpansen, wenngleich sie groß sind im Verhältnis zu den Unterschieden zwischen menschlichen Populationen oder Hunderassen, im Vergleich zu den Unterschieden zwischen vielen anderen verwandten Arten immer noch sehr klein sind. Offenbar hatten Veränderungen an nur einem geringen Prozentsatz der Schimpansengene enorme Folgen für unser Verhalten. Es konnte außerdem ein Zusammenhang zwischen genetischem Abstand und verstrichener Zeit hergestellt werden, so daß jetzt annä-hernd feststeht, daß Mensch und Schimpanse sich vor sieben Millionen Jahren (plus minus einige Millionen) von ihrem gemeinsamen Ahnen auf jeweils getrennten Wegen fortentwickelten.
Diese Erkenntnisse der Molekularbiologie geben uns zwar Auskunft über den genetischen Abstand und die verstrichene Zeit, sie sagen jedoch nichts darüber, worin wir uns im einzelnen von Schimpansen unterscheiden und wann es zu diesen Unterschieden kam. Deshalb wollen wir fragen, was man noch aus den Skeletten und Werkzeugen jener Geschöpfe lernen kann, welche die verschiedenen Stufen zwischen unseren affenähnlichen Vorfahren und dem modernen Menschen markieren. Von besonderer Bedeutung waren dabei die Zunahme unseres Hirnvolumens, Skelettveränderungen in Verbindung mit dem aufrechten Gang und eine Verringerung der Schädeldicke, Zahngröße und Kiefermuskulatur.
Die Größe unseres Gehirns war sicher eine Voraussetzung für die Entwicklung der Sprache und der Innovationsfähigkeit. Man könnte deshalb erwarten, daß die Skelettfunde eine enge Parallele zwischen der Zunahme des Hirnvolumens und der Verfeinerung der Werkzeuge zeigen würden. Das war jedoch zur großen Überraschung der Evolutionsforscher nicht der Fall. Auch nachdem das Gehirnwachstum bereits
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