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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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dunkelhäutig sind. Dies wi­derlegt an sich noch nicht die Aussage, die natürliche Se­lektion habe auf irgendeine Weise zur Evolution dunk­ler Haut unter sonnigen Klimabedingungen geführt. Schließlich könnte eine dunkle Hautfarbe eine Vielzahl von Vorteilen besitzen, die von der Wissenschaft noch im einzelnen zu klären wären. Das schwerwiegendste Argument gegen eine auf natürlicher Selektion beruhen­de Theorie ist vielmehr die Tatsache, daß der Zusam­menhang zwischen dunkler Haut und sonnigem Klima höchst unvollkommen ist. So gibt es Gebiete mit relativ wenig Sonnenschein, aber sehr dunkelhäutigen Bewoh­nern, zum Beispiel Tasmanien, während die Bewohner sonniger tropischer Regionen in Südostasien nur eine mittlere Hautfarbe aufweisen. Kein Indianer hat eine schwarze Haut, nicht einmal in den sonnigsten Teilen der Neuen Welt. Berücksichtigt man zusätzlich den Fak­tor Bewölkung, so zählen zu den lichtärmsten Gebieten der Erde mit im Durchschnitt weniger als dreieinhalb Stunden Sonnenlicht pro Tag sowohl Teile von Äquato­rial-Westafrika, Südchina als auch Skandinavien, und dort sind jeweils die schwärzesten, gelbsten und hellhäu­tigsten Völker der Erde beheimatet! Auf den Salomonin­seln, auf denen überall das gleiche Klima herrscht, le­ben in kurzem räumlichen Abstand voneinander pech­schwarze und hellhäutigere Menschen. All dies zeigt deutlich, daß das Sonnenlicht nicht der einzige Selekti­onsfaktor gewesen sein kann, der über unsere Hautfar­be entschied.
    Diese Einwände erwidern Anthropologen gleich mit einem Gegeneinwand: dem Zeitfaktor. Mit ihm versu­chen sie wegzuerklären, warum in den Tropen auch hell­häutige Völker leben – sie seien dort vor zu kurzer Zeit eingewandert, um schon eine schwarze Haut zu entwickeln. So erreichten die Vorfahren der Indianer die Neue Welt vermutlich erst vor 11 000 Jahren (Kapitel 18), was ihnen nicht genug Zeit gelassen haben mag, um im tro­pischen Mittel- und Südamerika dunkelhäutig zu wer­den. Doch wer sich auf den Zeitfaktor beruft, um die Einwände gegen die Klimatheorie der Hautfarbe vom Tisch zu wischen, muß ihn auch für Völker gelten las­sen, die diese Theorie angeblich untermauern.
    Zu den Hauptstützen der Klimatheorie zählen die hellhäutigen Bewohner des kalten, dunklen, nebligen Skandinavien. Leider wohnen die Skandinavier in ihrer jetzigen Heimat erst seit kürzerer Zeit als die Indianer am Amazonas. Bis vor rund 9000 Jahren war Skandi­navien von Eis bedeckt und als Lebensraum für Men­schen gleich welcher Hautfarbe deshalb ungeeignet. Die heutigen Bewohner trafen erst vor rund 4000 oder 5000 Jahren in Skandinavien ein, und zwar im Zuge des Vor­stoßes bäuerlicher Völker aus dem Nahen Osten und Sprechern indogermanischer Sprachen aus Südrußland. Entweder erwarben die Skandinavier ihre helle Hautfar­be also viel früher in einem Gebiet mit ganz anderem Klima, oder sie erwarben sie in Skandinavien innerhalb der Hälfte der Zeit, welche die Indianer am Amazonas verbrachten, ohne daß sie eine dunkle Haut bekamen.
    Das einzige Volk der Erde, von dem wir sicher wissen, daß es während der letzten 10 000 Jahre am gleichen Ort lebte, waren die Ureinwohner Tasmaniens. Diese südlich von Australien in den gemäßigten Breiten auf vergleich­barer Höhe wie Chicago oder Wladiwostok gelegene In­sel war einst mit dem australischen Festland verbunden, bis ein Anstieg des Meeresspiegels vor 10 000 Jahren die Verbindung abschnitt und Tasmanien eine Insel wurde. Da die Einheimischen zur Zeit der Ankunft der Euro­päer keine Boote besaßen, mit denen sie sich weiter als einige Kilometer aufs Meer hinauswagen konnten, wis­sen wir, daß sie die Nachfahren von Siedlern waren, die zu Fuß nach Tasmanien gekommen waren, als die Ver­bindung zu Australien noch bestand, und dort ununter­brochen lebten, bis sie von den britischen Kolonisten im 19. Jahrhundert ausgerottet wurden. Wenn je ein Volk der natürlichen Selektion genügend Zeit ließ, um sei­ne Hautfarbe an die örtlichen Klimaverhältnisse anzu­passen, dann waren es die Tasmanier. Ihre Haut war je­doch schwärzlich, also vermeintlich an den Äquator an­gepaßt.
    Wenn es schon bei der Hautfarbe schwierig ist, die na­türliche Selektion zur Erklärung heranzuziehen, so ist es bei der Haar- und Augenfarbe praktisch unmöglich. Es gibt keine konsistente Korrelation mit dem Klima und keine auch nur halbwegs plausiblen Theorien über die angeblichen Vorteile, die

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