Der dritte Schimpanse
jeder Farbtyp bietet. Blondes Haar ist im kalten, feuchten, lichtarmen Skandinavien ebenso verbreitet wie bei den Aborigines der heißen, trockenen, sonnigen Wüste im Inneren Australiens. Was haben diese beiden Gebiete aber gemeinsam, und wie erleichtert wohl das Blondsein sowohl den Schweden als auch den Aborigines das Überleben ? Helfen Sommersprossen und rotes Haar den Iren beim Koboldfangen? Blaue Augen sind in Skandinavien die Regel, und angeblich erhöhen sie die Sichtweite bei trübem, schwachem Licht, aber das ist eine unbewiesene Spekulation ; jedenfalls können meine Freunde und Bekannten in den noch lichtärmeren, nebligeren Bergen Neuguineas mit ihren dunklen Augen ganz ausreichend sehen.
Vollends absurd wird es, wenn man versucht, mit der natürlichen Selektion rassische Unterschiede in der Form der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale zu erklären. Stellen kugelförmige Brüste nun eine Anpassung an Regen im Sommer und kegelförmige Brü-ste an Nebel im Winter dar oder umgekehrt ? Werden die Frauen der Buschmänner durch ihre vorstehenden Unterlippen vor angreifenden Löwen geschützt, oder wird so ihr Wasserverlust in der Kalahari-Wüste gesenkt ? Sie denken doch sicher nicht, daß Männer mit behaarter Brust in der Arktis mit freiem Oberkörper umherwandern und trotzdem warm bleiben können, oder etwa doch ? Wenn ja, erklären Sie bitte, warum Frauen nicht ebenfalls behaarte Brüste haben – oder müssen sie nicht warm bleiben ?
Einsichten wie diese brachten Darwin an den Rand der Verzweiflung, als er sich bemühte, rassische Unterschiede mit seinem Konzept der natürlichen Selektion in Einklang zu bringen. Schließlich verwarf er diesen Ansatz, indem er kurz und bündig feststellte : »Kein einziger der äußerlichen Unterschiede zwischen den Rassen des Menschen ist für ihn von direktem oder speziellem Nutzen.« In Darwins später vorgetragener Theorie zu diesem Thema sprach er von »sexueller Selektion« im Unterschied zu natürlicher Selektion ; ihr widmete er ein ganzes Buch.
Der Grundgedanke seiner neuen Theorie ist leicht zu erfassen. Darwin beobachtete zahlreiche Merkmale bei Tieren, die keinen erkennbaren Wert für das Überleben hatten, aber bei der Partnersuche klar von Bedeutung waren, entweder durch Anlockung von Mitgliedern des anderen Geschlechts oder durch Einschüchterung von gleichgeschlechtlichen Rivalen. Bekannte Beispiele sind das Schwanzgefieder der Pfauen, die Mähnen der Löwen und die leuchtend roten Hinterteile brünstiger Pavian-Weibchen. Ist ein Männchen beim Anlocken von Weibchen oder beim Einschüchtern männlicher Rivalen besonders erfolgreich, so hinterläßt es eine größere Zahl von Nachkommen, an die es seine genetischen Anlagen und Körpermerkmale vererbt – als Ergebnis sexueller, nicht natürlicher Selektion. Das gleiche gilt für weibliche Merkmale.
Damit die sexuelle Selektion funktionieren kann, muß die Evolution zwei Veränderungen simultan hervorrufen : Ein Geschlecht muß ein neues Merkmal ausbilden, und das jeweils andere muß Gefallen daran finden. Pavian-Weibchen könnten es sich kaum leisten, ihre roten Hinterteile emporzurecken, wenn der Anblick Pavian-Männchen bis zur Impotenz abstoßen würde. Solange das Weibchen ein Merkmal trägt und das Männchen Gefallen daran findet, können durch sexuelle Selektion beliebige Merkmale entstehen, wobei überlebenswichtige Funktionen natürlich nicht allzusehr beeinträchtigt werden dürfen. In der Realität erscheinen denn auch viele durch sexuelle Selektion hervorgerufene Merkmale recht willkürlich. Ein Besucher aus dem All, der noch nie einen Menschen erblickt hat, könnte sicher nicht vorhersagen, daß Männer und nicht Frauen Bärte tragen und daß die Bärte im Gesicht und nicht über dem Bauchnabel sitzen – und daß Frauen keine rotblauen Hinterteile haben.
Daß sexuelle Selektion wenigstens bei Vögeln tatsächlich funktioniert, konnte der schwedische Biologe Malte Andersson mit einem eleganten Experiment an afrikanischen Hahnschweifwidas zeigen. Bei dieser Vogelart wächst das Schwanzgefieder des Männchens während der Brutsaison auf über 50 Zentimeter Länge, während das des Weibchens nur knapp acht Zentimeter lang ist. Manche Männchen sind polygam und bringen es auf bis zu sechs Weibchen – auf Kosten anderer Männchen, die keins abbekommen. Biologen vermuteten, daß das lange Schwanzgefieder als Signal dient, mit dem
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