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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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zufolge muß diese Suche auch künftig vergeblich bleiben. Es ist gar nicht zu erwarten , daß es einen einzigen oder auch nur einige wenige physiolo­gische Mechanismen des Alterns gibt. Vielmehr dürfte die natürliche Selektion so wirken, daß die Alterungs­geschwindigkeit in allen physiologischen Systemen etwa gleich ist, mit dem Resultat, daß der Prozeß des Alterns unzählige simultane Veränderungen umfaßt.
    Diese Einschätzung beruht auf folgender Überlegung. Es ergibt wenig Sinn, einen Teil des Körpers auf kost­spielige Weise instandzuhalten, wenn andere Teile ra­scherem Verschleiß unterliegen.
    Umgekehrt sollte es die natürliche Selektion nicht zu­lassen, daß einige wenige Systeme ihren Dienst lange vor allen anderen versagen, da in dem Fall zusätzliche Re­paraturen an diesen wenigen Systemen eine bedeuten­de Erhöhung der Lebenserwartung zur Folge hätten und somit lohnend wären. Analog sollten Mercedes-Besitzer keine billigen Lager installieren lassen, wenn sie im üb­rigen an ihrem Fahrzeug an nichts sparen. Wer wirklich so dumm wäre, hätte die Lebensdauer seines teuren Ge­fährts verdoppeln können, nur indem er ein paar Mark mehr für bessere Lager ausgegeben hätte. Andererseits würde es sich aber auch nicht lohnen, die Kosten für den Einbau von Diamantlagern zu berappen, wenn das gan­ze übrige Auto lange vor dem Verschleiß der Lager be­reits verrostet wäre. Die optimale Strategie lautet des­halb für Mercedes-Besitzer und uns, alle Teile unserer Autos bzw. Körper in solchem Tempo zu reparieren, daß schließlich der Zusammenbruch an allen Stellen gleich­zeitig erfolgt.
    Mir scheint, als fände diese deprimierende Vorhersa­ge Bestätigung und als käme die menschliche Realität dem Evolutionsideal näher als jener Hauptursache des Alterns, der Physiologen schon so lange auf der Spur zu sein meinen. Anzeichen des Alterns lassen sich über­all finden, wo man nach ihnen sucht. Ich selbst spüre schon sehr genau den Verschleiß meiner Zähne, die er­heblich verminderte Muskelleistung und die merkli­che Verschlechterung meines Hör-, Seh-, Geruchs- und Tastsinns. Bei jedem dieser Sinne sind Frauen Männern gleichen Alters überlegen, egal, welche Altersgruppe man betrachtet. Vor mir habe ich die bekannte Litanei : Schwächerwerden des Herzens, Arterienverkalkung, zu­nehmende Knochenbrüchigkeit, Verschlechterung der Ausscheidungsfunktion der Nieren, reduzierte Wider­standskraft des Immunsystems und Rückgang der Ge­dächtnisleistung. Die Liste ließe sich fast beliebig verlän­gern. In der Tat scheint es die Evolution so eingerichtet zu haben, daß alle unsere Körperfunktionen an Kraft verlieren und wir nur genausoviel in die Selbstheilung investieren, wie wir wert sind.
    Aus praktischer Sicht ist dieser Schluß enttäuschend. Gäbe es nur eine Hauptursache des Alterns, hätte man dafür eine Kur finden und uns einen Jungbrunnen er­schließen können. Diese Vorstellung aus der Zeit, als man das Altern weitgehend für ein hormonales Phäno­men hielt, veranlaßte manchen Senior, sich Hormone spritzen oder Geschlechtsdrüsen implantieren zu lassen, alles in der Hoffnung, die Jugend auf wunderbare Weise zurückzugewinnen. Ein solcher Versuch war auch Ge­genstand der Erzählung »Der Mann, der auf allen vie­ren lief« des berühmten Schriftstellers Sir Arthur Conan Doyle, in welcher der alternde Professor Presbury, be­tört von einer jungen Frau, verzweifelt versucht, sich zu verjüngen, statt dessen aber am Ende wie ein Affe um­herläuft. Der Grund bleibt dem großen Sherlock Holmes natürlich nicht verborgen : Der Professor hatte sich in der Hoffnung auf eine Verjüngungskur das Serum von Languren injiziert.
    Ich hätte dem Professor gleich sagen können, daß ihn sein kurzsichtiges Streben in die Irre führen würde. Hätte er die grundsätzliche Wirkungsweise der Evoluti­on berücksichtigt, wäre ihm klar gewesen, daß die na­türliche Selektion uns nie gestattet hätte, nur durch ei­nen einzigen Mechanismus zu altern, wogegen sich eine simple Kur finden ließe. Vielleicht ist es auch besser so.
    Sherlock Holmes machte sich jedenfalls große Sorgen, was wohl geschehen würde, wenn ein solches Lebens­elixir gefunden wäre: »Gerade darin liegt die Gefahr – eine wesentliche Gefahr für die Menschheit. Stell dir vor, Watson, gerade die materiellen, sinnlichen, weltlich ein­gestellten Leute würden ihr wertloses Leben verlängern … Nur die windigen

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