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Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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klären. In den zehn Jahren, die vergehen, bis ein Albatros sein er­stes Junges schlüpfen sieht, kann eine Mäusepopulation schon 60 Generationen durchlaufen haben.
    Als drittes Beispiel wollen wir männliche und weibli­che Angehörige der gleichen Art vergleichen. Zu erwar­ten ist ein größerer potentieller Vorteil aus Selbsthei­lungsmechanismen und langsamerer Alterung für das Geschlecht, dessen Angehörige seltener auf unnatür­liche Weise ums Leben kommen. Bei vielen oder sogar den meisten Arten ist diese Form der Sterblichkeit bei männlichen Tieren höher als bei weiblichen, was zum Teil darauf beruht, daß sie sich durch Kämpfe und auf­fällig zur Schau gestellte Merkmale größeren Gefahren aussetzen. Beim Menschen gilt dies ebenfalls heute und wahrscheinlich während unserer gesamten Geschichte als Spezies. Männer sterben eher in Kriegen gegen Ge­schlechtsgenossen anderer Sippen oder in Einzelkämp­fen innerhalb der eigenen Sippe. Bei vielen Tierarten sind die Männchen zudem größer als die Weibchen, wo­bei Untersuchungen an Rothirschen und Drosseln erga­ben, daß sie dadurch eher umkommen, wenn die Nah­rung knapp wird.
    Im Zusammenhang mit dieser größeren Häufig­keit unnatürlicher Todesfälle steht, daß Männer auch schneller altern und eine höhere natürliche Todesrate als Frauen aufweisen. Zur Zeit liegt die Lebenserwar­tung von Frauen etwa sechs Jahre über der von Män­nern; zum Teil erklärt sich diese Diskrepanz dadurch, daß mehr Männer rauchen, aber auch unter Nichtrau­chern zeigt sich ein geschlechtsspezifischer Unterschied in der Lebenserwartung. Er legt die Vermutung nahe, daß die Evolution uns so programmiert hat, daß Frau­en mehr Energie in die Selbstheilung ihres Körpers inve­stieren, während Männer mehr Energie dafür benötigen, gegeneinander zu kämpfen. Mit anderen Worten lohnt die Selbstheilung eines Mannes weniger als die einer Frau. Damit soll das kriegerische Verhalten von Män­nern noch nicht einmal verunglimpft werden, denn es erfüllt im Sinne der Evolution einen nützlichen Zweck für den Mann: Frauen zu gewinnen und für seine Kin­der und seine Sippe Ressourcen zu sichern – auf Kosten anderer Männer und deren Kinder und Sippe.
    Beim letzten meiner verblüffenden Beispiele, die nur vor dem Hintergrund der Evolution zu begreifen sind, geht es um das charakteristisch menschliche Phäno­men, daß wir nach Überschreiten des fortpflanzungs­fähigen Alters weiterleben, also insbesondere nach dem weiblichen Klimakterium. Da die Vererbung geneti­scher Anlagen an die nächste Generation die treibende Kraft hinter der Evolution ist, leben Angehörige anderer Tierarten selten länger als bis zum Ende des fortpflan­zungsfähigen Alters. Die Natur hat es vielmehr so ein­gerichtet, daß der Tod mit dem Ende der Fruchtbarkeit zusammenfällt, da sich kein evolutionärer Nutzen dar­aus ergibt, den Körper weiter in gutem Zustand zu er­halten. Daß Frauen nach dem Klimakterium noch Jahr­zehnte weiterleben, stellt eine erklärungsbedürftige Aus­nahme dar, und ebenso, daß Männer ein Alter erreichen, in dem die meisten lange nicht mehr damit beschäftigt sind, Babys zu zeugen.
    Doch die Erklärung ist rasch gefunden. Beim Men­schen ist die Phase intensiver elterlicher Fürsorge un­gewöhnlich lang und erstreckt sich über fast zwei Jahr­zehnte. Selbst die Älteren, deren Kinder bereits erwach­sen sind, haben noch eine enorme Bedeutung für das Überleben nicht nur ihrer Kinder, sondern der gesamten Sippe. Besonders vor der Verbreitung der Schrift dienten sie als Träger von unentbehrlichem Wissen. Deshalb hat uns die Natur mit der Gabe versehen, unseren übrigen Körper auch dann noch in relativ gutem Gesundheitszu­stand zu erhalten, wenn die weiblichen Fortpflanzungs­anlagen schon lange verkümmert sind.
    Umgekehrt müssen wir uns fragen, warum die na­türliche Selektion überhaupt das Klimakterium in die Frauen hineinprogrammierte. Ebenso wie das Altern läßt sich auch das Klimakterium nicht als zwangsläu­fige physiologische Tatsache vom Tisch wischen. Die meisten Säugetiere, einschließlich männlicher Exem­plare der Spezies Mensch sowie Schimpansen und Go­rillas beider Geschlechter, erleben im Gegensatz zum abrupten Ende der Fruchtbarkeit bei Frauen nur einen allmählichen Rückgang und schließlich ein Ausklin­gen ihrer Fortpflanzungsfähigkeit. Wie kam es zu die­ser scheinbar kontraproduktiven Besonderheit des Men­schen ?

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