Der dritte Zustand
wolle er sie von der zunehmenden Reibung ablenken. Bis es ihr gelang, ihn abzudrängen und sie beide aus der Kleidung zu befreien, wobei sie flüsterte: »Langsam, Fima. Verschling mich doch nicht.« Aber er hörte nichts, lag vielmehr im Handumdrehen mit vollem Gewicht auf ihr, und küßte unablässig ihr Gesicht, um unaufhörlich leise flehende Bitten und hastige Entschuldigungen zu stammeln. Doch als sie sich seiner erbarmte und gut, komm, sagte, schrumpfte sein Glied plötzlich. Zog sich in die Falten seiner Höhle zurück, wie eine erschrockene Schildkröte den Kopf tief unter den Panzer steckt.
Und trotzdem ließ er nicht ab, sie zu küssen und zu liebkosen und sich für seine Müdigkeit zu entschuldigen, nachts habe er schlecht geträumt, und heute abend habe ihn Ted aus dem Haus geworfen, nachdem er ihn mit Brandy vollgegossen habe, und nun der Scotch. Offenbar sei heute doch nicht sein Tag.
Zwei Tränen traten in die Winkel von Ninas kurzsichtigen Augen. Jetzt, ohne Brille, wirkte sie zart, verträumt, als sei ihr Gesicht weit nackter als ihr Leib. Lange blieben sie eng umschlungen reglos liegen wie zwei Soldaten im Graben unter Beschuß. Beschämt und durch ihre Beschämung verbunden. Bis sie sich von ihm löste, umhertastete, sich eine neue Zigarette anzündete und zu sagen versuchte, macht nichts, Kind, und ihm zu verstehen geben wollte, daß er sie gerade jetzt tiefer erreiche, als es beim Beischlaf möglich sei. Und wieder nannte sie ihn Kind und sagte, komm, geh dich waschen, dann legen wir dich schlafen.
Getröstet und elegisch legte Fima den Kopf in ihre Achselhöhle, hielt aber die Brille von ihr fern, weil er sich ihrer nackten Körper und seines eingeschrumpften Gliedes schämte, sich allein danach sehnte, sich an sie zu schmiegen, weder zu sehen noch gesehen zu werden. Nahe und schweigend lagen sie auf dem Teppich im Schein des langsam schwächer werdenden Kaminfeuers und lauschten dem Sturm draußen und den Regengüssen an die Fensterscheiben und dem Gurgeln des Wassers im Regenrohr, sanft und zufrieden beide, als hätten sie den Liebesakt vollendet und einander höchstes Vergnügen bereitet. Plötzlich fragte Fima: »Was meinst du, Nina? Ob Jael und Uri miteinander geschlafen haben?«
Damit war der Zauber gebrochen. Nina befreite sich heftig aus seiner Umarmung, schnappte sich ihre Brille, warf sich die Tischdecke um, zündete mit energischen Bewegungen noch eine Nelson an und meinte: »Sag, warum kannst du nie mal fünf Minuten durchgehend schweigen.«
Danach wollte er wissen, was genau ihr an seinem Artikel vom Freitag gefallen habe.
»Warte«, sagte Nina.
Er hörte eine Tür zuschlagen. Einen Moment später schoß das Wasser aus den Hähnen in die Badewanne. Er kramte in seinem Kleiderhaufen und suchte sämtliche Taschen nach den Tabletten gegen Sodbrennen ab. Wie aus Schadenfreude gegen sich selbst wiederholte er Ted Tobias’ Worte: Dein Zustand ist ein bißchen unten. Und Jaels Satz: Was bist du für ein Golem.
Als Nina zwanzig Minuten später mit frischgewaschenem Haar, duftend, parfümiert und im braunen Morgenrock, zu Versöhnung und Trost bereit herauskam, fand sie die Kleidung ihres Mannes auf dem Teppich verstreut, das Kaminfeuer in den letzten Zügen und die Fellhausschuhe, die Uri aus Portugal mitgebracht hatte, wie tote Katzen vor der Tür liegen. Fima war weg. Aber sie sah, daß er sein Glas geleert und das Buch über Leibowitz ebenso mitzunehmen vergessen hatte wie einen seiner Socken, der überm Stuhl vor dem Feuer hing, das einen Augenblick mit letzter Kraft aufflackerte und gleich darauf erstarb. Nina sammelte Kleidungsstücke und Schuhe ein, räumte Glas, Suppentasse und vergessenen Socken weg, zog die Teppichecke gerade, tastete mit den schlanken, wohlgeformten Fingern, die denen einer jungen Chinesin glichen, nach den Zigaretten. Und lächelte unter Tränen.
7.
Mit mageren Fäusten
Morgens um Viertel nach sechs notierte er in seinem braunen Traumbuch, was er in der Nacht gesehen hatte. Der Großband Jerusalem in der hebräischen Dichtung diente ihm als Tischplatte auf den schräg hochgezogenen Knien. Und das Datum vermerkte er, wie immer, in Worten, nicht Ziffern.
Im Traum war ein Krieg ausgebrochen. Der Schauplatz sah so ähnlich aus wie die Golanhöhen, nur noch öder. Wie auf der Mondoberfläche.Er selbst ging in Uniform, aber ohne Marschgepäck oder Waffe einen verlassenen Sandweg entlang, zu dessen beiden Seiten, wie er wußte, Minenfelder lagen. Besonders
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