Der dritte Zustand
geredet wird. Ich weiß, daß das Kleinigkeiten sind, Effi. Man kann daran arbeiten. Kann zurückstecken. Oder sich dran gewöhnen. Wegen riechender Strümpfe zerstört man keine Familie. Ich ereifere mich nicht einmal mehr wegen Deiner Standardfrotzeleien über Luftfahrttechnik und Düsenmotoren, die in Deinen Augen anscheinend nur mit Krieg und Töten zu tun haben. Als stehe Deine Frau im Dienst eines Mördersyndikats. Ich habe mich an diese platten Witze schon gewöhnt. An Dein Genörgel von morgens an. An das dreckige Taschentuch auf dem Eßtisch. Daran, daß Du mal wieder den Kühlschrank offengelassen hast. An die endlosen Theorien darüber, wer wirklich Präsident Kennedy umgebracht hat und warum. Du bist ein Schwätzer geworden, Effi. Sogar mit dem Radio debattierst Du. Verbesserst das Hebräisch der Rundfunksprecher.
Wenn Du mich fragst, wann genau die Trennung von Dir begonnen hat, zu welchem Zeitpunkt, oder was Du mir denn angetan hättest, habe ich keine Antwort. Die Antwort lautet: weiß nicht. Ich weiß bloß, daß Du in Griechenland gelebt hast und hier in Jerusalem irgendwie nicht lebst. Nur existierst, und auch dieses Dasein irgendwie zur Plage wird. Eine Art kindischer Alter von dreißig Jahren. Beinah eine Kopie Deines Vaters, aber ohne den altmodischen Charme, ohne die Großzügigkeit, ohne seine Ritterlichkeit und vorerst auch ohne Bärtchen. Sogar im Bett hast Du angefangen, Liebe durch Unterwürfigkeit zu ersetzen. Bist ein wenig zum Schmeichler geworden. Aber nur gegenüber Frauen. Mit Uri, Micha, Zwicka und all Deinen Freunden befindest Du Dich bei Euren Diskussionen bis zwei Uhr nachts in ständigem Gerangel. Manchmal fällt Dir mittendrin ein, Nina, mir oder Schula Kropotkin irgendein abgedroschenes Kompliment zuzuwerfen, dieselbe Formel, ohne zwischen uns zu unterscheiden, eine Art kleine schmeichelnde Belohnung: der Kuchen ist wirklich großartig, die neue Frisur bezaubernd, die Topfpflanze so grün. Obwohl der Kuchen gekauft, die Frisur nicht neu und der Blumentopf eine Vase mit Schnittblumen ist. Nur damit wir den Mund halten und Euch nicht weiter dabei stören, Euch über die Lavon-Affäre zu kloppen. Über den Fall Karthagos. Über die Raketenkrise in Kuba. Oder den Eichmann-Prozeß. Oder darüber, welches die dialektische Seite in Sartres Einstellung zum Marxismus ist. Oder über den Antisemitismus von Pound und Eliot. Oder darüber, wer bei Eurer Debatte Anfang des Winters was prophezeit hatte.
Als wir Chanukka zu Uri und Nina auf die Überraschungsparty gegangen sind, die Schula für Zwi zum Abschluß seiner Doktorarbeit organisiert hatte, hast Du den ganzen Abend dominiert. Hattest einen Anfall von Bösartigkeit. Jedesmal, wenn ich etwas sagen wollte, hast Du mich angeguckt, wie eine Katze ein Ungeziefer fixiert. Hast richtig auf den Augenblick gelauert, in dem ich mal zwei Sekunden absetzte, um Luft zu holen, ein Wort zu suchen, und bist sofort eingefallen, um mir meinen Satz zu rauben und ihn selbst zu beenden. Damit, Gott behüte, nicht irgendeine Dummheit herauskäme. Damit ich nicht Deinen Gegnern beipflichtete. Nicht die Zeit stahl. Dir auch nicht die kleinste Replik klaute. Denn es war Deine Vorstellung. Den ganzen Abend. Ja eigentlich immer. Was Dich wiederum nicht abhielt, mir von Zeit zu Zeit in Deinen schwungvollen Reden ein wenig zu schmeicheln, zuweilen übrigens auch Nina und Schula, etwa zuwitzeln, ich sei zwar diejenige, die die Luftwaffe in der Luft halte, aber in dieser Diskussion kämst Du bestens ohne Luftunterstützung aus. Und das stimmte auch. Bis ein Uhr nachts hast du an Zwickas These keinen Stein auf dem andern gelassen, obwohl er Dir im Vorwort gedankt und Dich in den Anmerkungen zitiert hatte. Und um ein Uhr hast Du dann alle verblüfft, als es Dir gelang, wie ein Kartentrickkünstler aus den Trümmern eine neue – entgegengesetzte – These aufzubauen. Je mehr Zwicka sich zu verteidigen suchte, desto spitzer und mitleidsloser wurdest Du. Ließest ihn keinen Satz zu Ende führen. Bis Uri aufstand, den Ton einer Trillerpfeife nachahmte und verkündete, Du hättst einen K.-o.-Sieg davongetragen und Zwi könne sich bei Egged Arbeit suchen. Worauf Du sagtest: Warum Egged? Vielleicht schießt Jael ihn mit einer Rakete direkt in den königlichen Hof von Ferdinand und Isabella, damit er rausfindet, wie es wirklich dort gewesen ist, und eine neue Dissertation verfaßt. Als Nina endlich das Thema wechseln konnte und wir uns ein bißchen über einen komischen
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