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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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Film von Fernandel unterhielten, bist Du einfach dort im Sessel eingepennt. Hast sogar ein bißchen geschnarcht. Ich habe Dich nur mit Mühe nach Hause geschleppt. Aber als wir um drei Uhr morgens daheim ankamen, wurdest Du plötzlich wach und boshaft, zerstörerisch, hast alle verhöhnt, hast angefangen, mir im Maßstab eins zu eins zu rekonstruieren, wie Du gekämpft und gesiegt hast. Hast verkündet, heute nacht gebühre Dir ein königlicher Fick, den hättest Du Dir im Schweiße Deines Angesichts verdient, so wie ihn einst in Japan ein Samurai nach gewonnenem Turnier bekommen habe. Und ich habe Dich angeguckt und auf einmal keinen Samurai vor mir gesehen, sondern so was wie einen weltlichen Jeschiwastudenten, von Spitzfindigkeiten und Haarspalterei zerfressen, frohlockend und ziemlich blöd. Du hast Dich völlig vergessen.
    Versteh, Effi. Ich erwähne Deinen großen Abend bei den Gefens nicht, um mich zu erklären. Ich habe es mir bisher noch nicht einmal selber erklären können. Wenigstens nicht in Worten. Du bist ja nicht schuld daran, daß Du einen kleinen Bauch angesetzt hast. Man löst doch keine Ehe auf, bloß weil der Partner sich die Haare im einen Nasenloch schneidet und das zweite vergißt. Und vergißt, auf der Toilette die Spülung zu drücken. Zumal ich weiß, daß Du trotz aller Kleinlichkeit und Stichelwut auf Deine Weise noch immer irgendwie in mich verliebt bist. Womöglich jetzt sogar mehr als damals nach unserer Rückkehr aus Griechenland, als die Wahl aus irgendeinem Grund gerade auf mich fiel, obwohl Du damalskaum zwischen uns unterscheiden konntest. Vielleicht ist das so: Du bist verliebt, liebst aber nicht. Jetzt sagst Du sicher, das sei nur ein Wortspiel. Kalauer nennst Du das in Deinen militanten Debatten mit Deinem Vater. Und ich sage, verliebt sein heißt bei Dir – wieder zum Baby werden wollen. Gestillt und gewickelt zu werden. Und vor allem, daß man keinen Moment aufhört, Dich zu vergöttern. Tag und Nacht. Dich rund um die Uhr umschwärmt.
    Dabei weiß ich, daß ich mir hier selbst widerspreche: Schließlich habe ich Dich ja geheiratet, weil mich Deine griechische Kindlichkeit faszinierte, und nun trenne ich mich mit der Behauptung, Du seist kindlich. Schön. Du hast mich bei einem Widerspruch ertappt. Genieß es. Manchmal scheint mir, wenn du zwischen dem Genuß im Bett und dem Genuß, mich bei einem Widerspruch zu erwischen, zu wählen hättest, fändest du den zweiten aufreizender und befriedigender. Besonders da bei diesem Vergnügen keine Gefahr der Schwangerschaft besteht. Jeden Monat hast du eine Heidenangst, ich könnte Dich reingelegt haben, Dir hinterlistig ein Baby aufhalsen. Was Dich allerdings nicht daran hindert, gelegentlich unter Freunden anzudeuten, der wahre Grund liege darin, daß eben Düsenmotoren Jaels Babys seien.
    Vor etwa zwei Monaten, sicher hast Du es schon vergessen, habe ich Dich frühmorgens geweckt und gesagt, Effi, genug. Ich fahre weg. Du hast nicht gefragt, warum und wohin. Du hast gefragt, wie? Auf einem düsengetriebenen Besen? Und das führt mich zu Deiner primitiven Eifersucht auf meine Arbeit. Eine Eifersucht, die sich als Heiterkeit verkleidet. Natürlich darf ich bezüglich des Projekts nicht ins einzelne gehen, und diese Geheimhaltung faßt Du offenbar als Untreue auf. Als hätte ich einen Liebhaber gefunden. Und dazu noch einen zweitklassigen. Verächtlichen. Wie kann eine Frau, der die seltene Ehre zuteil geworden ist, Deine Gattin zu werden, überhaupt fähig sein, sich nicht damit zu begnügen? Sich mit etwas außer Dir zu beschäftigen? Und noch dazu mit dunklen Dingen? Nicht daß Du, falls ich Dir über das Projekt erzählen dürfte, etwas begreifen oder Interesse zeigen würdest. Im Gegenteil. Nach zwei Minuten würdst Du nicht mehr zuhören. Oder einpennen. Oder das Thema wechseln. Du begreifst ja nicht einmal, wie ein Ventilator funktioniert. Und damit wären wir bei der Gegenwart angelangt.
    Vor sechs Wochen, als die Einladung aus Seattle da war und Samstagabend zwei Oberste von der Luftwaffe zu uns kamen, um mit Dir zu sprechen,Dir zu erklären, daß das in Wirklichkeit auf ihre Initiative zurückgehe, daß meiner Zusammenarbeit mit den Amerikanern für zwei, drei Jahre nationale Bedeutung zukomme, hast Du sie und mich einfach lächerlich gemacht. Hast angefangen, uns einen ganzen Vortrag zu halten über den historischen Wahnsinn, der dem Ausdruck ›nationale Bedeutung‹ innewohne. Hast Dich wie ein saudischer Scheich

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