Der dritte Zustand
zu überzeugen, daß Gad eigentlich nicht schlecht, nur eben schüchtern und verletzt sei. Obwohl sie gelegentlich das genaue Gegenteil behauptete: Jede Frau der Welt würde vor dieser Schlange schleunigst Reißaus nehmen.
Fima zog eine weiße Jacke über, setzte sich hinter seine Theke und begann seinen Terminkalender durchzusehen, den er bei sich Schalscbelet Hakabbala , Empfangs- (oder Überlieferungs-)kette, nannte. Als versuche er unwissentlich zu raten, welche der eingetragenen Frauen als die nächste Annette Tadmor in sein Leben eintreten könnte.
Tamar sagte: »Es sind zwei Patientinnen drinnen. Die beim Kontrabaß hat ein bißchen Ähnlichkeit mit Margaret Thatcher, und die bei Gad sieht wie eine Oberschülerin aus. Recht hübsch.«
»Beinah hätte ich dich mitten in der Nacht angerufen«, sagte Fima. »Ich hab’ deinen finnischen Feldmarschall, der mit ›M‹ anfängt und endet, rausgefunden: Mannerheim. Eigentlich hat er von Mannerheim geheißen. Ein deutscher Name. Der hat die ganze Welt in Staunen versetzt, da es ihm gelungen ist, an der Spitze der kleinen finnischen Armee den Angriff Stalins zu stoppen, der im Jahr neununddreißig in enormer Truppenstärke bei ihnen eingefallen ist.«
»Du weißt auch alles«, meinte Tamar. »Könntest leicht Professor sein. Oder Minister.«
Fima dachte ein wenig darüber nach, stimmte ihr insgeheim zu und sagte liebevoll: »Du bist die ideale Frau, Tamar. Es ist eine wahre Schande für das gesamte Männergeschlecht, daß man uns dich noch nicht weggeschnappt hat. Aber wenn man’s näher bedenkt – es ist einfach noch nicht der Mann geboren worden, der deiner würdig wäre.«
Mit ihrem kräftigen, quadratischen Körper, dem weichen Blondhaar, das im Nacken zu einem kleinen Knoten zusammengefaßt war, ja sogar mit ihrem seltsamen Pigmentfehler, der ihr ein grünes und ein braunes Auge verliehen hatte, erschien sie ihm auf einmal rührend kindlich, so daß er sich fragte, warum er nicht einfach auf sie zuging, ihr die Arme um die Schultern legte und ihren Kopf an seine Brust drückte, als sei sie seine Tochter. Doch gleich darauf vermischte sich dieser Tröstungstrieb mit dem Drang, ihr gegenüber damit zu prahlen, daß heute morgen zwei Frauen zu ihm gepilgert seien und sich ihm eine nach der andern hingegeben hätten. Er zögerte, nahm sich zusammen und schwieg. Wann hatte zuletzt eine Männerhand diesen stämmigen Körper angefaßt? Wie würde sie reagieren, wenn er plötzlich die Arme ausstreckte und ihr die Hände auf die Brüste legte? Mit Entsetzen? Mit Schreien? Mit verschämtem Dahinschmelzen? Du Dussel, sagte er zu seinem Glied, jetzt fällt’s dir wieder ein. Und als spüre er tatsächlich in der weichen Mitte beider Handflächen die Versteifung ihrer Nippel, krallte er die Finger. Und grinste.
»Kann man dich noch was fragen?« erkundigte sich Tamar.
Fima erinnerte sich nicht, wie ihre vorherige Frage gelautet hatte, erwiderte aber trotzdem mit heiterer Großzügigkeit, als wolle er die majestätischen Gesten seines Vaters nachahmen: »Bis zur Hälfte des Königreichs.«
»Eine Insel im Stillen Ozean und auch eine Badebekleidung.«
»Wie bitte?«
»So steht’s hier. Vielleicht ist es ein Druckfehler. Insel im Stillen Ozean und auch Badebekleidung. Sechs Buchstaben. Das ist beinah das letzte, was mir noch fehlt.«
»Weiß ich nicht«, sagte Fima, »versuch mal Tahiti. Ich hab’ ein Kind, das bittet mich, mit ihm in den Stillen Ozean zu ziehen. Dort gemeinsam in einer Reisighütte zu wohnen und uns von Fischen und Früchten zu ernähren. Das heißt, es ist nicht genau mein Kind. Meins und doch nicht meins. Egal. Versuch Hawaii. Würdest du mitkommen, Tamar? In einer Reisighütte wohnen und nur Fische und Früchte essen? Fern von Brutalität und Dummheit? Fern von diesem Regen?«
»Heißt es Tahiti oder Dahiti? Eigentlich hilft mir Tahiti so oder so nicht, denn der zweite Buchstabe ist ›i‹, und der dritte müßte ›k‹ sein. Redest du von Jaels Kind? Von Dimmi? Deinem Challenger? Vielleicht sollte ich mich nicht einmischen, Fima, aber denk gut nach, ob du diesem Kind nicht das Leben schwermachst mit deinem Versuch, ihm Reservevater zu sein. Manchmal meine ich –«
»Bikini«, sagte Fima, »den Badeanzug hat man nach dem Ende der Welt benannt. Bikini ist ein winziges Inselchen, von dem man alle Eingeborenen evakuiert hat, um es dann mit Atombomben völlig zu zerstören. Das war die Versuchsstation des Weltendes. Im Süden des Stillen
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