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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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Regierung machen sich auch ein gutes Leben. Und die Regierung der Araber ebenfalls. Und desgleichen bei den Gojim. Alle amüsieren sich. Alle den ganzen Tag quietschfidel. Wir sterben ja doch alle.«
    Frau Scheinmann kicherte, ja hätte Fima beinah zugezwinkert, während sie den entlassenen Beamten ignorierte, und sagte eilfertig, gewissermaßen bemüht, ein wenig von dem gutzumachen, was Fima sich hier anhören mußte: »Achten Sie nicht drauf, Doktor. Dem ist das Töchterchen gestorben, die Frau ist tot, die Geschwister ebenfalls. Und er hat auch keinen Groschen. Redet nicht mit Verstand. Das ist überhaupt ein Mensch, den Gott vergessen hat.«
    Fima fingerte in seinen Taschen, fand aber nur Kleingeld. Deshalb bat er die Wirtin, anzuschreiben. Und nächste Woche, wenn er seinen Lohn bekommen würde – aber sie schnitt ihm mit sanfter Herzlichkeit das Wort ab: »Macht nichts. Nur keine Sorge. Schon gut.« Und unaufgefordert brachte sie ihm ein Glas süßen Tee mit Zitrone und fügte hinzu: »Es liegt sowieso alles beim Himmel.«
    Darin stimmte er zwar nicht mit ihr überein, aber der Tonfall berührte ihn wie ein Streicheln, so daß er ihr plötzlich die Finger auf die geäderte Hand legte und ihr dankte und das Essen lobte und begeistert dem, wassie vorher gesagt hatte, beipflichtete – Erbarmen ist Erbarmen. Als Dimmi acht Jahre alt war, hatten Ted und Jael Fima einmal um zehn Uhr morgens alarmiert, um den Jungen suchen zu helfen, der offenbar aus der Schule ausgerissen war, weil die anderen Kinder ihm zugesetzt hatten. Ohne einen Moment zu zögern, hatte Fima ein Taxi bestellt und war nach Romema in die Kosmetikfabrik gefahren, wo er Baruch und Dimmi auch prompt in einem kleinen Labor verschanzt vorfand – über den Versuchstisch gebeugt, weiße Mähne neben weißlichem Blondschopf, damit beschäftigt, eine bläuliche Flüssigkeit im Reagenzglas über einem Bunsenbrenner zu destillieren. Als er eintrat, verstummten der Alte und das Kind wie auf frischer Tat ertappte Verschwörer. Dimmi hatte die Angewohnheit, sie beide – Baruch und Fima – Großvater zu nennen. Der Vater, den Trotzkibart wie einen moslemischen Krummdolch nach vorne gewölbt, wollte Fima nicht erklären, mit welcher Art von Versuch sie sich da beschäftigten: Man könne nicht wissen, ob er zu uns oder zu unseren Bedrängern zähle. Doch Dimmi drückte mit ernster Konzentration und geheimbündlerischer Miene sein Vertrauen aus, daß Fima nichts verraten werde. Großvater und ich arbeiten jetzt an der Entwicklung eines Sprays gegen Dummheit. Wo die Dummheit den Kopf erhebt, braucht man eines Tages bloß einen kleinen Behälter hervorzuziehen, ein bißchen zu spritzen, und schon ist die Dummheit verweht. Worauf Fima sagte: Gleich im Anfangsstadium werdet ihr mindestens hunderttausend Tonnen von eurem Mittel herstellen müssen. Und Baruch wiederum: Vielleicht ist es schade um all unsere Mühen, Diminka. Menschen, die das Herz auf dem rechten Fleck haben, brauchen diese Behandlung doch gar nicht, und was die Bösewichte anbetrifft – sagt mir, meine beiden Lieben: Warum sollten wir uns für die Bösen abrackern? Da vergnügen wir uns lieber ein bißchen. Und sogleich bestellte er telefonisch ein Tablett mit Süßigkeiten, Erdnüssen und Obst ins Labor, beugte sich seufzend nieder, kramte aus einer Schublade ein Päckchen hölzerne Zahnstocher hervor, bat den Jungen, die Labortür von innen abzuschließen – und bis zum Mittag vertieften sich die drei nun in eine Serie von Mikadospielen. Die Erinnerung an diesen geheimen Morgen glänzte in Fimas Gedächtnis wie ein Glückswunderland, desgleichen er nie, auch nicht in seiner eigenen Kindheit, gekannt hatte. Danach jedoch, am Mittag, mußte er sich aufraffen und Dimmi zu seinen Eltern zurückbringen. Ted brummte dem Jungen zwei Stunden Badezimmerhaft und noch zwei Tage Hausarrest auf. Auch Fima erhielt einen Anpfiff. Fast reute es ihn, daß sie auf die Entwicklung des Sprays verzichtet hatten.
    Im Bus auf dem Weg zur Arbeit überdachte er das, was Frau Schönberg über den trübsinnigen Spitzel geäußert hatte, und sagte sich: Wen Gott vergessen hat, der ist nicht unbedingt verloren. Im Gegenteil. Vielleicht gerade leichtfüßig und frei wie eine Eidechse in der Wüste. Das Hauptproblem liegt nicht im Vergessen, sondern im Verebben: Wille, Sehnsüchte, Erinnerungen, körperliche Leidenschaften, Wißbegier, Begeisterung, Freudengefühl, Großzügigkeit – alles verebbt. Wie der Wind auf den

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