Der Dritte Zwilling.
»Es ist zwar schon spät, aber eine Bar dürfte noch offen haben, schätze ich, besonders Samstag nachts. Steht die Nummer auf deiner CD-ROM?«
»Nein, wir haben hier nur Privatanschlüsse drauf. Für Geschäftsnummern gibt es eigene Verzeichnisse.«
Jeannie erfuhr die Nummer von der Auskunft und wählte sie. Gleich beim ersten Klingeln wurde abgehoben.
»Hier ist Detective Susan Farber von der Polizei in Boston. Kann ich bitte den Manager sprechen?«
»Ich bin der Manager. Wo brennt’s?« Der Mann hatte einen spanischen Akzent und klang beunruhigt.
»Haben Sie einen Angestellten namens Henry King?«
»Hank? Ja, haben wir. Was ist los mit ihm?«
Das klang so, als wäre Henry King nicht zum erstenmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten. »Gar nichts, wahrscheinlich. Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
»Heute …, nein, gestern, meine ich. Samstag. Hatte Tagschicht.«
»Und davor?«
»Warten Sie … ja, letzten Sonntag. War dran von vier bis Mitternacht.«
»Wären Sie gegebenenfalls bereit, das zu beschwören, Sir?«
»Aber sicher, warum nicht? Egal wer tot ist - Hank ist nicht der Mörder.«
»Ich danke Ihnen für Ihre Hilfsbereitschaft, Sir.«
»Gern geschehn!« Der Manager schien erleichtert zu sein, daß Jeannie nicht mehr von ihm wissen wollte. Wenn ich ein echter Bulle wäre, dachte Jeannie, würde ich sagen, der Kerl hat ein schlechtes Gewissen. »Rufen Sie mich an, wenn Sie noch Fragen haben, ja?« Der Mann legte auf.
»Das Alibi hält«, sagte Jeannie enttäuscht.
»Kein Grund zum Verzweifeln«, erwiderte Lisa. »Wir haben ihn sehr schnell von der Liste streichen können, das war nicht schlecht, zumal der Name so häufig ist.
Probieren wir es jetzt mal mit Per Ericson. Von denen gibt es wahrscheinlich nicht so viele.«
Nach der Pentagon-Liste war Per Ericson in Fort Rucker geboren, doch zweiundzwanzig Jahre später gab es in Alabama keine Per Ericsons mehr. Lisa versuchte einen anderen Weg:
P*Erics?on für den Fall, daß sich der Name mit zwei ›s‹ schrieb. Danach probierte sie es mit P*Erics$n um auch die Schreibweisen »Ericsen« und »Ericsan« mit abzudecken, doch der Computer fand nichts Passendes.
»Versuch’s mal mit Philadelphia«, schlug Jeannie vor. »Schließlich war es dort, wo er mich überfallen hat.«
In Philadelphia kamen drei Personen in Frage. Bei der ersten stellte sich heraus, daß sie mit Vornamen Peter hieß. Die zweite war eine zittrige Greisenstimme auf einem Anrufbeantworter, und bei der dritten handelte es sich um eine Frau namens Petra. Danach arbeiteten Jeannie und Lisa sämtliche P. Ericsons in den Vereinigten Staaten ab. Es waren insgesamt dreiunddreißig Einträge.
Lisas zweiter P. Ericson war übelgelaunt und ausfällig. Als sie den Hörer auflegte, war sie ganz blaß im Gesicht. Sie trank eine Tasse Kaffee und wählte entschlossen die nächste Nummer.
Jeder Anruf war ein kleines Drama. Es kostete Jeannie viel Nervenkraft, immer wieder die Polizistin zu spielen - und es war grausam, jedesmal damit rechnen zu müssen, die Stimme des Mannes zu hören, der zu ihr gesagt hatte: »Und jetzt machst du’s mir mit der Hand. Wenn nicht, schlag’ ich dich zusammen.« Kraft kostete es auch, nicht aus der Polizistinnenrolle zu fallen, wenn die Angerufenen mit Mißtrauen oder Beleidigungen reagierten. Außerdem verliefen die meisten Telefonate enttäuschend.
Nach ihrem sechsten ergebnislosen Gespräch hörte Jeannie Lisa sagen: »Oh, das tut mir aber furchtbar leid. Unsere Informationen sind offenbar veraltet. Bitte entschuldigen Sie die Belästigung, Mrs. Ericson. Auf Wiederhören.« Sie legte den Hörer auf und wirkte sehr niedergedrückt. »Er war der Richtige«, sagte sie dann mit ernster Stimme, »aber er ist im letzten Winter gestorben. Das war eben seine Mutter. Sie brach in Tränen aus, als ich mich nach ihm erkundigte.«
Was für ein Mensch dieser Per Ericson wohl gewesen ist, fragte sich Jeannie unwillkürlich. Ein Psychopath wie Dennis? Oder eher ein Mensch wie Steve?
»Woran ist er gestorben?« fragte sie.
»Er war anscheinend ein Skichampion und hat sich bei einer toll kühnen Abfahrt den Hals gebrochen.«
Ein furchtloser Draufgänger … »Ja, das paßt ganz gut zu unserem Mann.«
Auf den Gedanken, daß der eine oder andere der acht Gesuchten nicht mehr am Leben sein könnte, war Jeannie noch gar nicht gekommen. Jetzt erkannte sie, daß es sogar noch mehr als acht Implantationen gegeben haben mußte. Selbst heute, da die Technik
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