Der Dritte Zwilling.
Überwachungsaufträge. Die Situation wurde immer kritischer. In einer solchen Zeit war es falsch, an seine persönliche Würde zu denken. Wenn es ihnen nicht gelang, Jeannie aufzuhalten, blieb davon ohnehin nichts mehr übrig.
Er fuhr zurück zum Haus der Logans. Dort brannten keine Lichter; offenbar war niemand zu Hause oder die Bewohner lagen schon im Bett. Auch Jeannies roter Mercedes war nirgendwo mehr zu sehen. Er wartete eine Stunde lang, aber kein Mensch kam. Wahrscheinlich ist sie längst nach Hause gefahren, dachte Berrington, fuhr nach Baltimore zurück und patrouillierte in der Straße, in der ihre Wohnung lag, langsam auf und ab. Aber auch dort war ihr Wagen nicht zu sehen.
Als er vor seinem Haus in Roland Park vorfuhr, dämmerte bereits der Morgen herauf. Er rief sofort Jim an, aber weder bei ihm zu Hause noch in seinem Büro ging jemand an den Apparat. Ohne sich auszukleiden, legte Berrington sich aufs Bett und schloß die Augen, doch obwohl er sehr erschöpft war, konnte er vor lauter Sorgen nicht ein schlafen.
Um sieben Uhr stand er auf und versuchte neuerlich, Jim Proust zu erreichen.
Wieder vergeblich. Er duschte, rasierte sich, schlüpfte in eine schwarze Baumwollhose und zog ein gestreiftes Polohemd über. Dann drückte er sich mehrere Orangen aus und trank den Saft stehend in der Küche. Er warf einen Blick in die Baltimore Sun, doch die Überschriften sagten ihm nichts; sie hätten ebensogut in Finnisch verfaßt sein können.
Um acht rief Proust an.
Jim hatte die halbe Nacht zusammen mit einem befreundeten General im Pentagon verbracht und das Personal des Datenzentrums verhört. Die beiden gaben vor, einen Verstoß gegen die Sicherheitsvorschriften zu untersuchen. Der General - ein alter Kumpel aus Jims CIA-Zeit - wußte lediglich, daß Logan vorhatte, eine Geheimaktion aus den siebziger Jahren aufzudecken, und daß Jim Proust ihn daran hindern wollte.
Colonel Logan, der nach wie vor inhaftiert war, machte keine Aus sagen. Er wiederholte nur immer wieder den Satz: »Ich möchte mit einem Anwalt sprechen.« Auf dem Computermonitor, den Steve benutzt hatte, waren allerdings die Ergebnisse von Jeannies Suche zu sehen gewesen, so daß Jim hatte feststellen können, worum es ging. »Ihr habt damals offenbar von allen Babys Elektrokardiogramme an fertigen lassen«, sagte Jim.
Berrington hatte das vergessen, doch jetzt fiel es ihm wieder ein. »Ja, das stimmt.«
»Logan hat sie gefunden.«
»Alle?«
»Alle acht.«
Das war die schlimmste aller denkbaren Hiobsbotschaften. Die Elektrokardiogramme waren, wie bei eineiigen Zwillingen, einander so ähnlich, als stammten sie von ein und derselben Person an verschiedenen Tagen. Steve, sein Vater und vermutlich auch Jeannie mußten da her jetzt wissen, daß Steve einer von acht Klonen war. »Teufel auch«, sagte Berrington, »dreiundzwanzig Jahre haben wir die Sache unter Verschluß gehalten - und nun kommt diese verdammte Göre dahinter.«
»Ich hab’s dir doch gesagt, wir hätten sie verschwinden lassen sollen.«
Wenn Jim unter Druck stand, reagierte er immer am aggressivsten. Nach der schlaflosen Nacht fehlte Berrington die Geduld. »Wenn du mir noch einmal mit
›Ich hab’s dir doch gesagt …‹ kommst, dann reiß ich dir deinen verdammten Schädel ab, das schwöre ich bei Gott.«
»Schon gut, schon gut …«
»Weiß Preston schon Bescheid?«
»Ja. Er meint, wir sind erledigt, aber das sagt er ja immer.«
»Diesmal könnte er recht haben.«
Jims Stimme schlug in Kasernenhofton um. »Vielleicht willst du ja jetzt den Schwanz einziehen, Berry. Ich will es nicht. Es kommt jetzt nur darauf an, die Sache bis zu der morgigen Pressekonferenz geheimzuhalten. Wenn wir das schaffen, geht die Übernahme anstandslos über die Bühne.«
»Und was passiert danach?«
»Danach sind wir um hundertachtzig Millionen Dollar reicher - und damit kann man sich sehr viel Schweigen erkaufen.«
Nur allzu gern hätte Berrington ihm geglaubt. »Da du so klug bist, was, meinst du, sollen wir als nächstes tun?«
»Wir müssen herausfinden, wieviel sie wissen. Kein Mensch weiß mit Bestimmtheit, ob Steve Logan einen Ausdruck der Namens- und Adressenliste in der Tasche hatte, als er uns durch die Lappen gegangen ist. Diese Frau Lieutenant im Datenzentrum schwört, daß er keinen hatte, aber auf ihr Wort allein verlasse ich mich nicht. Wie dem auch sei, die Adressen auf der Liste sind zweiundzwanzig Jahre alt. Meine Frage daher: Kann Jeannie Ferrami die Leute
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